Angebliche Erpressungsstory entsetzt Wirecard-Ausschuss
Im Wirecard-Untersuchungsausschuss sind nach Darstellung von Mitgliedern weitere Ungereimtheiten um die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Journalisten und das von der Finanzaufsicht Bafin verhängte Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien aufgetaucht.
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"Die Unterlagen für die Befragung der Staatsanwaltschaft München zeigen, dass die Geschichte des Leerverkaufsverbots und der Ermittlungen gegen die Financial Times grundlegend neu geschrieben werden muss", erklärte der SPD-Obmann in dem Ausschuss, Jens Zimmermann.
Seit Anfang Februar 2019 führte die Staatsanwaltschaft München nach seinen Angaben Ermittlungen gegen unbekannt wegen Marktmanipulation im Kontext Wirecard. Anlass sei eine Strafanzeige des Unternehmens unter Bezugnahme auf die kritische FT-Berichterstattung gewesen. Am 15. Februar, einem Freitag, habe die Staatsanwaltschaft über eine Anwaltskanzlei als Vertretung für Wirecard von einem angeblichen Erpressungsversuch gegen das Unternehmen erfahren: Mitarbeiter einer Nachrichtenagentur hätten 6 Millionen Euro gefordert, ansonsten würden sie ebenfalls in die kritische Berichterstattung einsteigen und finanzielle Vorteile erhalten.
"Die Staatsanwaltschaft München hielt diese Geschichte offenbar für so plausibel, dass sie hierüber umgehend die Bafin informierte", erklärte Zimmermann. Die Bafin habe daraufhin über das Wochenende geprüft, ob eine Handelsaussetzung der Aktie in Betracht komme, und habe hierzu im Austausch mit der hessischen Börsenaufsicht gestanden. Letztlich habe das weitere Verfahren am Montag zu dem bekannten Leerverkaufsverbot geführt. "Dass hierfür eine wilde Erpressungsstory gegenüber einer der bedeutendsten Wirtschaftsstaatsanwaltschaften ausreicht, ist für mich unbegreiflich und zeigt auch Defizite bei den Strafverfolgungsbehörden", erklärte der SPD-Politiker.
Skala nach oben offen
Auch Grünen-Obmann Danyal Bayaz zeigte sich entsetzt. "Was dieser Skandal inzwischen Woche für Woche offenbart, lässt sich bald nicht mehr angemessen in Worte fassen", sagte er. "Wir sehen Betrug, Lügen und Heuchelei auf einer nach oben offenen Skala." Regierung und Behörden seien "willige Steigbügelhalter" gewesen. Aufsichts- und Strafbehörden hätten "schlampig und stümperhaft" agiert.
"Die Münchner Staatsanwaltschaft und die Finanzaufsicht Bafin haben sich offenbar gegenseitig in eine Wagenburgmentalität hineingetrieben", meinte Bayaz. Der damalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek habe ihnen dazu "nur ein paar abenteuerliche Geschichten über angeblich böse Journalisten und Hedgefonds auftischen" müssen. Es sei ein Desaster für das Vertrauen in den Finanzplatz, dass die Bafin auf Basis derart unseriöser Informationen über die Arbeit von Medien weitreichende Entscheidungen getroffen habe.
Im Skandal um Wirecard ist zunehmend die Rolle der Politik und der Finanzaufsicht ins Zentrum gerückt. Die Behörden stehen in der Kritik, die Unregelmäßigkeiten zu spät aufgedeckt zu haben. Dabei geht es auch um die politische Verantwortung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für die Bafin. Bei dem damaligen DAX-Unternehmen Wirecard waren im Juni 2020 Luftbuchungen von fast 2 Milliarden Euro öffentlich geworden, es befindet sich mittlerweile in einem Insolvenzverfahren. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun sitzt inzwischen in Haft, Marsalek ist flüchtig.
DJG/ank/jhe
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