ROUNDUP: Kabelschäden in der Ostsee - Pistorius vermutet Sabotage

19.11.24 14:44 Uhr

HELSINKI/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Nach der Beschädigung von Kommunikationskabeln in der Ostsee ist weiter unklar, was hinter den Vorfällen steckt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius geht davon aus, dass die Schäden an den Unterseekabeln zwischen Finnland und Deutschland sowie zwischen Schweden und Litauen absichtlich herbeigeführt worden sind.

"Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind", sagte der SPD-Politiker am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskolleginnen und -kollegen in Brüssel. Man müsse von Sabotage ausgehen. Beweise dafür gebe es bislang aber nicht.

Pistorius' finnischer Kollege Antti Häkkänen äußerte sich zurückhaltender und wollte zu möglichen Ursachen der Kabelschäden vorerst keine Vermutungen anstellen. Zugleich betonte er, es werde mit der ernsthaften Annahme ermittelt, dass ein externer Akteur beteiligt sei. Es würden nicht bloß Ermittlungen wie bei einer Naturkatastrophe angestellt, sagte Häkkänen der finnischen Nachrichtenagentur STT zufolge.

Das betroffene Kabel C-Lion1 zwischen Finnland und Deutschland verläuft auf einer Länge von 1.173 Kilometern zwischen Helsinki und Rostock. Das staatliche finnische Unternehmen Cinia hatte am Montag einen Defekt an der 2016 in Betrieb genommenen Untersee-Leitung festgestellt, die als Art Datenautobahn am Meeresgrund Mitteleuropa und Rechenzentren in Nordeuropa verbindet. Zum Teil führt die Verbindung über dieselbe Route wie die vor zwei Jahren zerstörten Nord-Stream-Pipelines.

Faeser: "Nehmen diese Bedrohungslage sehr, sehr ernst."

Cinia geht davon aus, dass das Kabel am Grund der Ostsee gebrochen ist und durch äußere Einwirkung durchtrennt wurde, etwa durch einen Anker oder ein Grundschleppnetz. Ob vorsätzlich oder nicht - das ist wie vieles in dem Fall noch unklar. Das Internet ist nach Angaben der finnischen Verkehrs- und Kommunikationsbehörde von dem Vorfall nicht beeinträchtigt worden. Auch der Datenverkehr sei nicht dauerhaft gestört gewesen.

Das finnische Außenministerium und das Auswärtige Amt in Berlin zeigten sich nach Bekanntwerden des Falles "zutiefst besorgt". Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte in Berlin: "Wir nehmen diese hohe Bedrohungslage sehr, sehr ernst." Zu der Beschädigung des Kabels sei es in schwedischen Gewässern gekommen. "Wir sind als Behörden noch nicht beteiligt, haben aber Hilfe angeboten zur Unterstützung."

Auch Kabel zwischen Gotland und Litauen defekt

Weiter wurde bekannt, dass mit dem Arelion-Kommunikationskabel zwischen der schwedischen Insel Gotland und Litauen noch ein weiteres Datenkabel in den Tiefen der Ostsee beschädigt ist. Die Generalstaatsanwaltschaft in Vilnius untersucht die Umstände und sammelt Informationen über die am Sonntag aufgetretene Beschädigung des Kabels. Auch schwedische Behörden haben Untersuchungen aufgenommen.

Nach Angaben eines Sprechers des Telekommunikationsunternehmens Telia ist das beschädigte Kabel zwischen Litauen und Schweden ziemlich alt. In der Vergangenheit habe es mehrere damit verbundene Ausfälle gegeben, die normalerweise mit Fehlern bei der Schifffahrt zusammenhingen. Der jetzige Vorfall könnte aber schwerwiegender sein, da sich die Kabel zwischen Litauen und Schweden sowie zwischen Deutschland und Finnland kreuzten.

"Wir können Sabotage sicherlich nicht ausschließen, da es bereits zuvor Warnsignale gab. Das wäre nicht das erste Mal und es wäre nichts Neues", sagte der designierte litauische Regierungschef Gintautas Paluckas.

Kritische Infrastruktur in der Ostsee im Fokus der Nato

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 und den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines gut sieben Monate später steht die kritische Infrastruktur in der Ostsee stärker im Fokus der Öffentlichkeit und insbesondere der Nato. Im Herbst 2023 wurde mit der Ostsee-Pipeline Balticconnector eine wichtige Energieleitung zwischen Finnland und Estland gekappt und dabei auch ein Datenkabel zwischen den beiden EU-Staaten beschädigt.

Nach Angaben der finnischen Ermittler wurde die Pipeline höchstwahrscheinlich vom Anker eines chinesischen Containerschiffs namens "Newnew Polar Bear" zerstört. Ob es sich bei dem Vorfall um einen Unfall oder um bewusste Sabotage handelte, ist bis heute unklar./awe/DP/ngu