Seit Jahrzehnten

Ehemaliger Wall Street-Analyst: Der Aktienmarkt ist manipuliert

23.12.18 22:04 Uhr

Ehemaliger Wall Street-Analyst: Der Aktienmarkt ist manipuliert | finanzen.net

Ein früherer MIT-Professor ist sich sicher, dass der Aktienmarkt ein Tatort ist - nämlich ein Ort der Manipulation und das seit Jahrzehnten. 

Bruce Knuteson, ehemaliger MIT-Physikprofessor, hat zwei Artikel auf der Plattform arXiv.org veröffentlicht, in denen er den Aktienmarkt als Ort des Betruges darstellt und sein Gedankenmodell erläutert: Seiner Meinung nach gibt es einige wenige Personen, die sich seit Jahrzehnten am Aktienmarkt bereichern - auf Kosten der Allgemeinheit. Die Strategie erklärt der ehemalige Wall-Street-Analyst als "eine einfache Aktienhandelsstrategie, die es einem ausreichend großen, marktneutralen quantitativen Hedgefonds ermöglicht, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen und gleichzeitig erheblich zur Steigerung der globalen Vermögensungleichheit beiträgt."

Knutesons Gedankenexperiment

In seinem Gedankenexperiment stellt der ehemalige MIT-Physikprofessor und Wall-Street-Analyst eine Strategie vor, die seiner Meinung nach nicht fiktiv, sondern bereits seit einigen Jahren das Tagesgeschäft am Aktienmarkt steuert. In seinem Modell spricht Knuteson von quantitativen Hedgefonds, die ein bereits vorhandenes umfangreiches Aktienportfolio täglich morgens systematisch ausbauen und im Verlauf des Handelstags kontrahieren.

Mit diesen täglichen Aufträgen können Marktteilnehmer also, so die Idee Knutesons, den Markt in eine gewisse Richtung manipulieren. Obwohl der Preis von Aktien dadurch lediglich gering beeinflusst wird, ist diese Beeinflussung aber groß genug, um den Marktpreis dauerhaft in eine bestimmte Richtung zu manipulieren - nach oben.

Knutesons gesamte These hängt dabei von einer eher schwammigen Idee oder Begründung ab. Die Unsicherheit über die künftige Marktbewegung sei am Morgen größer, wonach Marktteilnehmer mit aggressiven Käufen zu Handelsbeginn auch einen größeren Einfluss auf die Preisbildung hätten als im späteren Handelsverlauf, wie der Wall-Street-Kenner annimmt. Würden also die Marktteilnehmer, beispielsweise Hedgefonds, dieses Spiel jeden Tag wiederholen, könnten sie den Preis in einem bestimmten Zeitraum immer weiter nach oben drücken. Auf einer Sicht von sieben Jahren würde das in einer Verdoppelung des Preises einer Aktie resultieren, wenn sich diese durchschnittlich pro Tag um nur 0,04 Prozentpunkte nach oben bewegen würde, wie aus Knutesons Rechnung hervorgheht. Der frühere Wall-Street-Quant glaubt allerdings nicht, dass Marktteilnehmer den Kurs mit Käufen nach oben und mit Verkäufen gleich stark nach unten verändern. Denn er meint, dass der Kurs stärker nach oben bewegt werden kann, als sich der Kurs im Laufe des Tages durch Verkäufe wieder korrigiert.

Kann diese Theorie der Wahrheit entsprechen?

Obwohl diese Strategie sich zunächst nach reiner Fiktion anhört, ist Knuteson von seinem Manipulationsschema überzeugt. Denn der Physiker glaubt offenbar, dass dieser Umstand tatsächlich von einigen großen Marktakteuren gelebt wird, und zwar seit mehr 25 Jahren. Als Beweis führt Knuteson den Tag-und-Nacht-Effekt an: Die Aktienkurse steigen vergleichsweise viel stärker, wenn der Markt geschlossen ist, als während der Handelsstunden. Dieser Effekt ist nicht nur am amerikanischen Aktienmarkt Realität, sondern weltweit aufzufinden.

Inwiefern kann diese Theorie jedoch ernst genommen werden? Bruce Knuteson selbst hatte in seinen Beiträgen einen sarkastischen Ton angeschlagen und sorgt damit für einen gewissen Grad an Zweifel. "Die Idee, dass zehn Billionen Dollar an illusorischem Aktienwert durch den Handel weniger Marktteilnehmer über eine Zeitspanne von zwei Jahrzehnten künstlich erzeugt wurde, ist offensichtlich ganz und gar lächerlich und absurd. Allerdings sollte es vielleicht einmal jemand überprüfen. Nur für den Fall", schreibt Knuteson.

Somit bleibt die Frage offen, ob ein Marktteilnehmer die Preise tatsächlich so zielgerichtet bewegen kann wie von Knuteson behauptet. Insbesondere die Behauptung, dass Marktteilnehmer durch Käufe die Kurse stärker nach oben bewegen können, als diese dann durch Verkäufe wieder sinken, ist zweifelhaft. Jedoch basiert auf diesem Gedanken seine gesamte These.

Auch geht Knuteson nicht darauf ein, dass die zu hohen Bewertungen nicht durch andere Marktteilnehmer im Laufe der Zeit erkannt und korrigiert werden. Denn zumindest im Laufe der Zeit müssten Marktteilnehmer eine Überbewertung erkennen und dann durch ihre (Leer-)Verkäufe wieder für eine Korrektur sorgen.

Auch andere Umstände sind nun erklärbar, so Knuteson

Mit seiner Theorie kann Knuteson nach seiner eigenen Einschätzung aber noch deutlich mehr erklären. Dem ehemaligen Professoren zufolge kann die wachsende Ungleichheit zwischen arm und reich sowie der stärkere Anstieg von Kapitalerträgen gegenüber Löhnen und Gehältern in den vergangenen Jahrzehnten sauf seine Theorie zurückgeführt werden. In Seinem Artikel adressiert er genau diese Problematik: "Wenn Sie oder Ihre Institution eine Milliarde Dollar haben und Geld verdienen wollen während Sie gleichzeitig für wachsende globale Vermögensungleichheit sorgen, hoffen wir, dass Sie diese Strategie für nützlich halten." Fraglich erscheint jedoch, inwiefern hier tatsächliche Kausalitäten vorliegen.


Redaktion finanzen.net

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