Vorstandsumbau lässt Wirecard-Aktie zeitweise zweistellig hochschnellen - Weniger Macht für Wirecard-Chef Braun
Der Zahlungsabwickler Wirecard kommt seinen Kritikern entgegen.
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In einem Vorstandsumbau beschneidet der DAX-Konzern die Macht von Chef Markus Braun.
Konzernchef Markus Braun muss zumindest einen Teil seiner Macht abgeben, nachdem Ende April eine mit Spannung erwartete Sonderprüfung der Wirecard-Bücher durch KPMG nicht alle Zweifel an den Geschäftspraktiken des Zahlungsdienstleisters hatte ausräumen können. Braun entschuldigte sich laut Mitteilung vom Freitag bei allen "Aktionären, Kunden, Partnern und Mitarbeitern für die Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate". Am Samstag legte er auf Twitter nach: "Es wurden die richtigen Entscheidungen über die Zukunft der Organisation gefällt", teilte er mit.
Wie schon länger ankündigt schafft Wirecard ein Compliance-Ressort, das die Einhaltung von Gesetzen und Regeln überwachen soll. Wie der Konzern am Freitag in Aschheim bei München mitteilte, wird der Bereich auf der Vorstandsebene aufgehängt und soll vom 49-jährigen Amerikaner James Freis geführt werden. Der Manager wird entsprechend zum 1. Juli in den Vorstand berufen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Thomas Eichelmann, zeigte sich erfreut, dass er mit ihm "einen international anerkannten Compliance Experten" gewinnen konnte.
Zudem wird der Vorstand um zwei weitere Sitze auf dann insgesamt sieben erweitert. In einem neu geschaffenen Vertriebsressort soll der zuständige Top-Manager sämtliche Aktivitäten und Strategien steuern. Auch soll das ebenfalls für das Tagesgeschäft zuständige Ressort des Chief Operating Officer in seinen Zuständigkeiten neu aufgestellt und unter eine neue Leitung gestellt werden. Die in den vergangenen Jahren ebenfalls oftmals kritisierte Finanzmarktkommunikation soll überdies direkt beim Finanzchef Alexander von Knoop angesiedelt werden.
Analysten zeigten sich erfreut. Er begrüße die vom Zahlungsabwickler angekündigten Maßnahmen zum Vorstandsumbau und zur Verbesserung der organisatorischen Prozesse, schrieb etwa Analyst Knut Woller von der Baader Bank. Der Experte hofft, dass sich der Kapitalmarkt nun wieder auf den fundamentalen Wert des Geschäftsmodells von Wirecard fokussiere.
Analystin Heike Pauls von der Commerzbank schrieb, Wirecard habe mit der Ankündigung von Änderungen in der Organisationsstruktur und dem Vorstand bahnbrechende Neuigkeiten bekannt gegeben. Die Ernennung von Freis zum Leiter des neuen Compliance-Ressorts sei von hoher symbolischer Wichtigkeit. Sein Lebenslauf sei makellos.
Der Experte Simon Bentlage von der Privatbank Hauck & Aufhäuser sah in den Maßnahmen einen Schritt hin zur Wiedererlangung des Vertrauens unter den Anlegern.
Unlängst waren bereits Rufe nach dem Rücktritt von Braun, der selbst rund sieben Prozent an Wirecard hält, laut geworden. So sieht sich der Konzern selbst zwar von den in der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" laut gewordenen Vorwürfen des angeblichen Bilanzbetrugs entlastet, weil die Wirtschaftsprüfer von KPMG keine substanziellen Belege für Bilanzfälschung gefunden haben. Allerdings konnte der Bericht Teile der Vorwürfe nicht ausräumen. Stattdessen hagelte es von den Sonderprüfern Kritik - so seien Dokumente teils verspätet und in unzureichender Form bereitgestellt worden, Gesprächstermine wurden demnach immer wieder verschoben.
Wirecard-Chef Markus Braun wird sich den Angaben zufolge künftig auf die strategische Weiterentwicklung des Dax-Konzerns konzentrieren. Aufsichtsratschef Eichelmann, der erst im Januar Wulf Matthias an der Spitze des Kontrollorgans abgelöst hatte, versucht damit offenbar eine Neuordnung und breitere Verteilung der Macht, ohne Braun zu schassen. So hatte Eichelmann unlängst in einem Interview im "Handelsblatt" betont, dass eine Personaldebatte mit Blick auf Braun im Moment "in keinster Weise zum Wohl des Unternehmens" wäre.
Wie am Freitag nochmals betont wurde, will Wirecard nun auch in Märkten außerhalb Europas verstärkt eigene Lizenzen erwerben oder eigenlizenzähnliche Beziehungen eingehen. So hatte sich die Kritik von KMPG Ende April insbesondere auch auf das Geschäft mit Drittpartnern der Bayern bezogen. "Ursächlich sind neben den Mängeln in der internen Organisation insbesondere die fehlende Bereitschaft der Third Party Acquirer, umfassend und transparent an dieser Sonderuntersuchung mitzuwirken", hatte es von den Prüfern geheißen.
So reagiert die Wirecard-Aktie
Die Aktien von Wirecard haben am Montag mit einen Kurssprung auf den bekannt gegebenen Vorstandsumbau reagiert. Anleger feierten die Tatsache, dass Konzernchef Markus Braun zumindest einen Teil seiner Macht abgeben muss und ein Compliance-Ressort gegründet wird, mit einem Kurssprung via XETRA von letztlich 8,33 Prozent auf 91,19 Euro. In der Spitze waren sie in den Anfangsminuten sogar bis auf 94,33 Euro vorgeprescht - ein Hoch seit Ende April. Bekannt gegeben worden waren die Maßnahmen am Freitagabend nach Börsenschluss.
Mit beschlossenen Umstrukturierungen sende der Zahlungsabwickler eine Botschaft für mehr Glaubwürdigkeit, hieß es in einem Kommentar des Analysehauses Oddo BHF. Braun muss zumindest einen Teil der Macht abgeben, nachdem Ende April eine mit Spannung erwartete Sonderprüfung der Bücher durch KPMG nicht alle Zweifel an den Geschäftspraktiken hatte ausräumen können. Er wird sich künftig auf die strategische Entwicklung fokussieren und zum Beispiel nicht mehr die Kapitalmarktkommunikation verantworten.
Damit und weiteren Umverteilungen von Verantwortungen reagiert Wirecard auf die nicht abreißende Kritik an der Art und Weise der Geschäftsführung. Oddo-Analyst Stephane Houri lobte vor allem die Bildung eines neuen Compliance-Ressorts: Der Lebenslauf des neuen Bereichsleiters James Fries sei beeindruckend, so der Experte. Wie schon länger ankündigt schafft der Konzern dieses Ressort, um die Einhaltung von Gesetzen und Regeln stärker zu überwachen. Es wird auf der Vorstandsebene aufgehängt.
Für Analystin Heike Pauls von der Commerzbank sind die Ankündigungen ein "game changer". Sie war ebenfalls voll des Lobes für die Besetzung im Compliance-Bereich. Die Ernennung von James James Freis zum Leiter des neuen Ressorts sei von hoher symbolischer Wichtigkeit. Auch sie lobte seinen "makellosen Lebenslauf", zu dem unter anderem die Compliance-Verantwortung von Freis bei der Deutschen Börse gehört.
Auch andere Analysten zeigten sich erfreut von den Beschlüssen. Analyst Knut Woller von der Baader Bank äußerte die Hoffnung, dass sich der Kapitalmarkt nun wieder auf den fundamentalen Wert des Geschäftsmodells fokussieren kann. Simon Bentlage von der Privatbank Hauck & Aufhäuser sah einen Schritt hin zur Wiedererlangung des Vertrauens. Derweil entschuldigte sich laut Konzernchef Braun laut Mitteilung vom Freitag bei allen "Aktionären, Kunden, Partnern und Mitarbeitern für die Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate".
Die Kursentwicklung von Wirecard drückt aus, dass bei Anlegern noch viel Vertrauen wieder zurück gewonnen werden muss. Die Aktie, die zwischen Anfang 2017 und September 2018 mit einer Rally von 40 auf knapp 200 Euro Furore machte und den Dax-Aufstieg schaffte, wird nun schon im zweiten Jahr von den Vorwürfen belastet. Als sie Anfang 2019 in der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" laut geworden waren, wurden die Aktien noch bei ungefähr 170 Euro gehandelt.
Erst am vergangenen Donnerstag hatten die Wirecard-Papiere ihr bisheriges Tief in Zeiten der anhaltenden Unruhen bei gut 80 Euro wieder angetestet, nachdem die Ergebnisse der KPMG-Untersuchung vorgelegt wurden. Noch etwas tiefer hatte die Aktie nur im März diesen Jahres gestanden. Knapp unter 80 Euro waren sie davor letztmals im November 2017 zu haben - einer Zeit, als die damalige Rally noch in den Kinderschuhen steckte.
/fba/kro/jha/
ASCHHEIM (dpa-AFX)
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