Europäische Unternehmen konzentrieren sich 2015 auf Zukäufe im Ausland
Europas Unternehmen werden sich in diesem Jahr weiter nach M&A-Möglichkeiten im Ausland umsehen, da die Erträge in den eigenen Märkten weiterhin stagnieren.
Diese Ansicht vertritt Standard & Poor’s im aktuellen European Corporate Credit Outlook 2015. Allerdings könnte sich dieser Trend hin zu einem Anstieg bei fremdfinanzierten M&A auf die Kreditratings auswirken.
Schwache Erholung der Inlandsumsätze 2015
In dem Bericht führt S&P aus, dass der europäische Unternehmenssektor weiterhin unter einer schwachen Marktentwicklung, gedämpften Investitionsausgaben sowie einer anhaltenden Kaufzurückhaltung leidet. Die Herausforderungen für die Unternehmen bleiben bestehen, und die kurz- und mittelfristigen Wachstumsmöglichkeiten bleiben gering.
Unserer Analyse zufolge stagniert das europäische Ertragswachstum seit 2012. Und für die schwächeren großen Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien zeichnen die jüngsten Trends ein noch schlechteres Bild. Während wir für alle Volkswirtschaften in Kontinentaleuropa für 2015 ein besseres BIP-Wachstum erwarten und auch das Wachstum in Großbritannien verhältnismäßig robust bleiben wird, dürfte dies nicht ausreichen, um eine Erholung der Inlandserträge voranzutreiben. Es bleibt eine schwache und instabile Erholung. So deutet auch unsere jüngste Global Corporate Capex Studie auf einen noch schwachen Ausblick für Investitionsausgaben hin, mit einem Rückgang der globalen realen Investitionsausgaben bei Unternehmen um 0,4 Prozent in diesem und 3,1 Prozent im nächsten Jahr.
Niedrige Inflation wirkt auf geratete Unternehmen
Die niedrige Inflation wirkt sich allmählich auf die Kreditwürdigkeit aus. Während wir in unserem Basisszenario für Europa nicht unmittelbar von einer Deflation ausgehen, so hat doch auch eine niedrige Inflation direkte Auswirkung auf viele von uns geratete Unternehmen. Dies gilt besonders für solche in einem regulierten Umfeld, z.B. Versorgungsunternehmen, Flughäfen, Schienen und Mautstrassen. Andere unregulierte Industrien sind auch betroffen - Mietpreis-Inflation im Immobiliensektor wirkt sich ähnlich aus. Ganz allgemein erschweren niedrige Inflationsraten es oft Kosten weiterzureichen.
Europäische Unternehmen trotz hoher Reserven vorsichtig - M&A-Trend bleibt
Europäische Unternehmen haben immer noch erhebliche Liquiditätsreserven. Mit 8,2 Prozent bewegen sie sich immer noch im Bereich des Niveaus von 2001. Aus unserer Sicht werden sie diese aber in Anbetracht des immer noch fragilen Bankensystems und des Misserfolgs vieler europäischer Volkswirtschaften, der Rezession zu entfliehen, sowie einer Vielzahl anderer makroökonomischer und politischer Risiken, vorsichtig nutzen. Dennoch gehen immer mehr europäische Firmen auf Einkaufstour, vor allem in Nordamerika wird nach passenden Kandidaten Ausschau gehalten. Nach Ansicht von S&P ist dieser Trend in Anbetracht des fehlenden Wachstums in den Heimatmärkten im nächsten Jahr noch stärker ausgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit eines starken Wirtschaftswachstums in den USA und die Erwartung eines stärkeren US-Dollars dürfte europäische Unternehmen dazu ermutigen, in US-amerikanische Unternehmen zu investieren. Bisher waren Investment-Grade-Unternehmen darauf bedacht, ihr Rating durch eine Kombination aus Fremd-, Eigen- und Hybridkapital zu schützen. Finanzieller Druck könnte zu Veräußerungen in einigen Sektoren wie beispielsweise dem Rohstoffsektor führen. Die Verschuldungsquoten bei Buyouts könnte steigen, wenn fremdfinanzierte M&A die Bewertungen in die Höhe treiben, da Beteiligungskapitalgesellschaften mit anderen Interessenten über den Preis konkurrieren müssten.
Geringe Anzahl an Zahlungsausfällen bis Ende 2015 erwartet
S&P erwartet, dass die Anzahl an Zahlungsausfällen bei Unternehmen bis Ende 2015 niedrig bleiben wird - unter 3 Prozent im Sub-Investment-Grade-Bereich. Allerdings wird sich die Kreditwürdigkeit etwas verschlechtern. Die Herausforderungen, mit denen einige Branchen konfrontiert sind, wie etwa anhaltend niedriges Umsatzwachstum, begrenzter Spielraum für eine weitere Kostensenkungen und die Risiken, die mit erhöhten M&A-Aktivitäten verbunden sind, tragen zu dem schwierigeren Umfeld bei.
Von Gareth Williams und Paul Watters, Standard & Poor’s Rating Services London
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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