Treibgas für die Bayern

Linde: Der neue Chef hat viel versprochen

12.04.15 16:00 Uhr

Linde: Der neue Chef hat viel versprochen | finanzen.net

Nach einer Wachstumsdelle will der weltgrößte Gasekonzern 2015 richtig aufdrehen. Die Aktie hat bereits Fahrt aufgenommen - jetzt muss Chef Büchele liefern.

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von Florian Westermann, €uro am Sonntag

Wolfgang Büchele gibt Gas. In Frankfurt traf der Linde-Chef im Rahmen einer Road­show gerade Investoren. In der kommenden Woche reist der Schwabe in die USA, erst nach New York, dann nach Boston, um für das Unternehmen zu werben. Büchele trommelt, was das Zeug hält - die Erwartungen an den Manager, der Wolfgang Reitzle im vergangenen Frühjahr an der Konzernspitze ablöste, sind schließlich hoch: Ende April stehen die Zahlen für das erste Quartal an. Analysten rechnen mit einem Anstieg des Umsatzes um acht Prozent. Beim Nettogewinn werden gar zehn Prozent Zuwachs erwartet.

Will Büchele die internationalen Investoren nicht enttäuschen, so muss er die Erfolgsgeschichte seines Vorgängers Wolfgang Reitzle weiterschreiben. In elf Jahren hatte Reitzle aus dem ehemals als langweilig geltenden Mischkonzern den weltgrößten Industriegasehersteller mit angeschlossenem Großanlagenbau geformt. Die Sparten Kältetechnik und Gabelstapler stieß Reitzle ab, dafür holte er den US-Medizindienstleister Lincare ins Boot. Unter seiner Regie verdoppelte sich der Umsatz der Münchner, das Konzernergebnis versechsfachte sich sogar. Der Aktienkurs entwickelte sich entsprechend stark.

Verflixtes erstes Jahr

Bislang kann sich Bücheles Bilanz sehen lassen: Nach fast einem Jahr an der Spitze liegt die Aktie rund ein Viertel im Plus. Erst kürzlich markierte das Papier ein neues Allzeithoch. Zuletzt zog der Linde-Chef die Anteilseigner mit der Anhebung der Dividende um 15 Cent auf 3,15 Euro je Aktie auf seine Seite. Die Aufstockung sei ein Signal für die erwartete Ergebnisverbesserung, erklärte der Chef dem Kapitalmarkt.

Der Stimmungswandel kam noch zur rechten Zeit. Denn im Herbst war das Verhältnis zu den Aktionären angespannt. Büchele verabschiedete sich von Reitzles ursprünglichem Ziel, 2016 einen operativen Gewinn von mindestens fünf Milliarden Euro einzufahren. Die Anleger schickten die Aktie nach dieser Gewinnwarnung auf Talfahrt.

Der Neue musste Profil zeigen. "Wir haben viel vor in Zeiten, die nicht einfach sind. Und die vermutlich auch nicht einfacher werden", erklärte der promovierte Chemiker Mitte März auf seiner ersten Bilanzpressekonferenz als Vorstandschef. Zwar solle der weltweite Gasemarkt dieses Jahr etwas stärker wachsen als im Vorjahr. Doch in den ver­gangenen vier Jahren seien die Pro­gnosen regelmäßig im Verlauf des Geschäftsjahrs gesenkt worden, warnt Büchele.

Der Gasemarkt ist existenziell für Linde. Die ertragsstarke Sparte steuert über 80 Prozent des Umsatzes bei. Kunden kommen aus der Stahl-, Öl- und Chemiebranche, ebenso aus der erzeugenden Industrie, dem ­Lebensmittel- und Getränkesektor oder der Gesundheitsbranche.

Hohe Erwartungen

Es wäre gut für Büchele, wenn sich der positive Ausblick bestätigte. Denn der Chef hat Investoren versprochen, den Umsatz auf bis zu 19 Milliarden Euro zu steigern - ein Plus von rund elf Prozent. Zum Vergleich: 2014 legten die Erlöse nur um zwei Prozent auf 17 Milliarden zu.

Auch beim operativen Gewinn sind die Vorgaben hart: Zehn Prozent Zuwachs auf 4,3 Milliarden Euro sollen es werden, zwei Jahre später soll der Profit bereits zwischen 4,5 und 4,7 Milliarden liegen. Die Marke liegt klar unter den einst von Reitzle aufgerufenen fünf Milliarden Euro. Dafür werden die neuen Ziele als weitaus realistischer eingeschätzt und sind damit leichter zu übertreffen. Sie bieten also Überraschungspotenzial.

Büchele aber muss erst einmal das Gewinnwachstum beschleunigen. Denn 2014 lief es bescheiden, der Nettogewinn sank wegen Abschreibungen, Kosten für den Konzernumbau und ungünstiger Wechselkurse um 19 Prozent. Rein operativ blieb es allerdings bei einem nur leichten Rückgang auf 3,9 Milliarden Euro.

Es war eine Ausnahme - denn das Geschäft der Münchner gilt als äußerst robust. Zum Höhepunkt der Finanzkrise 2009 verlor Linde nur gut ein Zehntel seines Umsatzes - der operative Gewinnrückgang lag im einstelligen Prozentbereich. Ein Grund: Sogenannte Take-or-Pay-Verträge mit Großkunden lassen bei Linde auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Kassen klingeln. Im Rahmen dieser Preisgarantien sind die Kunden zur Zahlung eines festen Betrags verpflichtet - unabhängig davon, ob die Produkte ­abgenommen werden oder nicht. Zudem ist die Konkurrenz überschaubar: Mit Air Liquide, Air Products und Praxair sind nur drei weitere große Akteure im Gasemarkt, das stützt die Gewinnmargen.

Viel Zeit bleibt dem 55-Jährigen möglicherweise nicht, um aus den Fußstapfen seines Vorgängers he­rauszutreten. Nach einer zweijäh­rigen Pause könnte Reitzle, so sein Plan, im nächsten Frühjahr als Vorsitzender in den Linde-Aufsichtsrat einziehen. Allerdings gibt es Spekulationen, dass ihm die Zeit dafür fehlen könnte. Der frühere Linde-Boss ist bereits Aufsichtsrat oder gar Chefaufseher bei Continental, Axel Springer und dem Schweizer Zementriesen Holcim.

Sparen und straffen

Um seine Ziele zu schaffen, setzt Büchele auf Einsparungen und straffere Abläufe. In Brasilien und Aus­tralien, wo es zuletzt nicht so gut lief wie erhofft, reduzierte der Schwabe das Personal. Südafrika und einzelne Märkte in Europa stehen ebenfalls im Fokus. Aus weniger profitablen Märkten will sich der Linde-Chef sogar ganz verabschieden. Gespräche über mögliche Tauschgeschäfte mit Wettbewerbern laufen bereits.

Ein Verkauf des Großanlagenbaus - die Bayern bauen beispielsweise Erdgas- und Luftzerlegungsanlagen - scheint indes ausgeschlossen. Die Engineering Division genannte Sparte steuert zwar nur knapp ein Fünftel zum Umsatz bei und ist mit einer operativen Gewinnmarge von rund zehn Prozent weniger profitabel als die Gasesparte, die es auf eine Marge von 27 Prozent bringt. Das stark von Großprojekten abhängige Geschäft gilt aber als strategisch wichtig. Denn Linde tritt nicht nur als Gaselieferant auf, sondern liefert auch schlüsselfertige Anlagen.

Einen Wachstumsschub durch größere Zukäufe wird es wohl in nächster Zukunft nicht geben. Der Konzern betont immer wieder, organisch zulegen zu wollen. Eine größere Übernahme oder gar eine Fusion mit einem der drei Hauptkonkurrenten Air Liquide, Air Products und Praxair würde wohl ohnehin von den Kartellbehörden verhindert werden.

China und die Medizin

Als wichtigen Wachstumsmarkt hat schon Bücheles Vorgänger Reitzle den Bereich Medizingase auserkoren. Im Sommer 2012 legte er 4,6 Milliarden Dollar für den US- Medizingasehersteller Lincare auf den Tisch. Mit der wachsenden Bevölkerung und der zunehmenden Vergreisung vieler westlicher Gesellschaften steigt die Zahl von chronisch kranken Patienten, die Versorgung benötigen. Allerdings bereitet der Bereich Büchele auch Kopfschmerzen. Im vergangenen Jahr hatten staatliche Ausschreibungen in den USA zu einem Preisverfall im Gesundheitsmarkt geführt. Büchele reagierte: Zum 1. März übernahm Kristen Hoefer, eine ausgewiesene Healthcare-Expertin, die Leitung der wichtigen US-Tochter. Großes Potenzial sieht Büchele auch in China. Im Schnitt verbraucht jeder Einwohner Deutschlands Industriegase im Wert von 50 bis 60 Euro pro Jahr. In China, mit 1,3 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Welt, liegt der jährliche Verbrauch bei fünf bis sechs Euro pro Kopf.

Zwar stehen im Supermarkt keine Gasbehälter mit dem Linde-Logo - und doch kommen auch Verbraucher ständig mit Industriegasen in Kontakt. Ein Beispiel: Der Kronkorken einer Bierflasche besteht aus Weißblech, einem dünnen Stahlblech. Bei der Stahlproduktion kommen etwa die Gase Argon und Stickstoff zum Einsatz. Gase beschleunigen aber auch den Schmelzprozess in der Glasproduktion, werden bei der Papierproduktion verwendet - und Kohlendioxid bringt den Gerstensaft erst zum Sprudeln.

Euro gibt Rückenwind

Die zunehmende Industrialisierung, die Verstädterung und der steigende Wohlstand in China führen dazu, dass der Verbrauch von Industriegasen in dem Land in den nächsten Jahren weiter steigen dürfte. Mit hohen Investitionen will Büchele Lindes führende Marktposition in China, aber auch in anderen schnell wachsenden Ländern weiter stärken. Dazu nimmt Büchele große Summen in die Hand. Mit 1,2 Milliarden Euro tätigte der Konzern 2014 einen Großteil seiner Investitionen in den Wachstumsmärkten.

Rückenwind erhält Büchele auch vom schwachen Euro. Der Konzern erzielt rund 70 Prozent seiner Erlöse außerhalb des Euroraums. Sinkt der Wert der europäischen Gemeinschaftswährung gegenüber anderen Währungen, wirkt sich das unmittelbar positiv auf die Bilanz aus. Finanzvorstand Georg Denoke rechnet für 2015 mit einem positiven Einfluss auf das operative Ergebnis von 100 Millionen Euro - vorausgesetzt, der Euro bleibt auf dem aktuell niedrigen Niveau.
Büchele hat also die besten Vo­raussetzungen, die hohe Messlatte im ersten Jahr an der Spitze zu überspringen.

Investor-Info

Zahlen
Zug nach oben
Der Umsatz steigt seit Jahren. Nach einem Rückschlag im Jahr 2014 soll jetzt auch wieder der Nettogewinn von 1,2 auf 1,5 Milliarden Euro steigen.

Dividende
Zuverlässiger Zahler
2015 spendiert Linde eine Dividende von 3,15 Euro pro Aktie. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Ausschüttung damit mehr als verdoppelt.

Konzernsparten
Gut diversifiziert
Linde setzte 2014 mit Flaschengasen 3,9 Milliarden Euro um. Medizingase, Flüssiggase, das Anlagen­geschäft und das On-Site-Geschäft, also die Vor-Ort-Versorgung von Großkunden, trugen jeweils mehr als drei Milliarden zum Umsatz bei.

Linde
Mit Auftrieb
Die starke Stellung im weltweiten Gasemarkt und das etablierte Geschäftsmodell überzeugen. Rund zwei Prozent Dividendenrendite sind nicht über­ragend, aber solide. Die Aktie ist allerdings hoch bewertet. Nach dem jüngsten Kursanstieg sind kurzfristige Korrekturen nicht auszuschließen. Aktionäre nutzen Kursschwächen zur Aufstockung, langfristig orientierte Einsteiger bauen erste Positionen auf.

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Bildquellen: Linde, The Linde Group

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