Vermögensverwalter-Kolumne

Aktienquote verringern? - die Party ist weitgehend gelaufen!

30.12.24 12:14 Uhr

Aktienquote verringern? - die Party ist weitgehend gelaufen! | finanzen.net

In der Euphorie vergessen die Anleger ihre Vorsicht - und in der Krise vergessen sie ihren Mut, meint von Wolfgang Juds, Geschäftsführer der CREDO Vermögensmanagment GmbH in Nürnberg

Selten zuvor hatte ich das Gefühl, dass Aktienkurse und die Realwirtschaft so stark auseinanderdriften wie derzeit. Düstere Konjunkturprognosen in Deutschland, schwaches Wirtschaftswachstum in Europa, geopolitische Risiken allerorts und durchwachsene Entwicklungen bei den Unternehmensgewinnen prägen derzeit das große Bild. Gleichzeitig feiern die Anleger an der Börse eine Kursparty nach der anderen. Während der DAX erstmals in diesem Jahr die psychologisch wichtige Marke von 20.000 Punkten überschritten hat, bangen bei den deutschen Automobil- und Zulieferunternehmen viele Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz. Natürlich kann man anführen, dass die Kursrallye vor allem von wenigen international tätigen Konzernen getragen wird, die vom globalen Wachstum profitieren wie eine Rheinmetall, SAP und eine Siemens Energy. Auf der anderen Seite gibt es viele Absteiger wie eine Bayer, BASF und die Autobauer. 17 von 40 Werten notieren auf Jahressicht im Minus. Auch im MDAX und SDAX sieht es mau aus. Hier fehlen die großen internationalen Konzerne, die den Index nach oben ziehen. In den USA gab es im November noch einen zusätzlichen Schub durch die Wahl von Donald Trump als neuen Präsidenten. S&P, Dow Jones und NASDAQ kletterten durch die Aussicht auf zusätzliche Steuererleichterungen und eine wirtschaftsfreundliche Politik.

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In die Euphorie an den Märkten mischt sich derzeit reichlich Wasser in den süßen Wein! Die US-Notenbank Federal Reserve hat am 18. Dezember 2024 wie erwartet die Zinsen um 0,25 Prozent gesenkt. Mit der anschließenden Rede des Fed-Chefs Jerome Powell wurde die Rallye-Laune jedoch reichlich getrübt. Der Ausblick für weitere Senkungen in 2025 ist nunmehr vorsichtiger als bislang erwartet. Die Inflationsaussichten sind nicht besonders günstig. Die Teuerung hält sich hartnäckig.

Es kam wie es kommen musste: Die großen US-Indices korrigieren reichlich und verbilligen sich um jeweils rund drei Prozent. Auch der Bitcoin kam unter die Räder. Am Ende des Tages (18. Dezember) stand ein Minus von rund 15.000 US-Dollar. Vieles deutet auf eine Überhitzung hin. Die Aktienkurse und die Unternehmensgewinne passen beim S&P 500 nicht zusammen. Egal welche Kennzahlen ich heranziehe - ich komme zum Ergebnis, dass eine Korrektur wahrscheinlicher ist als eine Fortsetzung von 2024. Vieles erinnert derzeit mehr an die Situation in 2022 vor dem Ukrainekrieg. Egal welcher Auslöser es letzten Endes sein wird, im Rückblick werden sich die Experten einig sein: Es war allen klar, dass es so kommen würde. Daher sollten Anleger rechtzeitig an Gewinnmitnahmen denken und die Aktienquote reduzieren.

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Um erfolgreich an der Börse zu agieren, sollten Investoren ein klares Verständnis von "Wert" und "Preis" eines Anlagegutes haben. "Wert" ist das, was ich bekomme und der "Preis" ist das, was ich dafür bezahle. Als wertorientierter Investor tue ich mich sehr schwer mit der Vorstellung, zu viel Geld für ein Unternehmen zu bezahlen, egal wie hervorragend derzeit die Aussichten sein mögen. Zu teuer ist eben zu teuer! Der Börsenaltmeister Andé Kostolany hat einmal gesagt "Einer Straßenbahn und einer Aktie darf man nie nachlaufen. Nur Geduld: Die nächste kommt bestimmt." Leider sind die Aussichten derzeit gar nicht so rosig wie Viele meinen. Die Risken werden überwiegend ausgeblendet. Wenn wir den Unternehmenslenkern zuhören, höre ich überwiegend trübe Aussichten. Um im Bild mit der Straßenbahn zu bleiben: Es schadet auch nichts, sich mal eine Pause zu gönnen und die Beine hochzulegen und abzuwarten. Wir reduzieren Aktien und parken dieses Geld kurzfristig.

Ein weiteres Bild mag Investoren dabei helfen, der eigenen Anlagestrategie treu zu bleiben: Es ist die Geschichte Odysseus und den Sirenen. Odysseus segelte am Land der Sirenen vorbei. Bei den Sirenen handelte es sich um eine Mischung aus Vogel und Mensch, die für ihren betörenden Gesang berühmt waren. Die Seeleute, die an ihrer Küste vorbeisegelten, waren so beeindruckt von ihrem Gesang, dass sie sich ins Meer stürzten, um das Land der Sirenen zu erreichen. Alle, die dieser Versuchung erlagen, bezahlten es mit ihrem Leben. Odysseus hingegen ließ sich an den Schiffsmast binden. Seine Gefährten durften ihn nicht losbinden - egal was passierte. Sie mussten ihre Ohren mit Bienenwachs verschließen. Odysseus hörte den Gesang der Sirenen - und überlebte durch seine List. Seine Männer ignorierten sein Flehen, ihn loszubinden und er konnte den lieblichen Gesängen der Sirenen lauschen. Dieses Beispiel aus der griechischen Sagenwelt habe ich einer Publikation der Allianz Global Investors von Prof. Shlomo Benartzi, einem Mitbegründer des "Behavioral Finance Forums" entnommen. Es zeigt eindrücklich, wie wichtig es für Anleger ist, vorher festzulegen, wie man sich später verhalten will. Da die Börsenkurse oft zwischen Verzweiflung und Euphorie pendeln, gilt es, regelbasiert zu handeln. Angst und Gier müssen beide "an den Mast gebunden werden", damit wir uns als Anleger nicht von den Sirenen betören lassen und erfolgreich durch die Gefahren der Börse hindurch gelangen. Wenn wir bereits vorher einen Plan gefasst haben, wie wir zukünftig handeln wollen und ihn später konkret umsetzen, werden wir uns auch in schwierigen Zeiten nicht aus der Bahn werfen lassen, sondern weiter erfolgreich auf Kurs bleiben.

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