Portugal: Warum das südeuropäische Land auch für Investoren interessant ist
Das Land präsentiert sich als Musterschüler der Europäischen Union. Warum sich ein Blick nach Südwesten auch für Anleger lohnt.
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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag
Normalerweise arbeitet Pedro Balau täglich an der Küste von Caparica bei Lissabon. An dem breiten Sandstrand südlich der Tejo-Mündung unterhält er mit seinem Bruder eine Schule für Wellenreiten und Kitesurfen. Doch weil Corona den boomenden Tourismus in Portugal stark gebremst hat, hat sich der 38-Jährige eine Alternative gesucht: beim Autoeuropa-Werk von Volkswagen unweit von Lissabon. Dort lassen die Wolfsburger den T-Roc für Europa vom Band laufen. "Wegen des Chipmangels arbeitet VW Anfang des Jahres aber mit weniger Schichten", sagt Balau. Die Zeitarbeitsfirma, für die er tätig ist, hat seinen Vertrag deshalb ausgesetzt. Was er stattdessen macht? "Urlaub am Strand", sagt er augenzwinkernd und lacht.
Portugiesen sind flexibel. Die Krisen der letzten Jahre haben die Menschen am südwestlichen Rand Europas erfinderisch gemacht. Lissabon lässt international mit einer bunten Start-up-Szene aufhorchen. App-Entwickler sitzen in alten Industriehallen am Hafen oder in den modernen Geschäftsvierteln im Osten der Hauptstadt. Weil viel kleiner als etwa Spanien oder Italien, liegt Portugal Kooperation im Blut. Nationalismus ist wenig verbreitet, eine rechtspopulistische Partei mit der Chega erst in jüngster Vergangenheit aufgekommen. Stattdessen ist für viele Portugiesinnen und Portugiesen selbstverständlich, fließend Englisch zu sprechen.
Anstatt sich über das Corona-Management zu beschweren, ergreifen sie die Chancen. Beeindruckend ist weniger die hohe Impfquote als vielmehr das hohe Modernisierungstempo des Landes. In Bäckereien und Cafés ist kontaktloses Bezahlen üblich, Toiletten in Einkaufszentren zeigen zur Abstandswahrung automatisiert die Belegung an. Mieträder und -roller stehen selbst in ländlichen Vororten bereit. Bei internationalen Rankings über Lebensqualität und Modernität erreicht Lissabon, in dessen Großraum fast jeder dritte Portugiese lebt, vordere Plätze. Und dann ist da noch das Recht auf einen Heimarbeitsplatz, das viele Beschäftigte gern annehmen - kein Problem für ein Land, das über eine ausgezeichnete Internetabdeckung verfügt.
Weil aber Tourismus und Konsum eine wichtige Rolle spielen, hat Corona der Wirtschaft 2020 einen herben Absturz beschert. Doch mit einem Wachstum von 4,8 Prozent 2021 und laut OECD erwarteten 5,8 Prozent 2022 wird Portugal das Vorkrisenniveau Mitte des Jahres wieder erreicht haben. Dabei hilft das Corona-Aufbauprogramm der EU. 16,6 Milliarden Euro erhält Lissabon aus Brüssel. Damit sollen Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig umgestaltet werden. Der Fokus liegt neben dem digitalen Wandel und sozialen Absicherungsmaßnahmen auf dem Klimaschutz.
So plant Lissabon eine der größten Solarstrom-Offensiven Europas. Schon heute decken regenerative Quellen wie Wasser- und Windkraft 60 Prozent des portugiesischen Strombedarfs. Nun will das sonnenreiche Land auch 18 Gigawatt Leistung aus Photovoltaik aufbauen. Milliarden an Auslandsinvestitionen werden die Folge sein. Nachhaltig orientierte Investoren positionieren sich bereits. Der Ökostrom soll auch eine grüne Produktion möglich machen, zum Beispiel von solarem Wasserstoff für den Export. In der Hafenstadt Sines, in der kürzlich das letzte Kohlekraftwerk des Landes abgeschaltet wurde, entsteht zudem eines der größten und modernsten Datenzentren Europas, das sich zu einem Großteil mit Ökoenergie versorgen will.
Politische Kontinuität
An den guten Perspektiven ändert auch das aktuelle politische Vakuum nichts. Weil der populäre, aber mit einer Minderheitsregierung operierende Ministerpräsident Antonio Costa Ende 2021 seinen Haushalt nicht durchbekam, rief er Neuwahlen aus, die nun am Sonntag stattfinden. Umfragen sehen seine sozialistische Partei mit Zugewinnen deutlich vorn. Der alte könnte somit auch der neue Ministerpräsident werden. Costa dürfte so seine von Brüssel co-finanzierte Politik der Modernisierung bei sozialem Ausgleich fortsetzen können.
Für den portugiesischen Aktienmarkt sind das gute Aussichten, zumal er prinzipiell Nachholpotenzial gegenüber anderen Europäern hat. So lag der Auswahlindex der 20 größten Werte PSI20 zuletzt nur knapp über dem Niveau von vor Beginn der Corona-Krise.
Die eher maue Performance liegt auch an den Einzeltiteln. Denn der Index repräsentiert vor allem die traditionelle Ökonomie: Stark vertreten sind Energiewerte, Bau- und Papierindustrie, Handel und Telekommunikation. Dazu kommt, dass die Unternehmen relativ hohe Schulden in den Büchern haben. Die Eigenkapitalquote liegt bei vielen kaum höher als 25 Prozent. Dafür schütten einige ihre Gewinne großzügig aus. Titel wie das Bauunternehmen Mota Engil, der Handelskonzern Sonae und Stromnetzbetreiber REN bieten Anlegern Dividendenrenditen von teils mehr als sieben Prozent. Hiesige Aktionäre müssen dabei aber beachten, dass der portugiesische Staat mehr als 30 Prozent Quellensteuer einbehält, die man nur sehr aufwendig wiederbekommen kann.
Ein Blick lohnt aber auch in die illustre zweite Reihe. Da sind zum Beispiel die Aktien der drei großen Fußballklubs FC Porto, Sporting Lissabon und Benfica Lissabon, deren Performance an Transfererlösen und Champions-League-Erfolgen gekoppelt ist. Außerdem finden sich spekulative Immobilien- und Tourismuswerte. Attraktiv sind Spezialunternehmen wie der weltweit größte Korkproduzent Corticeira Amorim, Lebensmittel- und Supermarktbetreiber Jerónimo Martins und die Start-up-Holding Novabase.
Die Chancen für Portugal, aus der Corona-Krise gestärkt hervorzugehen, sind gut. Und dann sind da ja noch Wellen und Strand - beste Voraussetzungen, um Touristen in einer Post-Corona-Welt anzulocken. Surflehrer Pedro Balau jedenfalls ist bereit und wartet schon.
INVESTOR-INFO
Corticeira Amorim
Multitalent Kork
Neben Wein- und Sektverschlüssen kommt die Rinde der Korkeiche für Textilien und wegen ihrer Robustheit und Feuerfestigkeit im Fahrzeugbau zum Einsatz. Corticeira Amorim ist der größte Produzent der Welt und zudem finanziell solide wie wenig andere portugiesische Unternehmen. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres hat die Firma ihren Umsatz um 11,5 Prozent auf 637 Millionen gesteigert, der Gewinn pro Aktie kletterte um 19,6 Prozent auf 44 Cent pro Aktie.
REN
Solides Stromgeschäft
Die Verschuldung ist zwar nicht ohne, doch REN - die Abkürzung steht für Redes Energéticas Nacionais - verdient Geld mit einem sicheren Geschäft: dem Betrieb des nationalen Stromnetzes. Mit dem Ausbau der Ökostromerzeugung dürften die Erträge steigen. Defensives Investment, das wenig negativen Einfluss von der hohen Inflationsrate zu befürchten hat. Für das laufende Jahr wird eine Dividendenrendite von rund sechseinhalb Prozent erwartet.
Jerónimo Martins
Starker Einzelhändler
Der portugiesische Supermarktbetreiber ist seit Kurzem auch selbst in der Lebensmittelproduktion aktiv, vor allem bei der Aquakultur. Das hat die Ergebnisse 2021 positiv beeinflusst. Das Zentrum der Geschäftsaktivitäten liegt in Portugal, das Unternehmen ist aber auch in Polen und Kolumbien aktiv. Auch die weiteren Aussichten sind gut. Nach starkem Kursverlauf 2021, als die Aktie fast 50 Prozent zulegte, und wegen des inflationsbedingten Margendrucks aktuell jedoch nur eine Halteposition.
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
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