Schulden ohne Ende

Die Lösung in der Weltschuldenkrise

12.05.13 17:30 Uhr

Der Höhepunkt der weltweiten Schuldenkrise steht uns noch bevor. Alles, was bislang unternommen wurde, hat nur zu einer Insolvenzverschleppung in den wichtigsten Industriestaaten geführt.

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Eckart Langen von der Goltz, Gastautor von Euro am Sonntag

Die Weltwirtschaft ist ein Kartenhaus voller Schulden. Insgesamt betragen diese weltweit circa 350 Billionen Dollar. Dem gegenüber steht eine Wirtschaftsleistung von nur etwa 65 Billionen Dollar. Wir schwimmen nicht in Geld, wie überall behauptet wird, wir schwimmen in einem Meer von Schulden.

Alle Befürchtungen in puncto Hyperinflation oder Währungsreform sind deshalb unbegründet. Im Gegenteil, es drohen Deflation und Depression. Stellt man sich die Weltwirtschaft als überschuldete Firma vor, gibt es nur drei Möglichkeiten: Erstens, die Firma wächst und verdient mehr Geld, zweitens, sie vereinbart einen Schuldenerlass mit den Gläubigern, oder drittens, sie geht bankrott.

Die meisten bis dato gemachten Vorschläge vieler Experten und Politiker haben zu keiner echten Lösung in der Schuldenkrise geführt. Die Idee, dass Staaten wie Deutschland zu Zahlmeistern Europas werden, ist nicht realistisch. Eine gesamtschuldnerische Haftung für die EU würde Deutschland und letztlich auch Europa ruinieren.

Eine Entschuldung durch Kaputtsparen und Steuererhöhungen, wie sie bereits in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Frankreich praktiziert wird, hat zu noch höheren Staatsschulden geführt. Einkommensteuererhöhungen und Vermögensteuern haben zu keinerlei Schuldenabbau beigetragen. Die Privatwirtschaft ist heute wesentlich höher verschuldet als der Staat. Weitere Belastungen hätten deswegen fatale Auswirkungen auf Investitionen und das Konsumverhalten. Auf Dauer würde das Steueraufkommen dadurch noch weiter sinken.

Unser gesamtes Wirtschaftssystem basiert auf immer mehr Schulden. Europa befindet sich in einer Kreditklemme. Aber ohne neue Kredite wird es weder Wachstum noch neuen Wohlstand geben. Würden Autos, Immobilien und Maschinen nicht mit Fremdkapital finanziert werden, bräche unser Wirtschaftssystem zusammen, Massenarbeitslosigkeit wäre die Folge.

Indirekter Schuldenerlass durch die Notenbanken
An eine Rückzahlung der jetzigen Schuldenlast ist niemals mehr zu denken. Die Privatwirtschaft ist heute mit fast 300 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt verschuldet. Sie kann weder Staat noch Banken retten. Im Gegenteil, sie braucht selbst einen Schuldenerlass, damit sie wieder auf die Beine kommt. Die Steuereinnahmen decken nicht einmal die laufenden Staatsausgaben. Der Schuldenberg wächst unaufhörlich weiter. Zum Abbau des Schuldenbergs brauchen wir einen riesigen Wachstumsschub. Doch woher soll der kommen, wenn wir uns kaputtsparen und die Kreditvergaben stocken?

Manche Experten, wie Professor Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, wollen es sogar auf Staatspleiten und eine Depression ankommen lassen. Das wäre verheerend. Es würde zu einem Crash wie in den 1930er-Jahren führen. Anschließend müssten die Staaten noch mehr Schulden machen, um aus dieser Misere herauszukommen.

Lasst doch einfach Staaten und Banken bankrottgehen, fordern etliche Finanzexperten. Welcher Wahnsinn! Beppe Grillo von der Fünf-Sterne-Bewegung Italiens meint, dass sein Land Staatsschulden gar nicht mehr oder nur zu einem Teil zurückzahlen soll. Ein derartiger Schuldenschnitt würde für die italienischen Banken, Versicherungen, Pensions­fonds und Privatanleger, die in Staatsanleihen investiert sind, zu einem finanziellen Desaster mit höchster Ansteckungsgefahr für die EU und einem verheerenden Ausmaß für die Weltwirtschaft führen.

Auch eine kalte Enteignung von Bankein­lagen, wie auf Zypern geschehen, führt nicht zu einer Lösung. Sparer sollen künftig bei Bankpleiten haften, fordern die Finanzminister der Eurozone. Doch falls in der EU ein systemrelevantes Geldinstitut vor dem Bankrott stünde, wäre mit diesen Vorschlägen ein Run auf andere Banken programmiert.

Nur noch ein Schuldenerlass der Noten­banken durch die Hintertür kann den Bankrott der total überschuldeten Privatwirtschaft, Staatspleiten und damit eine neue Weltwirtschaftskrise verhindern. Ohne eine dauerhafte Staatsfinanzierung mittels Notenpresse lassen sich die Probleme nicht mehr bewältigen. Japan und die USA praktizieren diese Lösung, sogar ohne drastische Sparauflagen wie in der EU, seit Jahren.

Zur Überwindung der Weltschuldenkrise müssen Entscheidungen getroffen werden, die bislang undenkbar schienen. Der Lösungs­weg, den ich favorisiere, ist der indirekte Schuldenerlass durch die Notenbanken. Dazu muss die EZB EU-Staatsanleihen in Höhe von circa drei bis vier Billionen Euro aufkaufen. Diese Anleihen müssen dann auf 30 bis 40 Jahre zinslos verlängert werden, bis sie sich schließlich durch Inflation stark entwerten. Ansatzweise wird dieser Weg von der EZB bereits in Irland beschritten. Dort wurde eine Streckung der Rückzahlung von 30 Milliarden Euro auf vier Jahrzehnte geduldet. Durch diesen Bilanztrick kommt es zu einem faktischen Schuldenerlass — immer noch der beste unter all den schlechten Lösungsansätzen.

Auf lange Sicht steigende
Inflationsraten notwendig

Der Preis, den wir für die Rettung unserer Weltwirtschaft zahlen müssen, wären zu einem späteren Zeitpunkt Inflationsraten von mehr als drei Prozent. Das aber ist besser, als einen Zusammenbruch der Weltwirtschaft zu riskieren. Erst durch einen solchen indirekten Schuldenerlass können neue Staatsausgaben zur Wiederbelebung der Wirtschaft wieder finanzierbar werden.

Dazu brauchen wir sinnvolle und umweltfreundliche Investitionen. Wenn wir künftig wettbewerbsfähig bleiben und die hohe Arbeitslosigkeit abbauen wollen, müssen 1.000 bis 2.000 Milliarden Euro für unsere Forschung, Infrastruktur, erneuerbare Energien und vor allen Dingen für unser Bildungssystem ausgegeben werden.

Angesichts der anhaltenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten sollten sich die Vermögensinhaber zunächst mit Vermögens­sicherung beschäftigen. Denn im letzten Akt der Krise kann ein bis dahin reformiertes ­Europa zu einer der interessantesten Anlage­regionen werden. Wer alles Geld allerdings jetzt schon in Sachwerte investiert, versäumt später die besten Gewinnchancen an den Finanzmärkten. Zudem käme es bei einer möglichen Wiedereinführung der Vermögensteuer oder einer Besteuerung von Immobilien wie in Italien schnell wieder zu einer Ernüchterung auf den Immobilienmärkten.

Wir setzen deshalb auf unterbewertete und finanziell saubere Spezialaktien, die ein großes Kurspotenzial aufweisen, müssen aber nicht immer in Aktien investiert sein. Denn für Kunden einer Vermögensverwaltung ist es nicht akzeptabel, wie ein Aktien- oder Mischfonds zeitweise mehr als 30 Prozent Verlust hinzunehmen. Abwarten ist da manchmal die bessere Lösung. Ein interessantes Investment bleibt auf Dauer Gold — auch wenn der Preis weiter fallen sollte.

zur Person:

Eckart Langen von der Goltz
Gründer der PSM Vermögens­verwaltung

Geboren in Berlin und aufgewachsen in ­München, studierte Eckart Langen von der Goltz Volkswirtschaft. 1965 gründete er die PSM in Grünwald bei München, die eine der ältesten ­bankenunabhängigen ­Vermögensverwaltungen Deutschlands ist.
Aktuell verwaltet die PSM rund 900 Millionen Euro Kundengelder. Bis auf das Jahr 2001 mit einem ­Minus von 0,35 Prozent erzielte das PSM-Privatdepot seit dem Start im Jahr 1999 eine stete Wertsteigerung ohne ­Verlustjahr.