Aktienmärkte am Tropf der Notenbank
Betrachtet man den Aktienmarkt und die Entscheidungen der Geldpolitiker dies- und jenseits des Atlantiks seit dem Jahr 2008, zeigt sich eine sehr klare Korrelation.
Immer wenn die Notenbanker den Kauf von Staatsanleihen oder anderer, meist hypothekengesicherter Wertpapiere mit frisch gedrucktem Geld ankündigten, vollzog der Aktienmarkt im Anschluss eine bemerkenswerte Rallye.
Von Markus Steinbeis, Leiter Fondsmanagement bei Huber, Reuss & Kollegen
Sehr deutlich springt dies beim marktbreiten Standard & Poor‘s (S&P) 500 ins Auge, der die Aktien der 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst.
Quantitative Easing 1
Die Federal Reserve startete die erste Runde des „Quantitative Easing“ (QE 1, geldpolitische Lockerung) im Herbst 2008, gefolgt von einer erneuten Kaufwelle im Frühjahr 2009. Insgesamt erwarb die Notenbank in jener Phase hypothekengesicherte Wertpapiere (MBS) im Wert von knapp 1,5 Billionen US-Dollar sowie für 300 Milliarden Dollar US-Staatsanleihen. Als Reaktion auf diese massive Geldschwemme stieg der S&P 500 von seinem Tiefpunkt unter 700 Punkten bis April 2010 auf 1215 Punkte - ein Anstieg von fast 80 Prozent!
Quantitative Easing 2
Im Sommer 2010 ließ der Enthusiasmus der Aktienanleger nach, der S&P 500 gab um rund 17 Prozent nach. Fed-Chef Ben Bernanke kündigte im August 2010 die zweite Runde der geldpolitischen Lockerung an. QE 2 umfasste ein Volumen von 900 Milliarden US-Dollar, das in langlaufende Staatsanleihen floss, wobei 300 Milliarden aus Reinvestitionen aus dem MBS-Bereich stammten. Diese Geldwelle schob den Aktienindex bis Mai 2011 von etwa 1.020 auf 1.360 Zähler, was, von diesem Tief aus betrachtet, einem deutlich geringeren Anstieg von 33 Prozent entsprach.
Operation Twist, Teil 1 und 2
Im Sommer/Herbst kam es zu einem Einbruch an den Börsen, der Europa aufgrund der hiesigen Schuldenkrise deutlich schärfer traf als die USA. Doch auch der amerikanische Markt verlor in nur wenigen Wochen fast ein Fünftel seines Wertes. In der Folge legte Bernanke im Herbst 2011 die „Operation Twist“ auf. Seinen Namen verdankte das Programm der Tatsache, dass die Notenbank 400 Milliarden Dollar, die zuvor in Kurzläufern gebunden waren, verwendete, um damit lang laufende Staatsanleihen zu kaufen - vermutlich vorrangig deshalb, um deren Rendite zu drücken. Doch auch der Aktienmarkt profitierte und quittierte die Liquiditätsflut mit einem Anstieg um 26 Prozent bis ins Frühjahr 2012.
Als der S&P 500 im Frühjahr 2012 einen weiteren Schwächeanfall erlitt, nahm die Fed im Rahmen der „Operation Twist“ weitere 270 Milliarden Dollar aus Kurzläufern in die Hand und kaufte damit lang laufende Staatsanleihen. Dies wie auch die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB) im August, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten, führten seit Anfang Juni 2012 zu einem erneuten Anstieg des S&P 500 um fast 15 Prozent.
Quantitative Easing 3
Schließlich kündigte die Federal Reserve im September 2012 mit QE 3 das erste, zeitlich und auch vom Dollar-Volumen her unbegrenzte Programm zur Liquiditätsversorgung an. Fortan will die US-Notenbank für monatlich 40 Milliarden Dollar hypothekengesicherte Wertpapiere kaufen – und zwar so lange, bis sich die Konjunktur in den USA stabilisiert und die Arbeitslosenquote auf sechs bis sieben Prozent sinkt. Damit bindet die Notenbank den massiven Ankauf von Wertpapieren (immerhin knapp 500 Milliarden Dollar im Lauf von zwölf Monaten) erstmals an die Erreichung makroökonomischer Ziele. Zu dieser Liquiditäts-Großoffensive aus den USA kam im September die Ankündigung der EZB, unbegrenzt Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder zu kaufen, falls diese gewisse Bedingungen erfüllen.
Jetzt schießen zwei Notenbanken aus vollen Rohren
Beide Maßnahmen sollten, sofern sich das Muster „Liquidität treibt die Aktienmärkte“ fortsetzt, dazu führen, dass der mittelfristige Trend an den Börsen auch künftig nach oben weist.
Wie sehr die Aktienmärkte inzwischen am Tropf der Notenbanken hängen, zeigt die Entwicklung am Aktienmarkt in China. Denn während die chinesische Wirtschaft jährliche Wachstumsraten zwischen sieben und zehn Prozent aufweist, hat der Shanghai Index seit Mitte 2009 über 40 Prozent an Wert verloren. Der Grund dürfte maßgeblich darin zu suchen sein, dass die chinesische Notenbank eine restriktivere Geldpolitik fährt als ihre Schwester-Organisationen in Frankfurt und New York. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass sich die Aktienmärkte von der Realwirtschaft teilweise abkoppeln und Fundamentaldaten gegenüber der Entwicklung der Geldmenge immer mehr in den Hintergrund treten.
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