ING-Aktie springt hoch: Corona-Krise halbiert Gewinn der ING
Hohe Rückstellungen für gefährdete Kredite haben der niederländischen Großbank ING im Corona-Jahr 2020 einen herben Gewinneinbruch eingebrockt.
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Weil außerdem Kosten für einen Stellenabbau anfielen, sackte der Nettogewinn um fast die Hälfte auf knapp 2,5 Milliarden Euro nach unten, wie das Institut am Freitag in Amsterdam mitteilte. Im vierten Quartal fielen die Belastungen aber geringer aus, so dass das Geldhaus unter dem Strich mehr verdiente als von Analysten im Schnitt erwartet.
An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Branchenexperten etwa von JPMorgan, Goldman Sachs und dem Analysehaus Jefferies zeigten sich von den jüngsten Geschäftszahlen angetan. Zum Sitzungsende lag die ING-Aktie an der EURONEXT in Amsterdam mit 6,71 Prozent im Plus bei 8,349 Euro und war mit Abstand der stärkste Wert im niederländischen Leitindex AEX. Ihr Kurs liegt aber immer noch fast ein Viertel niedriger als vor einem Jahr, als die Corona-Krise die Wirtschaft und die Finanzmärkte noch nicht erfasst hatte.
ING legte im vergangenen Jahr fast 2,7 Milliarden Euro für ausfallgefährdete Darlehen zurück, fast zweieinhalb Mal so viel wie im Vorjahr. Die Bank habe in der Pandemie jede Woche mit tausenden Kunden gesprochen und bei Krediten Zahlungsaufschübe im Umfang von 19,4 Milliarden Euro gewährt, sagte der neue ING-Chef Steven van Rijswijk. Er hatte das Ruder im Sommer von Ralph Hamers übernommen, der inzwischen an die Spitze der schweizerischen Großbank UBS gerückt ist.
Unterdessen zogen die verschärften Niedrigzinsen und eine gesunkene Nachfrage nach neuen Krediten die Erträge der Bank nach unten. Privatkunden und Unternehmen hätten sich wegen der Unsicherheit durch die Pandemie weniger Geld geliehen, hieß es. Zudem hätten die Menschen während der Lockdowns weniger Geld ausgegeben und höhere Beträge auf ihren Konten angespart, berichtete van Rijswijk.
Im Gesamtjahr sanken die Erträge der ING in der Folge um fast vier Prozent auf 17,6 Milliarden Euro. Im vierten Quartal lagen sie sogar sechs Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Dabei konnten gestiegene Provisions- und Gebührenerträge den Rückgang beim Zinsüberschuss nicht wettmachen.
Auch die deutsche Direktbank ING musste nach sieben Rekordjahren in Folge 2020 einen Gewinnrückgang hinnehmen. Sowohl das Vorsteuerergebnis als auch der Überschuss brachen zum Vorjahr um fast ein Viertel ein, wie das Institut in Frankfurt mitteilte. Die Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle schnellte deutlich auf 264 Millionen Euro nach oben - maßgeblich wegen der Rolle der Direktbank als Kreditgeber für die nach einem Bilanzskandal inzwischen aus dem DAX geflogene Wirecard.
Der Vorsteuergewinn sank auf gut eine Milliarde Euro, der Überschuss verringerte sich auf 692 Millionen Euro. "Auch wenn 2020 nicht einfach war: Mit unserer Entwicklung sind wir sehr zufrieden", bilanzierte der Vorstandsvorsitzende der ING Deutschland, Nick Jue. Das neue Jahr sei für das Institut gut angelaufen.
Die Direktbank hat mit der Einführung von Kontogebühren und mit Strafzinsen für Summen ab 100 000 Euro auf neuen Tagesgeldkonten auf das Zinstief reagiert. Dafür nimmt das in Deutschland und Österreich aktive Institut ein langsameres Wachstum bei den Kundenzahlen in Kauf.
Die Zahl der Privatkunden erhöhte sich im vergangenen Jahr unter dem Strich um gerade einmal 11 000 auf 9,53 Millionen. Das bereits für 2019 angepeilte Ziel von zehn Millionen Kunden hat Jue inzwischen kassiert: "Für uns ist profitables Wachstum wichtiger als Wachstum um jeden Preis."
Jahrelang hatte die Direktbank unter dem Namen ING-Diba Kunden mit relativ hohen Sparzinsen gelockt. Doch Einlagen kosten im aktuellen Zinstief Geld. Darum bemüht sich das Institut, das seit November 2018 nur noch unter dem Namen des Mutterkonzerns ING auftritt, um mehr Hausbankkunden. Sie sollen bei der Bank nicht nur Geld parken, sondern über Baufinanzierung, Verbraucherkredite oder Wertpapiersparen für Erträge sorgen. Für 2,15 Millionen Kunden sieht sich die Bank inzwischen als Hausbank. Ein Jahr zuvor waren es nur 1,8 Millionen.
Das Provisionsergebnis der ING Deutschland erhöhte sich im vergangenen Jahr dank eines starken Wertpapiergeschäfts um fast die Hälfte auf 479 Millionen Euro. Aus diesem Grund will das Institut sein Angebot für die Anlage in Wertpapiere erweitern.
Unterdessen sollen sich die Anteilseigner des niederländischen Mutterkonzerns zunächst mit einer Dividende von 12 Cent je Aktie begnügen, da die Europäische Zentralbank (EZB) die Gewinnausschüttungen der Branche wegen der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie begrenzt hat. Die ING-Führung stellte den Aktionären aber einen Nachschlag für die Jahre 2019 und 2020 in Aussicht, wenn die EZB die Beschränkungen im Herbst aufhebt. Dabei könnte es um eine weitere Dividende gehen oder auch um einen Aktienrückkauf.
Auch wenn der Aktienkurs der ING im vergangenen Jahr deutlich gelitten hat, ist das Institut an der Börse immer noch deutlich mehr wert als die Deutsche Bank. So kommt das Amsterdamer Geldhaus derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 32 Milliarden Euro, während der Frankfurter DAX-Konzern mit etwa 18 Milliarden Euro bewertet wird.
/stw/ben/ngu/fba
AMSTERDAM/FRANKFURT (dpa-AFX)
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