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Sparpolitik und Finanzierbarkeit sind die größten Hürden bei Infrastruktur-Projekten

24.11.15 12:15 Uhr

Sparpolitik und Finanzierbarkeit sind die größten Hürden bei Infrastruktur-Projekten | finanzen.net

Trotz des Investitionsbedarfs für Maßnahmen zur Erhaltung oder zum Ausbau von Infrastruktur ist die Anzahl der Transaktionen seit 2009 in der EU nicht gestiegen.

Standard & Poor’s Ratings Services verzeichnet keinen nennenswerten Anstieg bei staatlich finanzierten Infrastrukturprojekten. Einer Untersuchung von Standard & Poor’s zufolge nutzen Regierungen die derzeitig vorhandene Liquidität, die niedrigen Zinsen und geringen Risikoaufschläge nicht voll aus. Sparpolitik und Finanzierbarkeit - das scheinen die größten Hürden zu sein, wenn es darum geht, öffentliche Gelder für Infrastrukturprojekte bereitzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt Standard & Poor’s in dem kürzlich veröffentlichten Kommentar "EU-Infrastructure: Tackling The Funding Deficit To Unlock The Financing Surplus". Massiver Investitionsbedarf droht ungedeckt zu bleiben Über die nächsten 15 Jahre werden die G20-Staaten 15 bis 20 Billionen USD in Infrastruktur investieren müssen, um mit dem Wirtschaftswachstum Schritt zu halten, bzw. es zu befeuern. Dies meint jedenfalls die B20, ein Zusammenschluss unabhängiger Wirtschafts- und Interessensverbände aus den G20-Staaten.

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Die Frage ist, was den Mittelfluss hemmt, und wie die Lücke zwischen fehlender öffentlicher Infrastrukturfinanzierung und dem Mittelüberschuss im privaten Sektor geschlossen werden kann. Die hohe Schuldenlast und finanzielle Zwänge im Etat scheinen die Regierungen von EU-Staaten von der Finanzierung von Infrastrukturprojekten abzuhalten. Dem stimmen auch Entscheidungsträger aus der Politik und Experten aus der Industrie zu, die wir befragt haben. Ihrer Ansicht nach sind Erschwinglichkeit und Sparpolitik die beiden größten Hindernisse für die Vergabe öffentlicher Mittel an Infrastrukturprojekte.

Geographische Unterschiede in der Finanzierungsbereitschaft

Weitere Hemmnisse stellen Aspekte wie regulatorische Beschränkungen, kurzfristiges Denken in der Politik und mangelnde strategische Planung dar. Auch geografische Unterschiede innerhalb der EU beim Thema Infrastrukturfinanzierung sind festzustellen. So sehen sich Länder im Süden und Osten der EU größeren politischen und wirtschaftlichen Risiken mit entsprechend niedrigeren verfügbaren Mitteln gegenüber als Länder im Norden oder Westen. Rechtliche Aspekte oder Korruption seien aber kein wesentlicher Hinderungsgrund für Investitionen. Den meisten Entscheidungsträgern scheint die Bedeutung von Infrastruktur für wirtschaftliches Wachstum durchaus bewusst zu sein.
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Public Private Partnerships als ein Lösungsansatz

Eine bessere und effizientere Nutzung von Public-Private Partnerships (PPP) könnte diese Finanzierungslücken schließen. Dem Mangel an Förderungen von Infrastrukturprojekten durch den öffentlichen Sektor steht eine aktuell besonders hohe Investitionsbereitschaft des privaten Sektors gegenüber. Eine Antwort auf die derzeitigen Investitionshemmnisse könnte daher das Zusammenbringen beider Sektoren in Form von Public Private Partnerships (PPP) sein. Mit Hilfe der in Europa keinesfalls neuen PPP kann der dringenden Notwendigkeit von Infrastrukturprojektförderungen durch private Finanzierung und der Nachfrage nach langfristigen und stabilen Anlagen begegnet werden. Gleichwohl leidet der stark fragmentierte PPP Markt in den letzten Jahren unter der stetig sinkenden Zahl an Projekten. Es gilt deshalb auf der einen Seite verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen und auf der anderen Seite sowohl die technische Expertise öffentlicher Akteure als auch ihre Kapazitäten zu erhöhen, um adäquate Verhandlungen mit dem öffentlichen Sektor zu ermöglichen.

Von Michael Wilkins, Primary Credit Analyst und Head of Infrastructure Research bei Standard & Poor’s Ratings Services London

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Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de



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Bildquellen: Andreas Hermsdorf / pixelio.de