EZB Stresstest: Bestanden ja, aber mit Schwächen
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 26. Oktober 2014 die Ergebnisse ihrer Stresstests zu europäischen Banken veröffentlicht.
In den nächsten Tagen und Wochen werden wir bei Standard & Poor’s Ratings Services die Erkenntnisse aus den Ergebnissen des EZB-Tests in unsere Analysen einarbeiten. Wir rechnen wenn überhaupt nur mit einer begrenzten Zahl von Ratingänderungen. Herabstufungen könnten sich für solche Banken ergeben, deren aktuelle Bewertungen nicht alle neuen Informationen bereits berücksichtigen, selbst wenn sie die Tests bestanden haben.
Auf den ersten Blick haben mit 25 mehr Banken als erwartet die umfassenden Tests der EZB nicht bestanden. Dies hängt damit zusammen, dass in die von der EZB veröffentlichten Kapitallücken die Maßnahmen nicht eingeflossen sind, die die Banken erst in diesem Jahr zur Verbesserung ihrer harten Kernkapitalquote (Common Equity Tier 1, CET1) getroffen haben. Wenn man die 2014 getroffenen Kapitalmaßnahmen sowie diverse Umstrukturierungspläne berücksichtigt, sinkt die Zahl derer, die den Test nicht bestanden haben, auf nur noch sieben Banken.
Trotz bestandener Tests: Weiterhin wesentliche Anfälligkeiten
Obwohl die überwältigende Mehrheit der Banken die EZB-Tests bestanden haben, so zeigen die Tests auch, dass weiterhin wesentliche Anfälligkeiten bleiben. Unter anderem wären bei konservativeren Vorgaben zur Kreditklassifizierung und zur Bewertung der Vermögenswerte Buchwerte niedriger und der Umfang an notleidenden Krediten höher ausgefallen. Die Ergebnisse des Stresstests weisen darauf hin, dass italienische Banken am meisten betroffen sind. Die Ergebnisse sind allerdings von Land zu Land nicht einfach zu vergleichen. Die Stress-Tests bezogen sich auf zwei verschiedene Szenarien:
• Ein "Basisszenario", bei dem von einem kumulierten realen BIP-Wachstum in der EU über drei Jahre hinweg von 5,4 Prozent ausgegangen wurde, was über der derzeitigen Konsens-Prognose liegt
• Ein "Szenario unter erschwerten Bedingungen", bei dem von einem kumulierten realen Rückgang des BIP um etwa 2,1 Prozent über den gesamte Zeitraum von drei Jahren ausgegangen wurde.
Der Durchschnittswert verdeckt jedoch die unterschiedlichen länderspezifischen Annahmen eines kumulierten Rückgangs des BIP von etwa minus 4 Prozent in Finnland, minus 3 Prozent in Italien, minus 2,3 Prozent in Deutschland, bis hin zu nur etwa minus 1 Prozent in Frankreich und Spanien.
Kapitalstärkende Maßnahmen als eigentlicher Nutzen der Tests
Es bleibt abzuwarten, ob die Überprüfung die seit langem bestehenden Probleme der Banken adressiert hat und diesbezügliche Bedenken der Marktteilnehmer etwas abgemildert werden konnten. Wie bei früheren Stresstests sehen wir auch dieses Mal die Tatsache, dass die Banken in Erwartung der Bilanzprüfungen bereits kapitalverstärkende Maßnahmen ergriffen haben, als den eigentlichen Nutzen an.
Außerdem sehen wir die verbesserte Transparenz als positiv an, da sie die Marktdisziplin verbessert und es den Marktteilnehmern ermöglicht, eigene Berechnungen anzustellen. Allerdings sind wir der Auffassung, dass die Verwendung eines konsistenten und stringenteren makroökonomischen Szenarios den Marktteilnehmern mehr Einblick in potentielle Anfälligkeiten ermöglicht hätte.
Tests allein können Probleme nicht lösen
Insgesamt ist zu betonen, dass die Tests allein die Probleme der Banken nicht lösen können. Das hohe Schuldenniveau sowohl im öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft und die begrenzte Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich in einzelnen Volkswirtschaften bleiben bestehen. Da die Bilanzen der Banken nur eine Art Spiegelbild der gesamtwirtschaftlichen Situation sind, wäre es wichtig, dass das Vertrauen in die Fähigkeit der Politik, die Krise zu überwinden, zurückkehrt.
Zudem ist der Reformprozess in der Bankenlandschaft noch in vollem Gang. Es bestehen nach wie vor Unklarheiten bezüglich des Auslaufens staatlicher Unterstützungen und der möglichen Maßnahmen seitens der Behörden um sicherzustellen, dass notleidende Banken in einer Krise abgewickelt werden können.
Von Stefan Best, Standard & Poor’s Ratings Services Frankfurt
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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