Scholz stellt schriftlich die Vertrauensfrage im Bundestag
Von Andrea Thomas
DOW JONES--Bundeskanzler Olaf Scholz (SDP) hat wie erwartet schriftlich die Vertrauensfrage gestellt. Ein entsprechendes Schreiben wurde an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) geschickt. "Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute (Mittwoch) Vormittag in seinem Büro im Bundeskanzleramt den schriftlichen Antrag zur Vertrauensfrage gemäß Artikel 68 Grundgesetz unterzeichnet", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Scholz will die Vertrauensfrage kommenden Montag im Bundestag erläutern und dann in einer Abstimmung absichtlich verlieren. Grund für die Vertrauensfrage ist der Bruch der Ampelkoalition zwischen SPD, Grünen und FDP am 6. November aufgrund von unterschiedlichen Vorstellungen in Haushalts- und Finanzfragen. Scholz hatte die FDP-Minister daraufhin aus ihrem Amt entlassen.
"Gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle ich den Antrag, mir das Vertrauen auszusprechen", heißt es in dem schriftlichen Antrag. "Ich beabsichtige, vor der Abstimmung am Montag, dem 16. Dezember 2024, hierzu eine Erklärung abzugeben." Das Schreiben ist laut Hebestreit im Anschluss von einem Beschäftigten des Bundeskanzleramtes dem Büro der Bundestagspräsidentin überbracht worden. Der Bundestag werde den Antrag zeitnah auf seiner Homepage veröffentlichen. Die Debatte über die Vertrauensfrage im Bundestag sei für kommenden Montag, den 16. Dezember, ab 13.00 Uhr vorgesehen.
Sollte Scholz wie erwartet die Vertrauensfrage verlieren, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen und Neuwahlen ausrufen. Die vorgezogene Bundestagswahl wird dann voraussichtlich am 23. Februar 2025 stattfinden. Für das Aussprechen des Vertrauens würde Scholz eine absolute Mehrheit der Abgeordnetenstimmen benötigen. Aktuell gibt es 733 Abgeordnete. Damit wären 367 Stimmen nötig.
In der jüngsten Umfrage des Instituts Forsa liegt die Union von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz deutlich in Führung mit 31 Prozent der Stimmen, während die AfD bei 18 Prozent auf dem zweiten Platz und die SPD von Kanzler Scholz mit 17 Prozent auf Rang drei liegt. Ihr Koalitionspartner, die Grünen, liegt bei 13 Prozent und die aus der Regierung ausgeschiedene FDP bei 4 Prozent. Das erstmals antretende BSW liegt in der Umfrage bei 4 Prozent und die Linke bei 3 Prozent.
Bislang wurde seit Gründung der Bundesrepublik im Bundestag fünfmal von einem Kanzler die Vertrauensfrage gestellt. Willy Brandt (SPD) wurde 1972, Helmut Schmidt (SPD) 1982 und Gerhard Schröder (SPD) 2005 das Vertrauen entzogen und der Bundestag aufgelöst. In zwei Fällen sprach eine Mehrheit im Bundestag dem Kanzler das Vertrauen aus, sodass er weiterregieren konnte, nämlich am 3. Februar 1982 bei Helmut Schmidt (SPD) im Zuge des Nato-Doppelbeschlusses und am 16. November 2001 bei Gerhard Schröder im Zuge des Afghanistan-Einsatzes.
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December 11, 2024 09:00 ET (14:00 GMT)