Infineon-Aktie im Fokus: Cypress-Zukauf soll Chiphersteller Aufwind liefern
Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen auch den Chiphersteller Infineon.
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Doch trotz der schwierigen Lage für das Unternehmen und die gesamte Branche gibt es für den DAX-Konzern einen großen Lichtblick: Mit der vor Kurzem endlich abgeschlossenen Übernahme des US-Konkurrenten Cypress Semiconductor hat sich der Halbleiterspezialist ein Unternehmen an Bord geholt, das ihm perspektivisch die Rückkehr zum hohen Wachstum der Vergangenheit ermöglichen soll. Was momentan bei Infineon los ist, wie Analysten die Aussichten bewerten und wie sich die Aktie zuletzt entwickelt hat.
DAS IST LOS BEI INFINEON:
Nach einer monatelangen Hängepartie erhielt der Konzern aus dem Münchener Vorort Neubiberg Anfang April die letzte noch fehlende Genehmigung für den größten Zukauf der Unternehmensgeschichte. Hatten zuvor bereits die EU und die USA ihre Zustimmung zum 9 Milliarden Euro schweren Deal gegeben, gab es dann auch grünes Licht aus China. Damit stand der seit letztem Sommer von Infineon angepeilten Übernahme der Kalifornier endgültig nichts mehr im Wege.
Für Infineon ist die Akquisition von hoher Bedeutung. Das Cypress-Portfolio ergänzt das eigene um verschiedene neue Komponenten und ermöglicht dem Dax-Unternehmen den Aufstieg unter die Top Ten der Halbleiterhersteller weltweit. Bei Chips für die Autoindustrie sieht Konzernchef Reinhard Ploss Infineon künftig sogar als Nummer eins. Von der Übernahme verspricht sich der Manager zudem einen deutlich größeren Fußabdruck in den USA.
Mit Cypress Semiconductor will Infineon die Weiterentwicklung des Unternehmens vorantreiben und setzt dabei unter anderem große Hoffnungen auf die "Connectivity"-Komponenten von Cypress - elektronische Bauteile für vernetzte Geräte und Maschinen, die untereinander kommunizieren.
Nachdem die Chipbranche im vergangenen Jahr bereits von den Auswirkungen der globalen Handelsstreitigkeiten und der anhaltenden Schwäche der Automärkte betroffen war, kommt nun auch noch die Coronavirus-Pandemie hinzu. Ploss muss Infineon durch eine äußerst herausfordernde Phase steuern, in der die konkreten Auswirkungen der Virus-Krise derzeit kaum quantifizierbar sind. Nicht zuletzt deshalb strich Infineon vor einigen Wochen seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr.
Zuvor hatte Ploss bereits mit einer schwierigen ersten Jahreshälfte gerechnet und war davon ausgegangen, dass eine Erholung nicht vor dem zweiten Halbjahr zu erwarten sei. Wie es in Anbetracht der Pandemie weitergeht und die Märkte sich entwickeln werden, ist derzeit völlig unklar.
Ungeachtet dessen betonte Ploss kürzlich, dass Infineon im Gegensatz zu vielen anderen Konzernen in der Krise momentan nicht an Staatshilfen denke. Seiner Einschätzung nach verfüge der Halbleiterspezialist "aus heutiger Sicht über genügend eigene Liquidität, um die Situation zu meistern", wie er der FAZ sagte. Dennoch werde man die weitere Entwicklung genau beobachten.
Eine zusätzliche Mittelaufnahme aus eigener Kraft durch eine Kapitalerhöhung steht Ploss zufolge im Moment ebenfalls nicht auf der Agenda. Er ist ohnehin überzeugt davon, dass langfristige Wachstumstreiber wie Elektromobilität, Internet der Dinge oder Erneuerbare Energien intakt bleiben.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Nachdem Infineon Ende März seinen Ausblick zurückgezogen hat, haben sich neun im dpa-AFX-Analyser erfasste Experten näher mit dem Halbleiterhersteller befasst. Gleich sechsmal lautet ihre Empfehlung, die Aktie zu kaufen. Dreimal raten die Analysten dazu, die Papiere zu halten und die weitere Entwicklung des Unternehmens genau im Auge zu behalten. Für den Verkauf der Titel spricht sich aktuell niemand aus.
Stattdessen attestieren die Experten Infineon allesamt Aufwärtspotenzial. Sie trauen den Anteilsscheinen auch wegen des geglückten Cypress-Zukaufs eine mittelfristige Erholung zu. Mit einem Kursziel von 24 Euro hat das US-Analysehaus Bernstein Research den höchsten Wert auf dem Zettel. Zwar sind die kurzfristigen Perspektiven aus Sicht von Analyst Mark Li dürftig, doch ändere dies nichts an seiner langfristig positiven These, verdeutlicht der Experte.
Ähnlich sieht das auch Nicolas Gaudois von der Schweizer Großbank UBS. Obwohl er seine diesjährigen Erwartungen an die weltweite Halbleiterbranche kürzte, hält er 2021 eine solide Erholung für wahrscheinlich. Gaudois ist daher grundsätzlich weiter optimistisch für die Branche - mit einer Präferenz vor allem für Computer- und Speicherchips.
Dagegen gibt Tammy Qiu von der Privatbank Berenberg zu bedenken, dass die Corona-Krise die Automobilnachfrage erheblich dämpfen dürfte. Gleiches gelte für die Fertigung von Industriegütern, einer weiteren Abnehmerbranche für Halbleiter. Qiu hat mit einem Kursziel von nur 17 Euro den drittniedrigsten Wert hinter dem Analysehaus Kepler Cheuvreux (16 Euro) und der US-Investmentbank Goldman Sachs (16,50 Euro) notiert.
Goldman-Experte Alexander Duval geht zwar auch von einer höheren Wachstumsrate im Jahr 2021 aus, erwartet aber zunächst niedrigere Stückzahlen für das Autogeschäft von Infineon. Derweil unterstreicht Robert Sanders von der Deutschen Bank, dass es derzeit nahezu unmöglich sei, Ausmaß und Dauer der Belastungen der Corona-Krise auf die Halbleiterindustrie abzuschätzen. Seine Umsatz- und Ergebnisschätzungen für den Sektor reduzierte er entsprechend für das Jahr 2020.
Für Harald Schnitzler von der DZ Bank sprechen unter anderem aber die starke Ausrichtung auf strukturelle Wachstumstreiber, die führende Marktposition in allen Segmenten und das krisenerprobte Management für die Infineon-Titel.
DAS MACHT DIE INFINEON-AKTIE:
Der Corona-Crash hat auch bei den Infineon-Anteilsscheinen tiefe Spuren hinterlassen. Kostete die Aktie Mitte Februar kurz vor Beginn der einsetzenden Krise noch rund 23 Euro, sackte sie bis zum 19. März auf nur noch etwas über 10 Euro ab. Damit wurde der Wert der Papiere binnen weniger Wochen mehr als halbiert.
In der Folgewoche erholte sich der Kurs zunächst wieder etwas und kletterte auf rund 14,50 Euro, ehe die kassierte Prognose für einen weiteren kleinen Rücksetzer auf unter 13 Euro sorgte. Im Zuge des erfolgreichen Abschlusses der Cypress-Übernahme ging es für die Titel dann wieder etwas nach oben. Derzeit kostet das Papier rund 17 Euro und liegt damit deutlich unter dem durchschnittlichen Kursziel der Experten, das derzeit bei rund 19,50 Euro liegt.
Im laufenden Jahr haben die Papiere der früheren Siemens-Tochter knapp 17 Prozent verloren und damit in etwa so viel wie der DAX. Auf längere Sicht sieht es allerdings besser aus. In den vergangenen fünf Jahren steht für den Dax-Konzern ein Plus von 60 Prozent auf dem Kurszettel. Seit dem Frühjahr 2010 sind es sogar mehr als 200 Prozent.
Infineon kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 21 Milliarden Euro und liegt damit im unteren Drittel des DAX - doch immerhin hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren unter den deutschen Standardwerten etabliert. Das war nicht immer so - im Zuge der Finanzkrise war die Aktie im Frühjahr 2009 bis auf 34 Cent abgestürzt und flog deshalb auch kurzzeitig aus dem DAX.
Infineon ist 1999 durch eine Ausgliederung des Halbleitergeschäfts von Siemens entstanden - 2000 legte das Unternehmen einen der spektakulärsten Börsengänge der New-Economy-Zeit hierzulande auf das Parkett. Vom Ausgabepreis von 35 Euro ging es schnell bis auf fast 84 Euro nach oben, bevor das Platzen der Dotcom-Blase den Absturz brachte.
/eas/nas/zb
NEUBIBERG (dpa-AFX)
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