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SAP-Aktie im Sinkflug: SAP kappt Ziele wegen Corona - Cloudwachstum verhindert Margenanstieg

26.10.20 17:55 Uhr

SAP-Aktie im Sinkflug: SAP kappt Ziele wegen Corona - Cloudwachstum verhindert Margenanstieg | finanzen.net

Deutschlands wertvollster Börsenkonzern SAP hat überraschend seine Jahresziele gekappt und will auch von einer jüngst groß ausgerufenen Profitabilitätszusage über die kommenden Jahre nichts mehr wissen.

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Die Ad-hoc-Mitteilung kam bereits am Sonntagabend, als sich Deutschland gerade auf den "Tatort" einstimmte, und sie enthielt keine guten Nachrichten für die Aktionäre von Europas größtem Softwarehersteller SAP. Der Konzern senkte nicht nur zum wiederholten Mal seine Finanzziele für 2020 und kassierte ein noch im Vorjahr groß ausgerufenes Profitabilitätsversprechen. Im Kern räumte das Unternehmen auch mit dem festen Glauben vieler Menschen auf, wonach gewachsene Digitalkonzerne mit ihrem Geschäftsmodell wie gemacht dafür seien, von der Corona-Krise wirtschaftlich zu profitieren.

Dass es soweit kommen könnte, war von den wenigsten erwartet worden. Bei Investoren herrschte - auch mit Blick auf die starke Performance digitaler US-Großkonzerne wie Amazon, Facebook oder der Google-Mutter Alphabet in der Corona-Krise - bis zuletzt beste Laune, hier und da gar ein bisschen Euphorie. Schließlich verdiene SAP auch digital sein Geld, sei nicht etwa wie Autokonzerne abhängig von globalen Lieferketten und habe schon im zweiten Quartal wieder überraschend gute Zahlen präsentiert. Doch die Wünsche, der Aufschwung werde andauern oder sich sogar beschleunigen, blieben unerfüllt.

So kassierte SAP zum zweiten Mal binnen weniger Monate seine Finanzziele. Beim ersten Mal im April ging diese Nachricht in der Hochphase der Corona-Pandemie angesichts einer sowieso im Abschwung befindlichen Weltkonjunktur fast unter - doch nun zog SAP mit seiner Ankündigung große Aufmerksamkeit auf sich. Die Corona-Pandemie wirke sich mindestens bis Mitte 2021 negativ auf die Geschäfte aus, wodurch bisherige Umsatz- und Ergebnisziele nicht zu halten seien, hieß es.

Dieses Jahr rechnet SAP jetzt nur noch mit einem Gesamtumsatz von 27,2 bis 27,8 Milliarden Euro auf Basis konstanter Wechselkurse - also zu Wechselkursen aus dem vergangenen Jahr. Schlägt der starke Euro besonders hart bei der Umrechnung von ausländischen Erlösen zu Buche, sind den Angaben zufolge auch Werte darunter möglich. In der im April aktualisierten Finanzprognose waren noch 27,8 bis 28,5 Milliarden angepeilt worden, davor sogar 29 Milliarden Euro.

Im Vorjahr hatte der Konzern Erlöse von 27,6 Milliarden Euro gemeldet, das heißt: In diesem Jahr könnte letztlich ein Umsatzminus stehen. Auch der operative Gewinn werde nicht mehr so hoch ausfallen wie angepeilt und nur noch bei 8,1 bis 8,5 Milliarden Euro liegen.

Das hat auch etwas mit schlechteren Geschäften in der Pandemie zu tun. Laut einer Erhebung des einflussreichen Anwenderverbandes DSAG, in dem sich Tausende SAP-Kunden zusammengeschlossen haben, klagen fast drei Viertel aller befragten Firmen über zurückgehende Umsätze. Das habe auch Auswirkungen auf die IT-Budgets der SAP-Kunden, sagte DSAG-Chef Jens Hungershausen der Deutschen Presse-Agentur. "Es gibt einen großen Anteil, der sagt: Wir forcieren jetzt unsere IT-Projekte. Aber es gibt fast einen genauso großen Teil, der sagt: Wir bremsen unsere Projekte jetzt ein bisschen ein, verzögern sie. Das dürfte bis Mitte nächsten Jahres erst mal so bleiben."

Für zusätzlichen Verdruss bei Anlegern sorgte die Tatsache, dass der Konzern aus Walldorf kurzerhand eines der wichtigen Profitabilitätsziele einkassierte. Vor eineinhalb Jahren hatte Ex-Vorstandschef Bill McDermott versprochen, dass die operative Gewinnspanne - also das, was vom Umsatz als Gewinn vor dem Abzug von Steuern, Zinsen und Sondereffekten bleibt - bis 2023 um rund fünf Prozentpunkte über derjenigen von 2018 (29 Prozent) liegen sollte. McDermotts Nachfolger - die Co-Chefs Christian Klein und Jennifer Morgan - hatten dieses Ziel immer wieder bekräftigt und aufbauend darauf die Werbetrommel für ihr Unternehmen geschlagen.

Inzwischen führt Klein die Geschäfte alleine - und setzt nun öffentlichkeitswirksam neue Prioritäten. Bis 2023 werde es kaum Fortschritte bei der Profitabilität geben, kündigte er an. "Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge", sagte der Vorstandschef am Montag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Die Kunden fragten verstärkt Software aus der Cloud zur Nutzung über das Internet nach - ein Geschäftsmodell, das jetzt noch schneller ausgebaut werden soll. Das sorgt für neue Kosten, die die Gewinnspanne drücken. Finanzchef Luka Mucic ergänzte, das Management steuere das Unternehmen nicht nach der operativen Marge: "Wir wollen ein Wachstumsunternehmen bleiben."

Zwar wächst der Geschäftsbereich von Software zur Nutzung über das Internet stärker als der schon lange etablierte, in dem es um fest auf der Kunden-IT installierte Programme geht. Doch aktuell bringt der Cloudbereich noch immer nicht so viel ein wie das Geschäft mit einmaligen Lizenzgebühren und dem von SAP angebotenen Support für die Kunden-IT. Um im Zukunftsbereich Cloudsoftware weiter zu wachsen, will der Konzern jetzt mehr Geld in die technische Infrastruktur stecken. So seien voraussichtlich kommendes und übernächstes Jahr zusätzliche Ausgaben erforderlich. Mucic bezifferte die nötigen Investitionen auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag.

Ungeachtet dessen drückt erst mal weiter die Corona-Pandemie auf die Bilanz. Im dritten Quartal schrumpfte der Gesamtumsatz im Vorjahresvergleich um 4 Prozent auf 6,54 Milliarden Euro, wobei der starke Euro für das Minus sorgte. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag zwischen Juli und Ende September mit 2,07 Milliarden Euro um ein Prozent unter dem Vorjahreswert.

Dass SAP fürs dritte Quartal immerhin einen deutlichen Nettogewinnanstieg von 31 Prozent auf 1,65 Milliarden Euro ausweisen konnte, lag vor allem an Bewertungseffekten bei der Beteiligungstochter Sapphire Ventures, die vorwiegend Geld in Start-ups investiert. Die meisten Anleger interessierte dieses Detail am Montag kaum, einige wenige aber zeigten sich in Kauflaune: Die SAP-Vorstände Klein und Mucic stockten ihre Depots fleißig mit SAP-Aktien auf - und profitierten von günstigen Kursen.

Enttäuschung über Geschäftsziele sorgt für Kurseinbruch bei SAP-Aktie

Nach den reduzierten Jahreszielen und dem verdüsterten mittelfristigen Ausblick von SAP sind die Aktien des Softwarekonzerns am Montag unter die Räder gekommen. Sie sackten zur XETRA-Eröffnung um fast 21 Prozent ab auf 98,88 Euro und damit auf den tiefsten Stand seit April. Bis zum Handelsschluss bauten die SAP-Aktien das Minus auf 21,94 Prozent aus und kostete letztlich 97,50 Euro.

Dies ist zugleich der höchste Tagesverlust der Papiere seit dem Jahr 1999 und entspricht einem vernichteten Börsenwert von rund 27 Milliarden Euro und einem Rückgang von 271 DAX-Punkten. Damit sind SAP-Papiere fast allein für das gesamte DAX-Minus verantwortlich. Der deutsche Leitindex notiert aktuelle 297 Punkte oder 2,5 Prozent tiefer.

Börsianer rechnen nach der "bösen Überraschung" mit deutlich sinkenden Analystenschätzungen. Von den Experten hagelte es enttäuschte Kommentare und auch bereits erste Abstufungen sowie Kurszielsenkungen.

Die Corona-Pandemie setzt Europas größtem Softwarehersteller stärker zu als bisher gedacht. Weil die Nachfrage wegen neuer Beschränkungen zuletzt verhaltener ausfiel als erwartet, geht das Management um Vorstandschef Christian Klein nun von weniger Umsatz in diesem Jahr aus, auch der operative Gewinn dürfte nicht mehr so hoch ausfallen wie zuletzt geplant. Klein legte zudem faktisch die ambitionierten Mittelfristziele für die Profitabilität 2023 ad acta, weil er den Konzern noch schneller auf den Bereich Cloudsoftware ausrichten will.

Analysten reagierten entsprechend negativ: JPMorgan-Expertin Stacy Pollard strich ihre Empfehlung und nahm die Papiere zudem von der "Analyst Focus List" der Investmentbank. Die DZ Bank entfernte die SAP-Papiere aus ihren globalen Anlageideen. Experte Harald Schnitzer rechnet auch in den kommenden Wochen mit einer unterdurchschnittlichen Kursentwicklung. Händlern zufolge stuften die Analysten der Exane BNP die Aktie von "Outperform" auf "Neutral" ab. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux senkte das Kursziel von 128 auf 115 Euro.

Das Paradies sei verschoben worden, Anleger bräuchten nun Geduld, titelte UBS-Analyst Michael Briest und sprach von einem glanzlosen Zahlenwerk für das dritte Quartal, das von den zurückgesetzten mittelfristigen Zielen überschattet worden sei. Die durchschnittlichen Marktschätzungen für das operative Ergebnis (Ebit) im Jahr 2023 könnten nun um 20 Prozent fallen, glaubt er.

Analyst Mohammed Moawalla von der US-Investmentbank Goldman Sachs bemängelte die unerwartet niedrigen Erlöse mit Software-Lizenzen und mit Cloud-Angeboten. Auch Andrew DeGasperi von der Privatbank Berenberg zeigte sich vor allem vom gekürzten Cloud-Umsatzausblick für 2020 negativ überrascht, "so kurz vor dem Jahresende". Sein Kollege Andreas Wolf vom Analysehaus Warburg Research fürchtet nach den neuen Fakten für eine nur gedämpfte Umsatz- und Gewinnentwicklung in den kommenden zwei Jahren.

Auch den SAP-Aktien hatte der Corona-Crash im Februar und im März arg zugesetzt. Der Kurs des mit Abstand wertvollsten deutschen Börsenkonzerns war im Corona-Tief bis auf 82 Euro abgestürzt, davor waren die Papiere fast 130 Euro wert gewesen. Danach ging es jedoch recht zügig wieder aufwärts. In den Sommermonaten übersprang der Kurs im Sog der Tech-Rally an den US-Börsen sogar erstmals die 140 Euro, bröckelte zuletzt aber wieder etwas ab.

Trotz der massiven Einbußen am heutigen Montag ist SAP an der Börse immer noch rund 147 Milliarden Euro wert. Das ist viel mehr als die zweitplatzierten Linde mit rund 104 Milliarden Euro und Siemens mit rund 89 Milliarden Euro auf dem dritten Platz.

(dpa-AFX / Dow Jones)

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Bildquellen: Katherine Welles / Shutterstock.com

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