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Der Griechenland-Krise zum Trotz: Europas Wirtschaft wächst

18.08.15 12:46 Uhr

Der Griechenland-Krise zum Trotz: Europas Wirtschaft wächst | finanzen.net

Standard & Poor´s Ratings Services geht von einer wirtschaftlichen Erholung in Europa, dem Nahen Osten und Afrika aus.

Das Wachstum der europäischen Wirtschaft ist allerdings noch recht fragil, und die Frage bleibt, wie gut die EMEA Region aufgestellt ist, um mit der langsamen Erholung und den finanziellen Unsicherheiten ausgelöst durch die Krise rund um Griechenland umzugehen.

Gemäß dem Bericht "Despite The Turmoil in Greece, Europe´s Fragile Growth continues" vom 14. Juli 2015 prognostiziert S&P eine positive Entwicklung der europäischen Wirtschaft. Diese basiert insbesondere auf einem Rückgang der Arbeitslosigkeit, steigenden Löhnen und ebenso steigender Binnennachfrage. Entsprechend hat S&P die makroökonomischen Annahmen für die Eurozone nach oben korrigiert. S&P rechnet für 2015 mit einem Wachstum des BIP von durchschnittlich 1,6 Prozent, für 2016 gar mit 1,9 Prozent. Besonders hervorzuheben ist zudem Großbritannien mit einer Wachstumsrate von voraussichtlich 2,6 Prozent in 2015 trotz eines eher geringen Wachstums im ersten Quartal dieses Jahres. Für 2016 erwartet S&P eine Wachstumsrate in Großbritannien von 2,8 Prozent. Jedoch ist die Region angesichts der sehr langsamen wirtschaftlichen Erholung von der Finanzkrise sehr anfällig für Markt-, Handels- und geopolitische Risiken.

Die Gefahren von Brexit und Grexit

Sollte zum Beispiel die Bevölkerung in dem vom britischen Premier Cameron für 2017 angekündigte Referendum für ein Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union - dem so genannten Brexit - stimmen, rechnet S&P mit negativen wirtschaftlichen Folgen insbesondere aufgrund der Auswirkungen auf die Finanzwirtschaft Großbritanniens. Allerdings hängen diese stark davon ab, welche anderen Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien zustande kämen.

Kurzfristig kontrollierbar - langfristig unkalkulierbar

Die Wahrscheinlichkeit eines Grexits - das Ausscheiden von Griechenland aus der Eurozone - sieht S&P derzeit bei unter 50 Prozent. Jedoch schätzt S&P, dass zumindest die kurzfristigen Auswirkungen eines Austritts kontrollierbar wären und Ansteckungsrisiken eingedämmt werden könnten, da sich die heutige Situation der Eurozone durch das QE-Programm der EZB, das stabilere Wachstum und verschiedene strukturelle Änderungen der europäischen Finanzmärkte grundsätzlich von der in 2012 unterscheidet.

Die langfristigen Folgen eines Grexits jedoch sind schwierig einzuschätzen. So könnte ein Grexit zu wachsender Unsicherheit in den Märkten, einer erneuten finanziellen Fragmentierung Europas und stark abfallendem Vertrauen der Investoren führen - mit schwerwiegenden Folgen für Schuldner in der Peripherie.

Dennoch gute Geschäftsaussichten

Weitere Risiken sieht S&P in der Volatilität der Märkte insbesondere angesichts der zu erwartenden Zinssteigerungen in den USA, und der weltweiten Unsicherheit durch die wirtschaftliche Schwäche Chinas und der Schwellenländer. Dennoch schätzt S&P die Geschäftsaussichten in fast allen Branchen als zufriedenstellend oder besser ein. Europas Wirtschaft wächst.

Von Lapo Guadagnuolo, Managing Director und Chief Credit Officer bei Standard & Poor’s Ratings Services in London

Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de



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