Trump dreht WHO mitten in Corona-Krise den Geldhahn zu - WHO äußert bedauern
Mitten in der Coronavirus-Pandemie hat US-Präsident Donald Trump einen Stopp der Beitragszahlungen für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veranlasst.
Die Maßnahme stieß international auf Kritik.
Trump machte die Organisation am Dienstagabend (Ortszeit) für die Vielzahl an Toten in der Krise mitverantwortlich. Durch das Missmanagement der WHO und deren Vertrauen auf Angaben aus China habe sich die Epidemie dramatisch verschlimmert und global ausgebreitet. Seine Regierung werde in den kommenden 60 bis 90 Tagen prüfen, welche Rolle die WHO bei der "schlechten Handhabung und Vertuschung der Ausbreitung des Coronavirus" gespielt habe. So lange lägen die Zahlungen auf Eis.
TRUMPS VERNICHTENDE KRITIK
Fast zehn Minuten trug Trump seine Kritik an der WHO vor. "Eine der gefährlichsten und kostspieligsten Entscheidungen der WHO war die katastrophale Entscheidung, sich gegen Reisebeschränkungen aus China und anderen Ländern auszusprechen", sagte er. "Zum Glück war ich nicht überzeugt und setzte Reisen von China aus und habe damit unzählige Leben gerettet. Tausende und Abertausende Menschen wären gestorben." Ende Januar hatten die USA ein Einreiseverbot für ausländische Reisende aus China verhängt. Andere Länder hätten die Empfehlungen der WHO dagegen befolgt und damit "die Pandemie auf der ganzen Welt beschleunigt", behauptete Trump. "Die Entscheidung anderer großer Länder, das Reisen offen zu halten, war eine der großen Tragödien und verpassten Chancen in der ersten Zeit."
DIE HALTUNG DER WHO
Die WHO hatte Handels- und Reisebeschränkungen in der Krise unter anderem mit Verweis auf die drohende Unterbrechung von Hilfstransporten und wegen negativer sozialer und wirtschaftlicher Auswirkungen auf betroffene Länder nicht offiziell empfohlen. Anfang März sagte WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan aber, notfalls könne mit drastischen Maßnahmen wie in China oder Italien - wo die Bewegungsfreiheit schon damals in stark betroffenen Regionen eingeschränkt war - zumindest die Ausbreitung der Krankheit verlangsamt werden. In diesem Zusammenhang seien Reisebeschränkungen eine vernünftige taktische Strategie.
MEHR KRITIK UND EIN BLICK ZURÜCK
Trump beklagte ebenso, die WHO habe versäumt, Angaben aus Peking kritisch und zeitnah zu überprüfen. Stattdessen habe sie Chinas Zusicherungen für bare Münze genommen und das Land gar für seine "sogenannte Transparenz" gelobt. Die späte Erklärung einer gesundheitlichen Notlage habe "wertvolle Zeit gekostet". Mit einem schnelleren Einschreiten der WHO hätte die Epidemie mit wenigen Toten auf ihren Ursprungsort begrenzt werden können, behauptete Trump. "Das hätte Tausende Leben gerettet und weltweiten wirtschaftlichen Schaden verhindert." Trump hatte allerdings zuvor Chinas Umgang mit dem Ausbruch selbst mehrfach gelobt. In einem Tweet vom 24. Januar etwa schrieb er: "China hat sehr hart daran gearbeitet, das Coronavirus einzudämmen. Die Vereinigten Staaten wissen ihre Anstrengungen und Transparenz zu schätzen."
ABLENKUNGSMANÖVER
Die WHO ist für Trump ein willkommener Sündenbock. In der Krise ist er selbst schwer unter Druck geraten. Der Republikaner hatte die Gefahr des Coronavirus öffentlich lange heruntergespielt. Nun wird ihm vorgeworfen, zu zögerlich auf den Ausbruch reagiert zu haben, so dass die USA weitgehend unvorbereitet von der Epidemie getroffen wurden. Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, beklagte, Trump sei im Januar vor der Pandemie gewarnt worden, haber aber "diese Warnungen ignoriert, unzureichende Maßnahmen ergriffen und unnötigen Tod und Unglück angerichtet". Noch bis Anfang März hatte Trump beteuert, das Virus sei für die USA kein Grund zur Sorge, und erklärt: "Wir haben eine ungeheure Kontrolle darüber." Mittlerweile sind die USA das Land mit den meisten nachgewiesenen Infektionen und Corona-Toten weltweit.
DRASTISCHE MAßNAHME ZU HEIKLEM ZEITPUNKT
International stieß Trumps Schritt auf viel Kritik: UN-Generalsekretär António Guterres mahnte, es sei "nicht die Zeit", Ressourcen für die WHO oder andere Organisationen im Kampf gegen das Virus zu reduzieren. Moskau verurteilte Trumps Schritt als "egoistisch" und rief dazu auf, "weitere Angriffe" auf die WHO zu unterlassen. Die chinesische Regierung äußerte sich "ernsthaft besorgt" und forderte die USA auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die französische Regierung und der Kommissionschef der Afrikanischen Union nannten Trumps Vorhaben bedauerlich. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte den Zahlungsstopp: "Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen in der Coronakrise nicht", sagte er der dpa.
DAS BUDGET DER WHO
Die WHO ist die wichtigste Sonderorganisation der Vereinten Nationen im Gesundheitsbereich. Ihr Budget besteht nach eigenen Angaben zu weniger als einem Viertel aus verpflichtenden Beiträgen der Mitgliedsstaaten. Deren Höhe hängt vom Wohlstand und der Bevölkerungsgröße des Landes ab. In diesem Kreis sind die USA der größte Zahler (für 2020 und 2021 je knapp 116 Millionen US-Dollar). Der überwiegende Teil des WHO-Budgets stammt aber aus freiwilligen Leistungen. Sie werden von Staaten - zusätzlich zu den Pflichtbeiträgen - sowie von Stiftungen, internationalen Organisationen und Unternehmen aufgebracht. Diese schwanken jährlich. So trugen laut den jüngsten Angaben der WHO die USA 2018 freiwillig rund 281 Millionen Dollar bei, während es im Jahr zuvor noch etwa 401 Millionen waren. Wieviel die US-Regierung nun genau kürzen will, war zunächst unklar.
DER AUSBRUCH DER PANDEMIE UND DIE REAKTION DER WHO
Am 31. Dezember war durch eine Mitteilung der Gesundheitskommission der chinesischen Metropole Wuhan bekannt geworden, dass in der Stadt eine mysteriöse Lungenkrankheit ausgebrochen war. Die WHO erfuhr nach eigenen Angaben am selben Tag davon. Rückwirkend datierten chinesische Behörden die erste Ansteckung auf einen früheren Zeitpunkt. Ebenfalls gab es früh Hinweise, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen wird. Ende Januar erklärte die WHO wegen des Ausbruchs eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite". Am 11. März stufte sie die Verbreitung des Virus als Pandemie ein.
WHO-Chef bedauert Zahlungsstopp der USA und fordert Solidarität
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation hat angesichts des Streits mit den USA zu Solidarität im Kampf gegen das Coronavirus aufgerufen. "Wir bedauern die Entscheidung des Präsidenten der USA, die Beitragszahlungen an die WHO zu stoppen", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Genf.
"Wenn wir uns im Kampf gegen das Coronavirus spalten lassen, wird das Virus diese Risse ausnutzen", sagte Tedros. "Das ist eine Zeit, in der wir alle in unserem gemeinschaftlichen Kampf gegen eine gemeinsame Bedrohung zusammenstehen sollten." Solidarität sei die wichtigste Regel für dieses Spiel, in dem es darum gehe, das Coronavirus zu besiegen.
Tedros erklärte, dass die Organisation nun prüfen müsse, welche Bereiche von den Zahlungsausfällen betroffen seien und wie mögliche Finanzierungslücken geschlossen werden könnten. Wie hoch die jährlichen Zahlungen der USA an die WHO genau sind, sagte er trotz entsprechender Nachfrage nicht.
/lkl/jbz/jac/DP/fba
WASHINGTON (dpa-AFX)
Weitere News
Bildquellen: Spencer Platt/Getty Images, Joseph Sohm / Shutterstock.com