Aktien: Jahresendrallye schon vorbei?
An der Börse wird gerne mit saisonalen Mustern argumentiert. September/Oktober gelten gemeinhin als kritische Monate, ab November startet üblicherweise die beste Jahreszeit mit steigenden Börsenkursen weit in das erste Quartal hinein.
von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München
Demnach müsste uns das Beste noch bevorstehen. Doch dieses Jahr scheinen die Uhren vorgestellt: Die internationalen Aktienmärkte starteten im September in eine Herbstrallye, bei der kein Auge trocken blieb. Noch Ende Oktober wurden die Projektionsziele der Analysten erreicht. November begann zunächst gut mit weiteren Kurshochs, doch die Rallye hat mit einer ersten heftigen Korrektur einen Knacks bekommen. Weil der Markt ohne Zwischenkorrekturen gelaufen ist, ist viel Luft nach unten, ohne dass der mittelfristige Aufwärtstrend in Gefahr geraten muss. Fällt die Jahresendrallye damit womöglich aus, weil schon zu viel vorweggenommen wurde?
Bedenklich stimmt, dass alle Welt von einem intakten Bullenmarkt spricht, also weiter steigende Kurse erwartet werden. Es lässt stark vermuten, dass professionelle Anleger bereits in Aktien investiert sind. Einige namhafte Vermögensverwalter haben jüngst ihre Aktienquoten sogar weiter aufgestockt und setzen voll auf Aktien. Ein Kontraindikator!?
Angesichts des erreichten Kursniveaus fragen sich vor allem Privatanleger, ob überhaupt noch weiteres Potential an den Aktienmärkten besteht oder ob man nicht eher kurz vor dem nächsten Abgrund steht. Vor allem diejenigen, die nicht investiert sind, verweisen darauf, dass es eine Reihe von Risiken gibt, die die Börsen ausblenden. Hierzu zählen unter anderem politische Themen, wie die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens, der schwelende Nordkorea-Konflikt, die Eskapaden Trumps und die Frage, ob er seine angekündigte Steuerreform durchbekommt.
Aber auch die Beständigkeit des Aufschwungs wird von den Skeptikern mit vielen Argumenten in Frage gestellt. So sei dieser doch in erster Linie auf billigem Geld gebaut. Wenn aber die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank EZB in absehbarer Zeit den Geldhahn zudrehen und die Zinsen vielleicht sogar stärker als allgemein erwartet erhöhen, dürfte dies für die Aktienkurse alles andere als gut sein. Schließlich habe die Geldpolitik eine Blasenbildung begünstigt, aus der dann schlagartig die Luft entweichen und die Weltwirtschaft in die nächste Krise stürzen werde.
Fakt ist: Über all diese Argumente lässt sich trefflich diskutieren. Es braucht aber immer einen konkreten Auslöser, der eine Blase zum Platzen bringt, und häufig ist die Ursache dann eine realwirtschaftliche. Denn so lange die ökonomischen Rahmenbedingungen gut sind, so lange gibt es für die meisten Marktteilnehmer ausreichende Gründe, um eine hohe Bewertung zu rechtfertigen ("this time is different").
Im Vergleich zum Crash 1987 und zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 sind US-Aktien heute teurer. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für den S&P 500 auf Basis der Gewinnerwartungen für die nächsten zwölf Monate beträgt 18. Im Oktober 1987 lag es bei rund 15, wie auch im Sommer 2007. Da sich das Wachstumstempo der US-Wirtschaft aber eher beschleunigt, gibt es gute Gründe, auch weiterhin auf steigende Aktienkurse in den USA zu setzen. Der DAX ist dagegen nur mit einem KGV von knapp 14 und damit weiterhin vergleichsweise moderat bewertet. Von einer generellen Überbewertung von Aktien kann daher (noch) nicht gesprochen werden.
Der wichtigste Kurstreiber für Aktien sind jedoch die Unternehmensgewinne. Auf Basis der Gewinnerwartungen für das Jahr 2018 errechnet sich bei einem unveränderten KGV für den DAX ein Projektionsziel von 14.500 Punkten. Das sind weitere zehn Prozent Luft nach oben. Eine schöne Perspektive für nächstes Jahr. Für dieses Jahr sollte man nicht mehr viel erwarten, statt Jahresendrallye gibt’s dann vielleicht eine Jahresanfangsrallye - Börsianer sind ja flexibel.
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