Das nächste VW-Personalkarussell: Renschler raus, Gründler rein - TRATON-Aktie unter Druck
Im VW-Konzern bringt ein großangelegter Personalwechsel neue Topmanager an die Spitze der Nutzfahrzeugsparte.
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Die auf den ersten Blick prominentesten Verlierer: Andreas Renschler, Chef des börsennotierten Lkw- und Busgeschäfts von TRATON, sowie Joachim Drees, Vorstandsvorsitzender der Münchner Tochter MAN. Beide sollen in der kommenden Woche abtreten. Wie Volkswagen und mehrere Marken der Gruppe am Dienstagabend ankündigten, sind mit den Entscheidungen weitere Ämtertausche und -erweiterungen verbunden.
So wird Matthias Gründler neuer Vorstandschef von TRATON - er war bis zum Mai 2018 schon einmal im Unternehmen, zuletzt als Finanzchef. Und MAN wird künftig vom bisherigen VW-Kernmarken-Produktionsvorstand Andreas Tostmann geführt, der damit auch im TRATON-Vorstand sitzt.
MAN-Personalchef Carsten Intra soll zudem die leichten VW-Nutzfahrzeuge (VWN) in Hannover leiten. Konzernpersonalvorstand Gunnar Kilian übernimmt anstelle von Renschler zusätzlich die Zuständigkeit für TRATON im Wolfsburger Vorstand der Gesamtgruppe - hier hatte der bisherige TRATON-Chef ebenfalls eine eigene Position.
Von langer Hand geplante und an zahlreichen Strippen gezogene Personalrochaden sind im größten Autokonzern der Welt nichts Ungewöhnliches. So hatte es etwa auch bei der Neuausrichtung der Pkw-Marken etliche Veränderungen gegeben. Dass speziell Renschlers Abgang nun innerhalb einer Woche nach der offiziellen Verkündung über die Bühne gehen soll, gilt aber als relativ überraschend.
Bereits zum 15. Juli soll der frühere Daimler-Manager seinen Platz räumen. VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch spricht zum Abschied zwar in den höchsten Tönen von Renschler. Dieser habe, speziell mit Blick auf den Börsengang, "maßgeblichen Anteil am erfolgreichen Kurs, den TRATON eingeschlagen hat". Er gehe - wie Drees vom MAN-Vorsitz - "im besten gegenseitigen Einvernehmen", betont der Konzern.
Hinter solchen Formulierungen kann sich freilich auch der Nachhall harter Auseinandersetzungen und Revierkämpfe verbergen. Es hatte schon Berichte über Reibereien an der TRATON-Spitze gegeben. Demnach soll Renschler eine zentralere Aufstellung der Entwicklung angestrebt haben - auf Kosten der einzelnen Marken. Auch im Verhältnis zwischen Management und Mitarbeitervertretung gab es Misstöne: Anfang April dementierte der TRATON-Betriebsrat Aussagen Renschlers über Gespräche zu einer "fundamentalen Neuausrichtung" des Lkw-Bauers. So soll es zuletzt relativ einsam um den TRATON-Lenker geworden sein.
Wie in ähnlichen Fällen fällt jedenfalls die finanzielle Anerkennung für die Arbeit des scheidenden Managers üppig aus. Weil mit Renschler bei Vertragsbeginn die Möglichkeit vereinbart wurde, schon nach Ablauf des 62. Lebensjahres ein etwaiges Ruhegehalt zu beziehen, hat er nun in "beratender" Funktion bis zum offiziellen Rentenbeginn Anspruch auf Bezahlung. Die genaue Summe steht noch nicht fest - sie setzt sich zu einem Gutteil aus variablen Gehaltsgrößen zusammen und dürfte in die Millionen gehen. Der VW-Geschäftsbericht 2019 nannte für Renschler zuletzt eine Vergütung von mehr als 4,5 Millionen Euro
- der Versorgungsaufwand wurde mit rund 5 Millionen Euro angegeben.
TRATON umfasst in der VW-Gruppe die schweren Nutzfahrzeuge. Dazu gehören die Marke MAN, das gesonderte MAN-Geschäft in Südamerika und der schwedische Hersteller Scania (Scania AB (B)). Mit Gründler komme nun "einer der erfahrensten Kenner der Branche", erklärte Pötsch. Nach dessen zwischenzeitlichem Ausscheiden vor rund zwei Jahren war für viele Beobachter indes unklar, warum Gründler gegangen war - oder ob Probleme im Führungszirkel hineinspielten.
Die Ablösung von Drees durch Tostmann an der MAN-Spitze ist ebenfalls eine gewichtige Personalie. An Tostmann hatte es teils Kritik unter Belegschaftsvertretern in Wolfsburg gegeben. Die Anforderungen an Schichtpläne während der Corona-Auszeit und besonders die Probleme beim Golf 8 gingen am ganzen Management nicht spurlos vorbei. VW-Chef Herbert Diess konzentriert sich - nach heftigem Knatsch mit Aufsichts- und Betriebsräten - fortan auf die Gesamtführung, bei der Hauptmarke VW Pkw übernimmt Co-Geschäftsführer Ralf Brandstätter die Zügel.
Bei VWN, wo der Transporter, Crafter oder Caddy entstehen, beerbt MAN-Personal- und -IT-Chef Carsten Intra Markenchef Thomas Sedran. Dieser baute dort die Zusammenarbeit mit dem US-Konkurrenten Ford (Ford Motor) auf
- die Partner planen unter anderem E-Fahrzeuge und einen Nachfolger
für den Pick-up Amarok. Scania-Chef Henrik Henriksson bleibt im Amt.
Das Nutzfahrzeuggeschäft steht derzeit unter schwierigen Vorzeichen. 2019 hatten die Lkw-Töchter von VW zwar noch ihr Geschäft ausbauen können, sowohl MAN als auch Scania steigerten Umsatz und Rendite. Doch die Corona-Krise drückt nun auch hier massiv auf die Verkäufe. Es gab zudem Produktionsunterbrechungen, und der konjunkturelle Einbruch trifft die Nutzfahrzeughersteller traditionell hart.
In den USA, wo bisher Daimler die Nase vorn hat, will sich TRATON mit dem Truckhersteller Navistar verstärken. Dieser schrieb im zweiten Geschäftsquartal jedoch rote Zahlen. Renschler hatte für die restlichen Navistar-Anteile 2,9 Milliarden Dollar gezahlt - 2016 war die VW-Konzernsparte eingestiegen, um in Nordamerika einen Fuß in die Tür zu bekommen. In Japan arbeitet TRATON mit Hino Motors zusammen.
So reagiert die TRATON-Aktie
Ein Vorstandsumbau in der Nutzfahrzeugsparte von Volkswagen hat die Aktien von TRATON am Mittwoch unter Verkaufsdruck gesetzt. Zum XETRA-Handelsschluss notierten die Papiere der Lkw- und Bus-Tochter des Autokonzerns 2,65 Prozent tiefer bei 17,10 Euro. Die VW-Vorzugsaktien verloren indes 1,88 Prozent und kosteten 135,42 Euro.
TRATON-Chef Andreas Renschler sowie Joachim Drees, Vorstandschef der Tochter MAN, sollen zum 15. Juli abtreten. Renschlers Nachfolger wird Matthias Gründler, der bis Mai 2018 bereits Finanzvorstand bei TRATON war. MAN wird künftig vom bisherigen VW-Kernmarken-Produktionsvorstand Andreas Tostmann geführt, der damit auch im TRATON-Vorstand sitzt.
NordLB-Analyst Frank Schwope sprach von einem "Paukenschlag". Die Ablösung Renschlers habe überrascht, da TRATON auf seine Initiative hin eilig an die Börse gebracht worden sei - noch vor der Hebung wesentlicher Synergien zwischen den Konzernmarken MAN und Scania. Dem neuen Chef komme nun mitten in der weltweiten Wirtschaftskrise die Aufgabe zu, Scania und MAN enger zu verzahnen. Durch gemeinsame Entwicklungen und Einkäufe sollten sich dadurch langfristig Synergien in Milliardenhöhe heben lassen, glaubt Schwope.
Aus Sicht des Mainfirst-Analysten Alexander Wahl ist dies ein "Schlag für die Anlagestory" von TRATON. Renschler sei die treibende Kraft hinter einer engeren Kooperation der Marken MAN und Scania gewesen. Das Hauptargument für die TRATON-Aktie sei aktuell die Schöpfung von Synergien zwischen den beiden.
Analyst Jose Asumendi von der US-Bank JPMorgan nannte Renschlers Nachfolger Matthias Gründler einen "exzellenten Manager", um TRATON zu führen. Er dürfte die Internationalisierungsstrategie des Unternehmens fortsetzen, die auf dem Zukauf von Navistar in Nordamerika und der Umstrukturierung der europäischen LKW- und Bus-Aktivitäten von MAN aufbaue.
Die TRATON-Aktien verzeichneten vor gut einem Jahr ihr Börsendebüt mit einem Startkurs von 27 Euro. Im Zuge des Corona-Crash sackten sie Mitte März bis auf 11 Euro ab, bevor sie sich im Juni auf ein Zwischenhoch bei knapp 19,75 Euro erholten. Seither stehen sie eher ein wenig unter Druck, wobei sich der Bereich um die 17 Euro mehrfach als Unterstützungszone erwies.
/jap/DP/stk
MÜNCHEN/WOLFSBURG (dpa-AFX)
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