ifo-Institut und IWH kappen Prognose für deutsches Wirtschaftswachstum in 2024
Das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat seine Vorhersage für das deutsche Wirtschaftswachstum 2024 von 1,4 Prozent auf 0,9 Prozent gesenkt.
Für 2025 erwartet es eine leichte Beschleunigung auf 1,3 Prozent, bislang hatte das Institut 1,2 Prozent vorhergesagt. Für 2023 wird ein BIP-Rückgang um 0,3 Prozent erwartet. "Die Entwicklung im letzten Vierteljahr 2023 dürfte schwächer ausfallen als bislang gedacht, das wirkt sich dann auch im kommenden Jahr aus", sagte ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser zur Begründung. Unsicherheit verzögere derzeit die Erholung, da sie die Sparneigung der Verbraucher erhöhe und die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und privaten Haushalten senke.
Grundsätzlich seien aber die Weichen auf Erholung gestellt. Die Löhne stiegen kräftig, die Beschäftigung sei so hoch wie nie zuvor, damit kehre die Kaufkraft zurück und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sollte wieder zulegen. Zudem habe man die Höchststände beim Zinsniveau hinter uns gelassen. Der Preisauftrieb verlangsame sich. In der zweiten Jahreshälfte werde die Inflationsrate 2 Prozent erreichen. Hierzu trügen vor allem sinkende Energiepreise bei. Das Institut sieht die Inflationsrate 2023 bei 5,9 Prozent, 2024 bei 2,2 Prozent und 2025 bei 1,8 Prozent. Doch die Inflation der konsumnahen Dienstleistungen werde noch eine Weile deutlich über 3 Prozent liegen, da dort kräftig steigende Löhne zu Buche schlügen.
Die privaten Konsumausgaben sollen nach der Prognose dieses Jahr um 1,1 Prozent sinken, nächstes dann aber um ebenfalls 1,1 Prozent und übernächstes um 1,7 Prozent steigen. Für die Ausrüstungsinvestitionen veranschlagt des ifo-Institut Zuwächse von 3,8 Prozent im Jahr 2023, 1,5 Prozent 2024 und 2,9 Prozent 2025. Die Zahl der Arbeitslosen wird nach der Prognose im laufenden Jahr auf 2,609 Millionen und im kommenden auf 2,691 Millionen steigen, 2025 dann aber wieder auf 2,579 Millionen sinken. Die Quote soll 5,7 Prozent dieses, 5,9 Prozent nächstes und 5,6 Prozent übernächstes Jahr betragen.
Der international viel kritisierte Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz werde 2023 auf 285 Milliarden von 171 Milliarden Euro im Jahr 2022 springen. Im kommenden Jahr werde er sogar 316 Milliarden Euro erreichen. Das wären dann 7,5 Prozent der Jahres-Wirtschaftsleistung, so das ifo-Institut. Für die Exporte werden ein Rückgang um 2,0 Prozent in diesem und Zuwächse von 1,3 Prozent im kommenden und 3,6 Prozent im übernächsten Jahr gesehen, für die Importe ein Minus von 3,2 Prozent 2023 und ein Plus von 0,9 Prozent 2024 und von 4,3 Prozent 2025.
IWH senkt Wachstumsprognose für kommendes Jahr
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat seine Prognose für die Wirtschaftsentwicklung im kommenden Jahr gesenkt. Das IWH sagte voraus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2023 um 0,3 Prozent sinken und im Jahr 2024 um 0,5 Prozent expandieren dürfte. Für 2025 rechnet das Institut unverändert mit einem BIP-Zuwachs um 1,2 Prozent. Im September waren die IWH-Konjunkturforscher noch von einem Minus von 0,5 Prozent im Jahr 2023 ausgegangen und hatten einen Zuwachs von 0,9 Prozent für das kommende Jahr erwartet.
"Im Winter 2023/2024 ist die deutsche Wirtschaft weiter im Abschwung", stellte das IWH fest. Teile der Industrie hätten an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, die Realeinkommen seien inflationsbedingt im Jahr 2023 zurückgegangen, und es herrsche Unsicherheit über den Kurs der Finanzpolitik. Allerdings dürften wieder steigende Realeinkommen und etwas anziehende Exporte ab dem Frühjahr für eine Belebung sorgen. "Deutschland wartet auf den Aufschwung", erklärte das Institut.
Die Inflation wird nach der Prognose von 6,0 Prozent in diesem Jahr auf 3,0 Prozent im kommenden und 2,1 Prozent im übernächsten Jahr zurückgehen. Die Zahl der Arbeitslosen wird sich demnach 2023 auf 2,609 Millionen und 2024 weiter auf 2,673 Millionen erhöhen, bevor sie 2025 wieder auf 2,557 Millionen fällt. Die Arbeitslosenquote liegt nach den Berechnungen des Berliner Instituts dieses Jahr bei 5,7 Prozent, nächstes bei 5,8 Prozent und übernächstes bei 5,5 Prozent. Für das Staatsdefizit erwartet das IWH einen deutlichen Rückgang auf 1,3 Prozent des BIP im kommenden und 0,6 Prozent im übernächsten Jahr nach 2,0 Prozent im laufenden Jahr.
Verarbeitendes Gewerbe verliert an Wettbewerbsfähigkeit
Die deutsche Wirtschaft sei nach dem Ende der Corona-Pandemie nicht wieder auf ihren alten Wachstumspfad zurückgekehrt. Wichtige Bereiche des verarbeitenden Gewerbes hätten an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, insbesondere die Automobilindustrie im Zuge des Umstiegs von Verbrennern auf Elektromotoren und die Chemiebranche aufgrund der höheren Energiepreise in Europa. Dazu komme eine derzeit schwache Weltnachfrage nach Industriegütern. Zudem sei die Inflation in Deutschland immer noch hoch, und die Realeinkommen seien längere Zeit über zurückgegangen.
Die geldpolitische Straffung habe die zuvor außerordentlich günstigen Finanzierungsbedingungen verschlechtert, was insbesondere die Bauwirtschaft belaste. Zudem müsse sich die Wirtschaft seit dem Verfassungsgerichtsurteil zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 vom November auf neue Belastungen einstellen. "Für den Winter zeichnet sich keine Besserung der Konjunktur ab", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. "Allerdings wird im Verlauf des Jahres 2024 der Konsum von wieder steigen-den Reallöhnen gestützt werden, und die deutsche Exportindustrie dürfte davon profitieren, dass sich nach und nach wohl auch die internationale Nachfrage nach Gütern des Verarbeitenden Gewerbes wieder belebt."
Ein Risiko für die Prognose liegt laut IWH darin, dass noch nicht im Detail bekannt ist, wie die Politik auf das Verfassungsgerichtsurteil reagiert. "Es könnte zu einem Verlust an Vertrauen in die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen kommen, wenn die einmal versprochene Förderung einer Vielzahl von Investitionsprojekten wegfiele oder stark reduziert würde", sagte Holtemöller. Auch könnte das Vertrauen in die klimaneutrale Erneuerung der Wirtschaft verlorengehen, denn der von der Politik bislang propagierte Weg führe vor allem über die staatliche Subventionierung grüner Investitionen. Solche Vertrauensverluste könnten "auch kurzfristig die Konsum- und Investitionsbereitschaft in Deutschland stärker belasten als in der vorliegenden Prognose unterstellt".
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)
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