DAX-Erholung für 2023 erwartet - Uneinigkeit über Größe des Spielraums
Im aktuell schwierigen Wirtschaftsumfeld sehen Experten für den deutschen Aktienmarkt mittelfristig Luft nach oben.
Allerdings herrscht unter Fachleuten Uneinigkeit darüber, wie groß der Spielraum für Kursgewinne ist. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank für Privat- und Firmenkunden, etwa ist eher skeptisch und sieht den hiesigen Leitindex DAX Ende 2023 bei 15.000 Punkten. Das wären gut vier Prozent mehr als aktuell, nachdem das Börsenbarometer 2022 bisher rund neun Prozent eingebüßt hat. Etwas optimistischer sind die Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).
2022 hinterließen vor allem hohe Rohstoff- und Energiekosten, die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine nochmals deutlich zugelegt hatten, Spuren in der deutschen Wirtschaft und damit auch im Dax.
Den breit gefassten US-Index S&P 500 sieht Stephan Ende kommenden Jahres bei 4100 Punkten und damit gut viereinhalb Prozent über dem derzeitigen Niveau. Das sagte er bei der Vorstellung des Kapitalmarktausblicks am Dienstag in Frankfurt.
"Obwohl das kommende Jahr wirtschaftlich etwas schwieriger werden könnte, spricht für die Anlageklasse, dass die Börse der Konjunktur vorausläuft", hieß es von der Deutschen Bank. Daher dürfte bereits eine leichte Rezession eingepreist sein. "Sobald sich eine wirtschaftliche Erholung abzeichnet, sollten die Kurse steigen", sagte Stephan. "Rücksetzer könnten gute Einstiegschancen bieten."
Insgesamt sprechen der Deutschen Bank zufolge die zurzeit niedrigen Bewertungen für Aktien. Denn in diesem Jahr seien die Unternehmensgewinne teilweise deutlich gestiegen, wohingegen die Kurse stark gefallen seien. "Vor allem europäische Aktien sind wieder günstig", sagte Stephan. Unter den Sektoren seien Finanzwerte aus fundamentaler Sicht interessant. Sie profitierten neben der niedrigen Bewertung auch von der Aussicht auf weiter steigende Zinsen.
Die straffere Geldpolitik der Notenbanken im Kampf gegen die hohe Inflation zeigt zwar der Deutschen Bank zufolge langsam Wirkung, die Teuerung dürfte jedoch wegen nachlassender Globalisierungsgewinne, demografischer Belastungen und einer strukturell expansiveren Fiskalpolitik nicht auf ihr Vorkrisenniveau sinken. Deshalb erwartet das Finanzinstitut, dass die Notenbanken ihre Zinsen weiter anheben werden.
Die US-Notenbank Fed könnte die Zinsen bis zum Frühjahr auf fast fünf Prozent erhöhen. Dann sollte die rückläufige Inflation - im Zuge einer milden Rezession - den Zinsanhebungszyklus beenden. Die Europäische Zentralbank dürfte auf drei Prozent gehen, wobei das Risiko weiterer Zinsanhebungen bestehen bleibe.
Sollten größere Zinsschritte als erwartet nötig werden, um die Inflation einzudämmen, könnte Stephan zufolge unter anderem ein Ausverkauf am Rentenmarkt drohen. Dieser habe in diesem Jahr bereits den schärfsten Crash der Geschichte erlebt. Ein solches Szenario wäre auch für die Aktienmärkte und vor allem für die Technologiewerte ein Risiko. Hohe Zinsen schmälern den heutigen Wert der erwarteten künftigen Gewinne.
Unerwartet stark steigende Zinsen zählen zu den Risiken, welche die Deutsche Bank für das kommende Jahr sieht. Für entsprechende Unruhe an den Kapitalmärkten könnten Preis- und Zinsschocks wegen geopolitischer Eskalationen, Lieferkettenstörungen, Rohstoffknappheiten oder sogenannte Lohn-Preis-Spiralen sorgen. Gemeint ist damit die Furcht, dass hohe Preise hohe Lohnforderungen nach sich ziehen und damit die Inflation sowie die Löhne immer weiter steigen.
Etwas optimistischer in die Zukunft blicken die Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), die ebenfalls am Dienstag ihren Jahresausblick veröffentlicht haben. Ihrer Meinung nach könnte der Dax bis Ende 2023 auf 16 000 Punkte steigen, was aus heutiger Sicht ein Plus von rund elf Prozent wäre.
"Die Chancen, dass der Dax seinen Boden erreicht hat, stehen nicht schlecht", urteilte Analyst Markus Reinwand. So seien die Konjunkturerwartungen noch sehr negativ und die Stimmung unter den Anlegern sei ausgesprochen pessimistisch. Aus markttechnischer Sicht sei das Börsenbarometer damit mittelfristig überverkauft, resümierte Reinwand.
Das heißt: Die Kurse sind aus Sicht der Helaba bereits so weit gefallen, dass kaum noch Anleger bereit seien, auf diesem tiefen Niveau weitere Verkäufe zu tätigen. Im Gegenteil: Wenn die Investoren positiv überrascht werden, dürften sie wieder zugreifen.
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FRANKFURT (dpa-AFX)
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