EZB-Ratsmitglied Nagel spricht sich für weitere EZB-Zinsanhebungen aus
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss ihre Zinsen nach Aussage von EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel weiter erhöhen - falls sich die Inflation so wie in den jüngsten Projektionen des EZB-Stabs unterstellt entwickelt.
Ob das so kommt, ist wegen der Unruhe im europäischen Bankensystem nicht sicher. In einer Veranstaltung des OMFIF Economic and Monetary Policy Institute sagte Nagel laut veröffentlichtem Redetext außerdem, dass er einen beschleunigten Abbau der APP-Anleihebestände ab dem dritten Quartal befürworte. Besorgt äußerte sich der Bundesbankpräsident zur Lohnentwicklung in Deutschland.
"Es wird notwendig sein, die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau anzuheben, um die Inflation rechtzeitig wieder auf 2 Prozent zu senken", sagte Nagel. Die EZB sollte die Leitzinsen außerdem so lange wie nötig hoch halten, um dauerhafte Preisstabilität zu gewährleisten. Nagel verwies darauf, dass die EZB ihre unter den APP-Anleihekaufprogramm erworbenen Bestände bis Juni um monatlich 15 Milliarden Euro verkleinere und sagte: "Für das dritte Quartal würde ich eine Beschleunigung des Prozesses begrüßen. Die Normalisierung der Bilanz ist ein wichtiger Bestandteil der geldpolitischen Weichenstellung."
Nagel zufolge muss sich die EZB aufgrund struktureller Veränderungen und der demografischen Entwicklung auf einen weiterhin engen Arbeitsmarkt einstellen. Er warnte zudem vor der Entwicklung einer Lohn-Preis-Spirale. Derzeit litten die Arbeitnehmer in Deutschland noch unter hohen Reallohnverlusten, und von einer destabilisierenden Lohn-Preis-Spirale könne noch keine Rede sein, aber: "Die derzeit in Deutschland erzielten Lohnabschlüsse sind insgesamt nicht mit der mittelfristigen Preisstabilität im Euroraum vereinbar. Es gibt Anzeichen für Zweitrundeneffekte von inflationsbedingten höheren Lohnsteigerungen auf die Preise."
Nagel verwies auf die EZB-Prognose, der zufolge das Lohnwachstum im Euroraum in den nächsten Quartalen im Vergleich zu historischen Mustern sehr stark ausfallen werde, und zwar aufgrund robuster Arbeitsmärkte, Erhöhungen der nationalen Mindestlöhne sowie eines gewissen Aufholens zwischen den Löhnen und den hohen Inflationsraten.
Für Deutschland prognostizierte Nagel 2023 eine Inflation von "nahe 6 Prozent" und einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im ersten Quartal.
FRANKFURT (Dow Jones Newswires)
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