Trotz Goldlöckchen-Szenario: Expertin erwartet weiterhin eine Rezession in den USA
Die US-Wirtschaft geht mit überraschend starkem Rückenwind ins Wahljahr 2024. Doch trotz eines "Goldlöckchen-Szenarios" im Schlussquartal 2023 glaubt Michelle Girard von NatWest Global Economics, dass die USA bis Mitte 2024 in eine Rezession abrutschen werden.
• Ökonomen rechnen mehrheitlich mit einer weichen Landung der US-Wirtschaft
• US-BIP wächst im vierten Quartal stärker als erwartet
• Michelle Girard von NatWest Global Economics geht jedoch von einer baldigen Rezession aus
Um eine historisch hohe Inflation zu bekämpfen, hat die US-Federal Reserve seit März 2022 ihren Leitzins von nahe null auf inzwischen eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent angehoben. Mit Erfolg: Nach nunmehr elf Zinserhöhungen in Folge ist die Inflation seit ihrem 40-Jahres-Hoch von 9,1 Prozent im Sommer 2022 inzwischen deutlich gesunken. Jedoch ist diese falkenhafte Geldpolitik für die Währungshüter auch ein Balanceakt, denn höhere Zinsen helfen zwar dabei, die Inflation zu dämpfen, können aber zugleich das Wirtschaftswachstum bremsen. Einige Marktteilnehmer befürchten sogar ein Abgleiten in eine Rezession. Bisher hat sich die US-Wirtschaft jedoch als widerstandsfähiger als erwartet erwiesen.
US-Wirtschaft stark in Q4
Auch jüngste Wachstumsdaten zeichneten ein sehr erfreuliches Bild der weltgrößten Volkswirtschaft. Wie das US-Handelsministerium in einer ersten Schätzung mitteilte, kletterte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Oktober bis Dezember aufs Jahr hochgerechnet um 3,3 Prozent, nach einem Zuwachs um 4,9 Prozent im Sommer. Das war deutlich besser als erwartet, denn von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem annualisierten Plus von 2,0 Prozent gerechnet. Die Verbraucher haben hierzu wesentlich beigetragen, denn die privaten Konsumausgaben - die mehr als zwei Drittel der Wirtschaftsleistung ausmachen - stiegen um 3,1 Prozent.
Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank zeigte sich zufrieden mit dieser Entwicklung, rechnet jedoch damit, dass die US-Wirtschaft demnächst "etwas weniger Schwung zeigen" wird. Doch selbst wenn die Wirtschaftsaktivität in einem der kommenden Quartale leicht schrumpfen sollte, wäre das seiner Meinung nach kein Beinbruch. Zu einer "sanften Landung" dürfte es allemal reichen, gab sich der Experte laut Reuters optimistisch.
Die Notenbank Fed strebt eine weiche Landung an - also eine inflationsdämpfende Abkühlung der Konjunktur ohne tiefgreifende Rezession. Laut Reuters sind US-Ökonomen überwiegend der Ansicht, dass ihr dies auch gelingen wird. Demnach veranschlagten rund 91 Prozent eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent oder weniger, dass die US-Wirtschaft binnen zwölf Monaten in eine Rezession abgleitet. Dieser Optimismus stützt sich auf die erwarteten Leitzinssenkungen, denn wie die US-Währungshüter bekundeten, sehen sie den Leitzins auf dem Gipfel oder nahe dran. Man sei bereit, die Zinsen zu senken, falls sich der Inflationsrückgang im Jahr 2024 fortsetze, hieß es. Für 2024 haben sie deshalb mindestens drei Zinssenkungen signalisiert.
Gegenwind erwartet
Doch es gibt auch warnende Stimmen, etwa von Michelle Girard. Die Leiterin der US-Wirtschaftsabteilung beim britischen Hypothekarkreditgeber NatWest Global Economics bezeichnete bei "Yahoo Finance Live" die derzeitige Konjunkturlage als "Goldlöckchen-Szenario" - also eine Wirtschaft die weiterhin robust ist, bei der aber kein Inflationsdruck besteht. Dennoch hält sie eine Rezession bis Mitte 2024 für wahrscheinlich.
Die Expertin hat insbesondere Zweifel an der "anhaltenden Stärke" der Verbraucher. So rechnet sie damit, dass Gegenwinde wie die Erschöpfung von Ersparnissen der Verbraucher, der Rückgang bei Neueinstellungen seitens der Unternehmen sowie ein sich abschwächender Arbeitsmarkt die Verbraucher "unter Druck setzen" werden, was schließlich zu einer Abschwächung der Gesamtwirtschaft führen wird - trotz der zuletzt guten BIP- und Inflationsdaten.
US-Präsidentenwahl im Fokus
In den USA steht die Wirtschaft in diesem Jahr noch stärker im Fokus als sie dies sonst ohnehin schon tut. Denn im November finden die US-Präsidentenwahlen statt und die wirtschaftliche Entwicklung in den USA dürfte auf ihren Ausgang einen großen Einfluss haben. Deshalb bemüht sich die Administration von Amtsinhaber Joe Biden bereits jetzt, Erfolge medienwirksam herauszustellen.
Redaktion finanzen.net
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