Scharfe Kritik

Verdi: Ryanair-Schließungspläne treffen etwa 350 Flugbegleiter - Ryanair-Aktie verlustreich

22.07.20 17:08 Uhr

Verdi: Ryanair-Schließungspläne treffen etwa 350 Flugbegleiter - Ryanair-Aktie verlustreich | finanzen.net

Der angekündigte Rückzug der irischen Billigairline von deutschen Standorten wie dem Hunsrück-Flughafen Hahn stößt bei Arbeitnehmervertretern auf scharfe Kritik.

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"Es ist nicht auszuschließen, dass die Gewerkschaften mit der Ankündigung in den laufenden Verhandlungen unter Druck gesetzt werden sollen", sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Sven Bergelin am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Die Billigairline will zum 1. November ihre Basis in Hahn schließen. Auch den Standorten in Berlin-Tegel und im nordrhein-westfälischen Weeze droht noch vor dem Winter das Aus, wie Malta Air in einem internen Schreiben mitgeteilt hatte. Darin spricht die Airline auch für weitere Standorte wie Köln, Frankfurt und Berlin-Schönefeld von einem erheblichen Personalüberhang sowie von einem leichten Überhang an den Flughäfen Karlsruhe/Baden-Baden und Memmingen.

Von den Plänen sind nach Verdi-Angaben etwa 350 der rund 1000 Flugbegleiter der Ryanair-Tochter Malta Air in Deutschland betroffen, der Großteil vermutlich am Berliner Standort Tegel. "Von den in Summe 350 Stellen könnten 150 bis 200 in Tegel wegfallen", sagte Bergelin. Malta-Air-Personalchef Shane Carty hatte angekündigt, die Piloten in Hahn bekämen noch in dieser Woche ihre Kündigung.

Der Hunsrück-Airport äußerte sich am Mittwoch nicht zu der angekündigten Schließung und verwies auf Ryanair. Die Airline wollte am Mittwoch aber keine weiteren Details zu ihren Plänen nennen. "Ryanair hat dem nichts weiter hinzuzufügen", betonte eine Sprecherin.

Bei Ryanair tobt ein Streit mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) über Gehaltskürzungen in der Corona-Krise. Die bei der Ryanair-Tochter Malta Air beschäftigten Piloten aus Deutschland hatten die Vorschläge der Airline abgelehnt. Nach VC-Angaben sind von angedrohten Kündigungen bis zu 170 Piloten betroffen. Ryanair hat wie viele andere Fluggesellschaften seit März extrem unter der Corona-Krise gelitten, viele ihrer Maschinen mussten wegen Reisebeschränkungen längere Zeit am Boden bleiben. Ryanair steht wegen Niedriglöhnen in der Kritik - die Gewerkschaft Verdi hat ihr vorgeworfen, die Corona-Krise für Sozialdumping zu missbrauchen.

Am defizitären Hunsrück-Airport, der aus Marketinggründen offiziell Flughafen Frankfurt-Hahn heißt, obwohl die Mainmetropole 120 Kilometer entfernt liegt, ist Ryanair der Platzhirsch im Passagiergeschäft. Der rheinland-pfälzische CDU-Fraktionsvize Alexander Licht warnte, die Ryanair-Pläne dürften nicht "der Anfang vom Ende" für den Hahn - wie der Flughafen auch genannt wird - sein. Die Region sei verunsichert. "Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel."

Der Flughafen Hahn gehört zu 82,5 Prozent dem chinesischen Konzern HNA und zu 17,5 Prozent dem Land Hessen.

Andere Beobachter zeigten sich zuversichtlicher. Die Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen Hahn teilte der dpa mit, das angekündigte Aus für den Standort sei zwar "ein herber Schlag" für die strukturschwache Region. "Wir erwarten hier aber keine komplette Aufgabe des Betriebs von Ryanair, sondern eine Reduzierung ihrer Flüge." Schon jetzt habe Ryanair nur noch ein oder zwei Flugzeuge am Hahn stationiert - nach bis zu zwölf in früheren Jahren.

Der Flughafen Weeze am Niederrhein, bei dem mehr als 90 Prozent der Verbindungen Ryanair-Flüge sind, sieht sich ebenfalls einer unsicheren Zukunft gegenüber. Man beobachte die laufenden Verhandlungen und müsse das Ergebnis abwarten, sagte Geschäftsführer Ludger van Bebber der dpa. Er wies darauf hin, dass eine Schließung von Basen nicht automatisch gleichbedeutend mit der Aufgabe von Flugverbindungen sei. "Letztlich ist nicht die Zahl der stationierten Flugzeuge entscheidend, sondern das Passagiervolumen." Eine Schließung der Basis habe aber zumindest unmittelbare Auswirkungen auf Piloten und Crew-Mitglieder, die im direkten Umfeld leben - da die Flugzeuge dann nicht mehr über Nacht in Weeze bleiben würden.

Ryanair hat wie viele andere Fluggesellschaften seit März sehr stark unter der Corona-Krise gelitten. Im Juni verzeichnete das Unternehmen nach eigenen Angaben einen Rückgang der Passagierzahlen um 97 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Da viele Staaten ihre Reisebeschränkungen inzwischen gelockert haben, entspannte sich die Lage im Juli etwas. Viele Ryanair-Maschinen sind wieder am Himmel über Europa unterwegs: Die Fluggesellschaft wirbt im Kampf um Passagiere derzeit massiv mit besonders günstigen Angeboten.

Im vergangenen Geschäftsjahr 2019/20 beförderte Ryanair 148,6 Millionen Passagiere, rund 4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Ohne die Covid-19-Ausbreitung hätten gut 5 Millionen Passagiere mehr befördert werden können, teilte das Unternehmen im Mai mit.

Ryanair-Chef Michael O'Leary wetterte in zahlreichen Interviews gegen Corona-Maßnahmen wie Quarantänepflicht und kritisierte auch scharf die Lufthansa-Staatshilfen in Milliarden-Höhe. "Dies ist ein spektakulärer Fall, in dem ein reicher EU-Mitgliedstaat die EU-Verträge zum Nutzen seiner nationalen Industrie und zum Nachteil ärmerer Länder ignoriert", sagte O'Leary und kündigte an, deswegen vor das Gericht der Europäischen Union zu ziehen.

Die Ryanair-Aktie verliert am Mittwoch in London zeitweise 1,17 Prozent auf 11,00 Euro.

(dpa-AFX)

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