Streitpunkte bleiben

Haushalt, Klima, Corona: EU-Gipfel sucht Erfolg nach turbulentem Jahr

10.12.20 08:12 Uhr

Haushalt, Klima, Corona: EU-Gipfel sucht Erfolg nach turbulentem Jahr | finanzen.net

Nach heftigem Streit mit Ungarn und Polen soll der EU-Gipfel am Donnerstag dem europäischen Haushaltspaket und den Corona-Hilfen endgültig den Weg ebnen.

Grundlage ist ein von Deutschland mit beiden Ländern ausgehandelter Kompromiss zur neuen Rechtsstaats-Klausel, den die übrigen EU-Staaten nun prüfen.

Zudem wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen ein neues EU-Klimaziel für 2030 festlegen und über mögliche Türkei-Sanktionen beraten. Auch der Kampf gegen die Corona-Pandemie wird Thema. Überschattet wird das Treffen vom Brexit-Streit.

Damit stehen die Staats- und Regierungschefs vor zentralen Entscheidungen für die nächsten Jahre. Für Merkel ist es eine Chance, vor Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in drei Wochen wichtige Projekte abzuschließen. "Dieser Gipfel entscheidet über die Bilanz dieser Ratspräsidentschaft und das politische Erbe von Kanzlerin Merkel", sagte Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner der Deutschen Presse-Agentur. Merkel dürfe keine faulen Kompromisse zulassen.

HAUSHALT: Ungarn und Polen hatten das 1,8 Billionen Euro schwere Haushaltspaket einschließlich 750 Milliarden Euro Corona-Hilfen blockiert, weil sie einen neuen Rechtsstaats-Mechanismus ablehnten. Deutschland suchte im EU-Vorsitz einen Kompromiss. Demnach soll eine Zusatzerklärung festhalten, welche Möglichkeiten Ungarn und Polen haben, sich gegen die Anwendung des Verfahrens zur Ahndung von Rechtsstaatsverstößen zu wehren. Der Vorschlag sei von den übrigen 24 Ländern positiv aufgenommen worden, sagte ein EU-Vertreter. Die Entscheidung liegt jedoch bei den Staats- und Regierungschefs.

Die FDP-Europapolitikerin Nicola Beer mahnte die EU-Staaten mit Blick auf den Haushaltsstreit, das Prinzip der Einstimmigkeit zu überdenken. Dieser Systemfehler zwinge die EU in die Knie und verleite auf Gipfeln immer wieder zu politischen Kuhhandeln, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments.

KLIMA: Die EU will sich nach den Vorgaben des Pariser Abkommens ein neues, ehrgeizigeres Klimaziel geben: Statt wie bisher vorgesehen um 40 Prozent sollen die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 gedrückt werden. Vor dem Gipfel unterstützten aber nicht alle 27 EU-Staaten das Ziel. Kohle-Länder wie Polen pochen auf finanzielle Hilfen. Deshalb stehe die Entscheidung über das Klimaziel in engem Zusammenhang mit einer Lösung im Haushaltsstreit, sagten Diplomaten.

TÜRKEI: Wie reagiert die EU auf die anhaltenden Provokationen der Regierung in Ankara? Auf diese Frage wollen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend eine Antwort geben. Länder wie Frankreich, Griechenland und Zypern dringen auf einen möglichst harten Kurs mit schmerzhaften EU-Sanktionen bis hin zu einer Aussetzung der Zollunion. Unter anderem Deutschland ist aber überzeugt, dass die Türkei zum Beispiel als Partner im Kampf gegen illegale Migration gebraucht wird und nicht verprellt werden sollte.

Am Ende könnte der Kompromiss stehen, wegen der anhaltenden türkischen Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer weitere Personen und Unternehmen auf die Sanktionsliste zu setzen - verbunden mit dem Signal, dass weitere Provokationen zu weiteren Strafmaßnahmen führen könnten. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber forderte in der "Bild"-Zeitung (Donnerstag) eine schärfere Gangart. "Die deutsche und französische Regierung sollten nicht länger die Möglichkeit ausschließen, bereits vereinbarte Waffenlieferungen auf Eis zu legen."

CORONA: Die EU-Staaten mühen sich weiter, im Kampf gegen die Pandemie an einem Strang zu ziehen. In der Gipfelerklärung wollen sie geloben, sich bei der Lockerung von Einschränkungen auf dem Weg zu normalem Reiseverkehr abzustimmen. Von der EU-Kommission erwartet man Empfehlungen zu Verwendung und gegenseitiger Anerkennung von Antigen-Schnelltests. Auch ein Impfpass soll gemeinsam entwickelt werden.

KAMPF GEGEN TERROR: Nach den Terroranschlägen in Wien, Nizza oder Dresden setzen die EU-Staaten dem Entwurf zufolge auf das umstrittene Instrument der Vorratsdatenspeicherung - also die Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten. Man müsse beim Kampf gegen schwerwiegende Kriminalität vorankommen, unter Achtung der Grundrechte und der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs. Zugleich werden die jüngsten Anschläge verurteilt, ebenso sowie Angriffe auf die Meinungs- und Religionsfreiheit, Antisemitismus, Rassismus und Xenophobie.

BRÜSSEL (dpa-AFX)

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