Merck schraubt Gewinnprognose hoch - Aktie dreht ins Minus
Der Darmstädter Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck hat im dritten Quartal Umsatz und operativen Gewinn kräftig gesteigert.
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Dabei geholfen hat wie im Vorquartal die im vergangenen Jahr getätigte Übernahme des US-Laborausrüsters Sigma-Aldrich für 17 Milliarden US-Dollar. Der Neuerwerb wird seit 18. November bei Merck konsolidiert. Zudem sind die Sparten Life Science und Healthcare erneut auch organisch gewachsen. Die gute Geschäftsentwicklung im dritten Quartal macht Merck jetzt noch optimistischer. Die Jahresergebnisprognose wurde erneut angehoben.
"Wir haben unsere Pharma-Pipeline weiterentwickelt und sind dabei, die Kostensynergien aus der Akquisition von Sigma-Aldrich schneller zu realisieren als geplant", sagte Konzernchef Stefan Oschmann. Die Verschuldung aus dem Zukauf habe Merck im Jahresverlauf um 1 Milliarde Euro senken können.
Höhere Ergebnisprognose dank Healthcare
Merck erwartet jetzt ein operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen (EBITDA) von 4,45 bis 4,6 Milliarden Euro. Bislang waren 4,25 bis 4,4 Milliarden Euro in Aussicht gestellt worden. Die gestiegene Zuversicht führt Merck hauptsächlich auf den Bereich Healthcare zurück. Die Sparte profitiert in diesem Jahr neben der Auflösung von Rückstellungen für eingestellte Forschungsprojekte von geringer als ursprünglich erwarteten Forschungs- und Entwicklungskosten. Die Umsatzprognose wurde bestätigt. Merck rechnet 2016 weiter mit Erlösen zwischen 14,9 bis 15,1 Milliarden Euro.
In den Monaten Juli bis September kletterten die Umsatzerlöse um 19 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro, was hauptsächlich dem Kauf von Sigma-Aldrich zu verdanken war. Organisch ist Merck um 0,9 Prozent gewachsen, ungünstige Wechselkurse schmälerten die Erlöse um 0,6 Prozent. Das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (EBITDA) kletterte um gut 24 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro, wozu vor allem der Sigma-Aldrich-Kauf und die gute operative Entwicklung von Life Science beitrugen. Das Konzernergebnis verbesserte sich um knapp 26 Prozent auf 457 Millionen Euro.
Analyst Peter Spengler von der DZ-Bank beurteilte die Zahlen in einer ersten Einschätzung positiv. Merck habe erneut ein solides Zahlenwerk abgeliefert und damit sowohl seine eigenen Erwartungen als auch den Marktkonsens übertroffen. Zudem sei die EBITDA-Marge mit 43,7 Prozent im Bereich Flüssigkristalle sehr stark und der Beitrag von Sigma-Aldrich gut.
Healthcare-Erlöse stagnieren
Im nach Umsatz größten Unternehmensbereich Healthcare, der unter anderem verschreibungspflichtige Biopharmazeutika und rezeptfreie Mittel umfasst, ist der Umsatz im dritten Quartal um 1 Prozent auf 1,69 Milliarden Euro leicht gesunken, organisch war noch ein Wachstum von 1,3 Prozent zu verzeichnen. Leicht geschmälert wurden die Erlöse unter anderem von ungünstigen Wechselkursen.
Das EBITDA vor Sondereinflüssen stieg bei Healthcare um gut 5 Prozent auf 565 Millionen Euro. Zum Anstieg trugen die gute operative Geschäftsentwicklung, höhere Lizenzerträge und die Auflösung von Rückstellungen bei, die bei der Einstellung klinischer Entwicklungsprogramme gebildet worden waren.
Das umsatzstärkste Medikament Rebif zur Behandlung von Multipler Sklerose verzeichnete im Quartal einen organischen Rückgang der Erlöse um 5,5 Prozent. Das Mittel, das gespritzt werden muss, wird von oralen Konkurrenzprodukten bedrängt. Mit Rebif erlöste Merck im Quartal noch 436 nach 468 Millionen Euro im Vorjahr.
Kassenschlager Erbitux kämpft mit Preisdruck
Erlöseinbußen musste Merck auch bei dem Krebsmittel Erbitux im Berichtszeitraum hinnehmen. Geschuldet war dies vor allem einem organischen Erlösrückgang von gut 6 Prozent in Europa, dem wichtigsten Absatzmarkt für Erbitux. Dort leidet der Konzern unter scharfem Wettbewerb und Preisdruck bei dem Mittel. Die Umsätze fielen im Quartal leicht auf 219 Millionen Euro zurück, nach 223 Millionen Euro im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Anlass zur Freude gab erneut Gonal-f, ein Mittel zur Behandlung von Unfruchtbarkeit. Hier legten die Erlöse trotz ungünstiger Wechselkurseffekte auf 182 Millionen Euro zu, nach 167 Millionen Euro im Vorjahr.
Erwartungsgemäß stark gewachsen ist der Unternehmensbereich Life Science, der seit 18. November auch Sigma-Aldrich umfasst. Hier legten die Erlöse angetrieben von Synergien aus der Großübernahme um 83 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro zu. Die Sparte zeigte zudem ein starkes organisches Wachstum von knapp 6 Prozent, das von der Nachfrage aus der Biotech-Industrie getragen wurde. Das EBITDA vor Sondereinflüssen hat sich im Quartal wegen des Milliardenzukaufs auf 424 (Vorjahr 201) Millionen Euro mehr als verdoppelt.
Lagerabbau bei Displaykunden belastet Performance Materials
In der Sparte Performance Materials, in der Merck seine Geschäfte mit Spezialchemikalien bündelt, wie etwa Displaymaterialien und Pigmente, sind die Erlöse im Quartal leicht um 1,3 Prozent auf 645 Millionen Euro gesunken. Organisch lag der Rückgang bei knapp 6 Prozent, was vor allem dem anhaltenden Lagerabbau bei Kunden aus der Displayindustrie geschuldet war. Ihre marktführende Position habe die Geschäftseinheit aber behauptet, hieß es. Das Geschäft mit Flüssigkristallen und komplementären Materialien steuert mehr als 50 Prozent zu den Spartenerlösen bei.
Das EBITDA vor Sondereinflüssen des Geschäftsbereichs fiel im Quartal um gut 5 Prozent auf 282 Millionen Euro. Die Profitabilität der Sparte ist aber dank einer guten Diversifizierung mit einer EBITDA-Marge vor Sondereinflüssen von 43,7 Prozent immer noch die höchste aller Unternehmensbereiche. Merck hat weiter das Ziel, seine Markt- und Technologieführerschaft bei Displaymaterialien zu sichern und will zudem das Flüssigkristall-Know-how über den Einsatz in Displays hinaus zu nutzen.
BERENBERG: 'MARKTERWARTUNGEN KÖNNTEN STEIGEN'
Berenberg-Expertin Louise Pearson rechnet nun damit, dass die Markterwartungen im niedrigen einstelligen Prozentbereich anziehen könnten. Auch Analyst Daniel Wendorff von der Commerzbank zeigte sich insbesondere von der starken Margenentwicklung im dritten Quartal überrascht. Auch mit der Prognoseanhebung habe er nicht gerechnet, lobte er.
Die Analysten verwiesen mit Blick auf starke operative Entwicklung aber auch auf geringere Forschungs- und Entwicklungskosten. Diese Entwicklung erscheint für die Experten gleichzeitig als das Haar in der Suppe: So zeigte sich etwa Wendorff skeptisch und will abwarten, inwieweit die Profitabilitätsverbesserungen im Pharmageschäft tatsächlich nachhaltig sein werden.
EQUINET RECHNET MIT WIEDER STEIGENDEN R&D-KOSTEN
In dieses Horn stieß auch Equinet-Analystin Marietta Miemitz. Sie rechnet im kommenden Jahr mit steigenden Ausgaben für Forschung und Entwicklung und geringeren Gewinnen in der Pharmasparte. Anlegern rät sie daher weiterhin, trotz des verbesserten Ausblicks an der Seitenlinie zu bleiben.
Die Merck-Aktie war nach einem Rekordhoch im April 2015 bei 111,85 Euro unter die runde Marke von 100 gefallen. Sie hatte sich seither als zu hohe Hürde für einen nachhaltigen Sprung darüber erwiesen.
Die anfängliche Freude der Anleger über die Geschäftszahlen und einen verbesserten Ausblick des Pharma- und Chemiekonzern Merck ist bis zum Dienstagnachmittag verflogen. Die Kurs fiel um zuletzt 1,78 Prozent auf 93,25 Euro. Zum Auftakt hatten die Papiere noch um mehr als 2,5 Prozent auf 97,50 Euro zugelegt. Analysten lobten zwar die Quartalsbilanz, äußerten sich aber teils vorsichtig zu den weiteren Aussichten.
DJG/hoa/smh Dow Jones Newswires
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Bildquellen: Merck 2016, Merck KGaA
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