ROUNDUP 2: Pistorius: Ukraine könnte auf Augenhöhe verhandeln

14.01.25 10:36 Uhr

(Neu: mit Statements Pistorius ergänzt)

KIEW (dpa-AFX) - Für einen erfolgreichen Abwehrkampf gegen Russland ist die Ukraine nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius darauf angewiesen, dass Europa und die neue US-Regierung unter Donald Trump weiter eng zusammenarbeiten. Dann habe das Land eine reelle Chance, mit Unterstützung des Westens auf Augenhöhe "zu vernünftigen Verhandlungen irgendwann im Laufe des Jahres zu kommen", sagte der SPD-Politiker bei einem vorher nicht angekündigten Besuch in Kiew. Zum Kriegsverlauf und den ukrainischen Streitkräften sagte er: "Sie kämpfen enorm mutig. Und die Materiallieferungen reißen Gott sei Dank auch nicht ab."

Wer­bung

Deutschland hatte am Vortag in Warschau mit vier europäischen Nato-Partnern ("Fünfer-Gruppe") vereinbart, zusammen Rüstungskooperationen mit der Ukraine auszubauen. Dies soll ein zusätzlicher Weg sein, den Verteidigungskampf zu stärken. Auf seinem Programm in Kiew standen Gespräche mit Vertretern der ukrainischen Regierung und der Industrie darüber.

Lässt Trump die Ukraine fallen?

Vor dem am 20. Januar geplanten Amtsantritt Trumps in den USA herrscht Unklarheit, wie es mit der westlichen Unterstützung für die Ukraine weitergeht. Trump hatte wiederholt ein Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zur schnellen Beendigung des Kriegs in der Ukraine in Aussicht gestellt, ohne aber dass die europäischen Verbündeten genau über seine Vorschläge im Bild sind - jedenfalls soweit öffentlich bekannt. In der Ukraine gibt es die Befürchtung, dass Trump die US-Hilfe drastisch zurückfahren und Kiew so eine Niederlage bescheren könnte.

Wer­bung

Er wolle "eine Woche vor dem vor der Übernahme der Amtsgeschäfte durch den amerikanischen Präsidenten Trump, noch mal das deutliche Signal zu setzen, dass wir in Europa, dass die Nato-Partner an der Seite der Ukraine stehen, gerade auch jetzt in der besonders angespannten Situation", sagte Pistorius.

Deutschland steht an der Seite der Ukraine

Die Gefahr einer Niederlage der Ukraine sei "nicht wesentlich größer als vor einem Jahr", sagte Pistorius. "Der entscheidende Unterschied ist, dass natürlich Putin gerade versucht, auch vor dem 20. Januar in der möglichen Erwartung von ihm aufgezwungenen Waffenstillstandsverhandlungen möglichst viel Boden gut zu machen."

Wer­bung

Deutschland stehe weiter an der Seite der Ukraine. Dass es in Deutschland jetzt noch sechs Wochen Wahlkampf gebe, ändere nichts daran, "dass hier ein großes europäisches Land um sein Überleben, um seine Freiheit kämpft". Russische Truppen waren im Februar 2022 in das Nachbarland einmarschiert.

Die Nöte im Kampf der Ukraine werden immer größer

Zu Jahresbeginn war in Kiew berichtet worden, dass Russland im vergangenen Jahr fast 3600 Quadratkilometer ukrainischen Gebietes erobert habe - eine Fläche fast 1,5-mal so groß wie das Saarland. Die höchsten Gebietsverluste habe die Ukraine mit 610 Quadratkilometern im November erlitten, als die Russen täglich etwa 20 Quadratkilometer besetzten. Die Verluste des Jahres 2024 sind ein Vielfaches des Vorjahres. Auffällig ist demnach, dass die Gebietsverluste für Kiew nach der eigenen Sommeroffensive und den Eroberungen im westrussischen Gebiet Kursk deutlich zugenommen haben.

Zugleich macht sich Kriegsmüdigkeit breit und die Zahl ukrainischer Fahnenflüchtigen steigt schnell. Statistiken der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft zufolge wurden 2024 über 22.000 Fälle von Desertion registriert. Hinzu kommen noch mehr als 62.000 Fälle von unerlaubtem Fernbleiben von der Truppe. Gegenüber dem Vorjahr stellt dies bei Deserteuren fast eine Verdreifachung und beim unerlaubten Fernbleiben beinahe eine Vervierfachung dar. In Summe wurden seit Kriegsausbruch fast 120.000 Fälle von Fahnenflucht registriert. Beobachter gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.

Aber auch über Details der weiteren Unterstützung aus Deutschland - größter Geber in Europa - herrscht Unklarheit. Dass die Ampel-Koalition zerbrochen ist, ohne noch einen Haushalt auf die Beine gestellt zu haben, ist ein Grund dafür./cn/DP/mis