Umsatz schießt hoch

Varta-Aktie leidet unter Gewinnmitnahmen: Varta profitiert weiter vom Boom bei kabellosen Kopfhörern

14.08.20 17:54 Uhr

Varta-Aktie leidet unter Gewinnmitnahmen: Varta profitiert weiter vom Boom bei kabellosen Kopfhörern | finanzen.net

Der Batteriekonzern Varta hat auch in der Corona-Krise sein rasantes Wachstum fortgesetzt und die Jahresziele nach starken ersten sechs Monaten in die Höhe geschraubt.

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Nach wie vor profitiert das Unternehmen vom Boom bei kabellosen Kopfhörern, weil Varta Weltmarktführer für die wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batteriezellen in den Geräten ist. Vorstandschef Herbert Schein hat auch drohende Probleme zuletzt aus dem Weg räumen können und will die Produktion deutlicher ausbauen.

Anfang August legte Varta mit dem Großkunden Samsung einen Streit bei und einigte sich auf neue Lieferverträge, was auch der Aktie neuen Schub gab. Varta hatte den Koreanern wegen des Kaufs von Nachahmerprodukten Patentverletzungen vorgeworfen und verhandelt in dieser Hinsicht auch mit weiteren Abnehmern.

Dem eigentlichen Geschäft tat das alles im ersten Halbjahr offenbar keinen großen Abbruch. Es lief sogar so gut, dass der Konzern schon am Donnerstagabend die Jahresziele deutlich anhob. Der Umsatz soll um bis zu 129 Prozent auf 810 bis 830 Millionen Euro steigen. Zuvor war das Unternehmen von bis zu 800 Millionen Euro ausgegangen. Finanzchef Steffen Munz sprach von einem "weiterhin hohen Auftragsbestand" trotz des Gegenwindes im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld.

Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) sieht der Vorstand jetzt bei 210 bis 215 Millionen Euro, was einem Plus von bis zu 121 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspräche. Bisher standen bis zu 185 Millionen im Plan.

"Es gibt weiter eine hohe Nachfrage", sagte Vorstandschef Schein laut Mitteilung am Freitag. Untermauert wurden die Aussagen mit den Halbjahreszahlen. Der Umsatz stieg auch dank eines Zukaufs um knapp 158 Prozent auf 390,7 Millionen Euro. Auch ohne die Übernahme der Geschäfte mit Varta-Konsumentenbatterien wäre der Erlös um zwei Drittel geklettert.

Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen verdreifachte sich nahezu auf 102,1 Millionen Euro. Unter dem Strich stand ein Nettogewinn von 39,9 Millionen Euro und damit doppelt so viel wie vor einem Jahr.

"Mit dem Ausbau der Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen Zellen auf 300 Millionen Batterien bis Ende 2021 setzen wir unseren Wachstumskurs fort", sagte Schein, der dafür auch das Investitionsbudget für dieses Jahr auf 320 bis 360 Millionen Euro hochschraubt. Bisher war eine Kapazität von 200 Millionen Zellen pro Jahr angestrebt.

Insgesamt nimmt Varta für diesen Ausbau der Fertigung vorwiegend in Nördlingen rund 175 Millionen Euro in die Hand. Ein Neubau soll dort die bestehende Produktion erweitern und mit produktiveren Produktionsanlagen ausgestattet werden.

Varta beziffert den eigenen Marktanteil bei den Zellen, die vorwiegend in höherwertigen und teureren kabellosen Kopfhörern verwendet werden, auf über 50 Prozent. Zudem wachse der Markt dafür jährlich um 30 bis 40 Prozent.

In der Sparte mit Kleinbatterien zog der Umsatz im ersten Halbjahr um rund 70 Prozent an. Dabei wirtschaftete Varta deutlich profitabler, die Marge des operativen Ergebnisses stieg um 9,1 Prozentpunkte auf 34,4 Prozent. Das größte Umsatzplus machten weiter die Lithium-Ionen-Zellen für die Kopfhörer aus. Die Nachfrage in diesem Bereich sei trotz des weltweiten Nachfrageschocks weiter hoch. Bei Hörgerätebatterien habe Varta seine Position ausgebaut, hieß es, auch dank dem im letzten Geschäftsjahr angelaufenen Neugeschäft mit einer US-Handelskette.

Anfang des Jahres hatte Varta das Geschäft für Haushaltsbatterien für Endverbraucher mit dem bekannten Markennamen "Varta" von der US-Holding Energizer erworben und vereint damit alle "Varta"-Produkte wieder unter dem eigenen Dach. Inklusive Schulden war der Deal 180 Millionen Euro schwer. Das Geschäft habe sich stärker entwickelt als erwartet, hieß es nun vom Konzern. Auch die Energiespeichersysteme wuchsen nach Angaben des Unternehmen schneller als der Markt.

Schein hatte zuletzt auch öffentliche Fördergelder eingeworben. 300 Millionen Euro bekommt Varta von Bund und Ländern für die Erforschung und Entwicklung sowie die erste industrielle Anwendung der nächsten Generation von Lithium-Ionen-Zellen, die dann auch in größeren Formaten genutzt werden können sollen, zum Beispiel in Robotern, Energiespeichern, aber auch in der Mobilität.

Auf hohe Vortagesgewinne von mehr als sieben Prozent folgen bei der Aktie von Varta an diesem Freitag hohe Verluste. Der Batteriehersteller hatte am Vorabend zwar nach Börsenschluss seine Prognose erhöht. Das Papier hatte aber bereits vor dem Ende des Xetra-Handels ein Rekorhoch erreicht, und so nahmen Anleger nun Gewinne mit und schickten die Aktie auf Talfahrt. Im schwachen Gesamtmarkt verloren sie als MDAX-Schlusslicht zum Handelsende 10,04 Prozent auf 115,60 Euro. Allerdings kam dies schon wieder fast einer Erholung gleich, denn in der ersten Handelsstunde waren sie bis auf 110,40 abgerutscht.

Mit 129,10 Euro hatte die Aktie am Donnerstag ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Dezember 2019 übersprungen. Varta war damit an der Börse über fünf Milliarden Euro wert. In der Aktie seien viele Leerverkäufer engagiert, die auf fallende Kurse gesetzt hätten und diese Aktienpositionen jüngst durch Käufe wieder hätten eindecken müssen, erläuterte ein Händler.

Marktbeobachter sagten, mit der Prognoseanhebung sei gerechnet worden. Mit dem Margenziel liege Varta nun aber über der Markterwartung. Im zweiten Quartal habe Varta beim Umsatz etwas schwächer, beim Ergebnis etwas besser als gedacht abgeschnitten, hieß es weiter. Ein Händler gab zu bedenken, dass auch die Investitionen mit der neuen Prognose angehoben worden seien.

Varta war im vergangenen Jahr mit einem Zuwachs von rund 388 Prozent der Überflieger am deutschen Aktienmarkt. Eine stark steigende Nachfrage nach Lithium-Ionen-Zellen hatte den Kurs nach oben katapultiert. Anfang dieses Jahres war dann der Höhenflug abrupt zu Ende. Befürchtungen um eine sich verschärfende Konkurrenz durch Nachahmerprodukte aus China galten mit als Hauptgrund dafür.

Dann kam die Corona-Krise und die Kurs-Talfahrt setzte sich bis auf fast 50 Euro fort. Nachdem sich der Kurs anschließend wieder berappeln konnte, gaben Anfang August die Einigung in einem Patentstreit mit dem Großkunden Samsung und neue Lieferverträge mit den Südkoreanern der Aktie zusätzlichen Rückenwind.

Dank der Aufträge von Samsung ließen sich das weitere Wachstum und die durchschnittlichen Verkaufspreise nun besser vorhersehen, schrieb Analyst Christian Sandherr von Hauck & Aufhäuser in einer aktuellen Studie. Mit den Lieferungen an die Koreaner stärke Varta die Position als Hauptzulieferer von wiederaufladbaren Batterien für deren Kopfhörer. Sandherr schraubte seine Umsatz- und Ergebnisprognosen für die Jahre 2020 bis 2022 deutlich nach oben.

Sein neues Kursziel setzte der Experte bei 125 Euro fest, womit er es von zuvor 55 Euro mehr als verdoppelte. Die bisherige Verkaufsempfehlung für das Papier strich der Experte. Weil die Bewertung aber die nachhaltig hohen Wachstumsraten bereits berücksichtige, sei weiteres Aufwärtspotenzial ungeachtet seiner erhöhten Schätzungen nicht auszumachen, begründete er das aktuelle "Hold"-Votum.

ELLWANGEN (dpa-AFX)

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Bildquellen: Mirco Vacca / Shutterstock.com

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