Siemens mit Gewinneinbruch - Antriebstochter Flender soll an die Börse - Aktie legt kräftig zu
Der Technologiekonzern Siemens hat im zweiten Geschäfttsquartal wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie einen Gewinneinbruch verzeichnet.
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Der Technologiekonzern Siemens spürt die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. So musste das Unternehmen spürbare Einbußen im zweiten Geschäftsquartal (Ende März) hinnehmen. Schwächer entwickelten sich dabei die Geschäfte mit Kunden aus Schlüsselindustrien wie dem Maschinenbau, dem Auto- und dem Flugzeugbereich. Im dritten Quartal dürfte die Talsohle erreicht werden, schätzt Konzernchef Joe Kaeser. Eine schnelle Erholung erwartet der Manager nicht. In der Krise kann Siemens jedoch auf einen robusten Auftragsbestand und ein gutes Finanzpolster bauen und treibt seinen Umbau voran.
Die Krise bringe gewaltige Herausforderungen mit sich, sagte Kaeser am Freitag in einer Telefonkonferenz zu den Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal. Dies gelte für die Absatzseite aber auch für die Finanzierbarkeit von Großprojekten. Zudem stünden die Lieferketten unter Druck. Die "volle Wirkung des weltweiten Shutdown" erwartet Kaeser jedoch erst für das dritte Geschäftsquartal (Ende Juni). "Wir werden eine deutliche Eintrübung sehen, insbesondere bei den kurzzyklischen Geschäften." Dies betrifft vor allem das Geschäft mit der Digitalisierung. So geht Finanzvorstand Ralf Thomas von einem zweistelligen Volumenrückgang bei der Sparte aus.
Eine zügige Erholung erwartet Siemens indes nicht. "Wir gehen davon aus, dass wir eine längere Bodenbildung sehen", sagte Kaeser. Dabei kann Siemens jedoch auf eine robuste Auftragslage blicken. Insgesamt kommt der Konzern auf einen Auftragsbestand ohne die vor der Abspaltung stehende Tochter Siemens Energy von 69 Milliarden Euro, wie der stellvertretende Konzernchef und designierte Kaeser-Nachfolger Roland Busch erläuterte.
Im zweiten Geschäftsquartal sank der Auftragseingang um 8 Prozent auf 15,2 Milliarden Euro. Das lag vor allem an geringeren Großaufträgen für die Zugsparte. Der Umsatz lag stabil bei 14,2 Milliarden Euro. Ergebnisseitig bekam Siemens die Pandemie stärker zu spüren. So sank das bereinigte operative Ergebnis der Industriegeschäfte (Ebita) um 18 Prozent auf knapp 1,6 Milliarden Euro. Darin enthalten sind Kosten für den Personalabbau.
Deutlich schwächere Geschäfte verzeichnete Siemens dabei in den Geschäftsfeldern Digitalisierung und Smarte Infrastruktur. Hier will Siemens nun noch stärker an der Kostenschraube drehen. Bis 2021 sollen jetzt 475 Millionen Euro eingespart werden, 165 Millionen mehr als geplant. Als Stabilisator wirkte die Medizintechniktochter Siemens Healthineers.
In den Zahlen nicht mehr enthalten ist Siemens Energy. Die Tochter wird als nicht fortgeführtes Geschäft klassifiziert. Die Ausgliederung belastete das Konzernergebnis. Nach Steuern brach der Gewinn von Siemens um 64 Prozent auf 697 Millionen Euro ein.
Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr kann Siemens nicht mehr halten. So erwartet das Unternehmen nun anstelle eines moderaten vergleichbaren Umsatzanstiegs einen entsprechenden Rückgang um bis zu fünf Prozent. Die Ergebnisprognose zog Siemens ganz zurück. Dennoch zeigte sich der Konzern zuversichtlich, gestärkt aus der Krise gehen zu können.
Dabei sieht Busch zwei Trends für die Post-Corona-Zeit. So erwartet der Manager, dass die Digitalisierung Geschäfte noch stärker durchdringen und ein Wettbewerbsvorteil sein wird. Zudem werde es "zu einer mitunter tiefgreifenden Neujustierung der Fertigungs- und der Lieferketten kommen", schätzt er. Es habe sich gezeigt, wie anfällig diese seien. "Ich bin überzeugt, dass künftig auch wieder in Hochlohnländern wettbewerbsfähig produziert werden kann, und zwar durch mehr Automatisierung und IoT-Technologien, also durch die Verknüpfung der realen und der digitalen Welt." Für Siemens böten sich hier langfristig "große Chancen".
Seine Neuausrichtung hin zum Kerngeschäft Digitalisierung treibt Siemens daher weiter voran. So hält der Konzern am Zeitplan für die Abspaltung und die Börsennotierung seines Energiegeschäfts fest. Seit 1. April fungiert Siemens Energy als eigenständige Einheit. In dem Geschäft ist neben der Sparte Gas and Power auch die Beteiligung am Windanlagenbauer Siemens Gamesa enthalten. Im September soll die Börsennotierung erfolgen. Die Aktionäre sollen in einer außerordentlichen Hauptversammlung am 9. Juli darüber abstimmen.
Dazu schmiedet Siemens weitere Abspaltungspläne. So soll die Antriebstochter Flender ausgegliedert und an der Börse notiert werden. Die Produkte des Unternehmens werden in Windkraftanlagen sowie zahlreichen anderen Industriebereichen eingesetzt. Dabei will Siemens den Bereich Wind Energy Generation in Flender integrieren. Beide Unternehmen werden derzeit als sogenannte "Portfolio Companies" geführt. Das neue Unternehmen kommt auf einen Pro-forma-Umsatz von rund zwei Milliarden Euro. Die Aktionäre sollen auf der Hauptversammlung im Februar 2021 darüber entscheiden.
Weiter offen bleibt die strategische Überprüfung der Zugsparte. Hier nimmt sich Siemens mehr Zeit als geplant und will zum vierten Geschäftsquartal Ergebnisse vorstellen. Dabei sieht sich der Konzern, der das Zuggeschäft als "integralen Bestandteil" sieht, nicht unter Zeitdruck.
Siemens unterbricht Aktienrückkaufprogramm
Der Technologiekonzern setzt sein drei Milliarden Euro schweres Aktienrückkaufprogramm aus. Das Programm werde wegen der Abspaltung von Siemens Energy unterbrochen, teilte das Unternehmen am Freitag in München mit. Dies habe allein regulatorische Gründe. Nach der Abspaltung sollen die Aktienrückkäufe fortgesetzt werden. Bislang hat Siemens im Rahmen des Programms 2,4 Milliarden Euro zurückgekauft.
Siemens lässt sich bei Zuggeschäft mehr Zeit
Siemens lässt sich bei der strategischen Überprüfung seiner Zugsparte Mobility mehr Zeit. Die Ergebnisse will Siemens nun zum vierten Geschäftsquartal (per Ende September) veröffentlichen, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Roland Busch am Freitag in München. Ursprünglich war dies zum zweiten Quartal geplant. Dabei sieht er Siemens nicht unter Zeitdruck. Das Geschäft trotze der Corona-Krise. Dabei bezeichnete er die Sparte als "integralen Bestandteil" von Siemens.
"Die Konsolidierung am Markt beobachten wir sehr aufmerksam", sagte Busch mit Blick auf die Fusionspläne von Alstom mit Bombardier. Siemens werde das Portfolio "selektiv verstärken, immer wenn sich Gelegenheiten ergeben". Siemens hatte das Zuggeschäft eigentlich mit dem französischen Konkurrenten Alstom fusionieren und an die Börse bringen wollen, scheiterte aber an der europäischen Wettbewerbsbehörde. Seitdem wird immer auch mal wieder über einen Börsengang von Mobility spekuliert.
Siemens-Aktie sehr stark nach Zahlen, Ausblick und Flender-Abspaltung
Siemens-Aktien im Aufwind: Starke Geschäfte in einigen Sparten, ein besser als erwarteter Ausblick und eine angekündigte Ausgliederung haben am Freitag für ein kräftiges Kursplus im XETRA-Handel gesorgt. Zum Handelsschluss zogen die Aktien um 4,77 Prozent auf 88,33 Euro an.
Im Zuge der um sich greifenden Corona-Pandemie war im Februar Panik aufgekommen, die zwischen dem 20. Februar bis etwa Mitte März einen Börsencrash verursachte. In dessen Verlauf war auch die Siemens-Aktie heftig abgesackt und hatte rund 45 Prozent eingebüßt. Mit dem heutigen Kursgewinn hat das Papier seit seinem Tief am 19. März nun schon wieder 50 Prozent an Boden gut gemacht.
"Die Geschäftsentwicklung bei Siemens verlief krisenfester als erwartet", kommentierte Analyst Andreas Willi den Bericht zum zweiten Geschäftsquartal in einer ersten Einschätzung. Der Industriekonzern habe das Notwendige geliefert. Zugleich lobte er, wie auch Commerzbank-Bank-Experte Ingo Schachel, die Entwicklung und den gestiegenen Auftragseingang im Bereich Industrieautomation (Digital Industries).
Außerdem sei das operative Ergebnis (Ebita) des Industrie-Geschäfts stark gewesen, schrieb Schachel. Der erste Blick nämlich trüge, da in den durchschnittlichen Schätzungen der Analysten immer noch das Gas & Strom-Geschäft und Siemens Gamesa enthalten gewesen seien.
Zwei Händler verwiesen zudem darauf, dass Siemens für sein am 30. September zu Ende gehendes Geschäftsjahr nun einen nur "moderaten Umsatzrückgang" im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Sie beurteilten es darüber hinaus positiv, dass Siemens die Antriebstochter Flender an die Börse bringen will. Geplant ist laut Siemens, zuvor den Bereich Wind Energy Generation in Flender zu integrieren. Beide Siemens-Bereiche werden derzeit als sogenannte "Portfolio Companies" geführt. Das neue Unternehmen kommt auf einen Pro-forma-Umsatz von rund zwei Milliarden Euro. Siemens hält zudem am Zeitplan für die Börsennotierung von Siemens Energy fest.
/nas/stk
MÜNCHEN (dpa-AFX)
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