RWE-Aktie dennoch mit Gewinnen: Proteste vor RWE-Zentrale - Polizei räumt letztes Gebäude in Lützerath
Die Räumung des Dorfes Lützerath am Rande des rheinischen Braunkohletagebaus nähert sich dem Abschluss.
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Am Freitag begann die Polizei mit der Räumung des letzten Gebäudes. Danach müssten noch einige Aktivisten aus Baumhäusern geholt werden, sagte ein Polizeisprecher. Außerdem hielten sich noch zwei Personen in einem Tunnel auf.
Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach stieg am Freitag ein Stück weit in den Tunnelschacht hinein. Die Bergung der beiden Personen müssten Spezialkräfte der Feuerwehr und des THW übernehmen, sagte er anschließend. "Ich finde es einfach schlimm, welche Gefahren diese Menschen auf sich nehmen, für sich." Die Konstruktion sei nicht sicher. Er gehe allerdings davon aus, dass derzeit keine akute Gefahr für die beiden Personen bestehe. Ob sie festgekettet seien, wisse er nicht. "Kontaktbeamte versuchen gerade, Kontakt aufzunehmen und mit den Betreffenden zu sprechen", sagte er. Deren Kommunikation mit Telefon funktioniere nicht mehr, man versuche es jetzt mit Funkgeräten.
Am Donnerstag hatte ein auf der Plattform Youtube eingestelltes Video zweier vermummter Männer für Aufsehen gesorgt. "Pinky" und "Brain" geben darin an, sich in dem Tunnel unter Lützerath aufzuhalten. "Wir haben Hinweise, dass das Video authentisch ist", bestätigte die Polizei.
Die Nacht zum Freitag verlief nach Polizeiangaben ruhig. Am Freitagmorgen tauchten Aktivisten unter anderem der Gruppe Extinction Rebellion vor der RWE-Konzernzentrale in Essen auf. Sie forderten einen Stopp der Räumung Lützeraths. Drei von ihnen ketteten sich an ein Rolltor und blockierten dadurch die Einfahrt. Die Polizei rückte mit mehreren Streifenwagen an, nachdem der RWE-Sicherheitsdienst den Vorfall gemeldet hatte.
Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) zeigte wenig Verständnis für die Proteste gegen den Abriss von Lützerath. "Es gibt viele gute Anlässe, für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, meinetwegen auch gegen die Grünen. Aber Lützerath ist schlicht das falsche Symbol", sagte Habeck dem "Spiegel".
Das Dorf sei eben nicht das Symbol für ein Weiter-so beim Braunkohletagebau Garzweiler im Rheinland, sondern "es ist der Schlussstrich", sagte Habeck. Man ziehe den Kohleausstieg im dortigen Kohlerevier um acht Jahre auf 2030 vor, was immer auch Ziel der Klimabewegung gewesen sei. "Wir retten fünf Ortschaften und Höfe mit rund 450 Bewohnern. Der Hambacher Forst ist gesichert worden. Die genehmigte Abbaumenge für Kohle im Tagebau wurde durch die Vereinbarung halbiert."
Doch unterdessen rumort es an der Parteibasis der Grünen: Einen offenen Brief gegen die Räumung unterzeichneten bis Freitagvormittag mehr als 2000 Grünen-Mitglieder. Habeck und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur werden in dem Brief aufgefordert, die Aktion sofort zu stoppen. Der "ausgehandelte Deal mit dem Energiekonzern RWE droht mit den Grundsätzen unserer Partei zu brechen", heißt es. "Und nicht nur das, wir brechen damit auch mit dem Pariser Klimaabkommen, dem Ampel-Koalitionsvertrag und dem letzten Vertrauen der Klimagerechtigkeitsbewegung."
Der Co-Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, warnte vor einer Entfremdung der Grünen von der Klimabewegung. "Gerade jetzt bräuchten die Grünen die Unterstützung der Klimabewegung", sagte er dem Nachrichtenportal "t-online". "Der RWE-Deal hilft da überhaupt nicht."
Für Samstag ist in Lützeraths Nachbarort Keyenberg eine große Kundgebung angekündigt. Die Polizei rechnet mit 6000 bis 7000 Teilnehmern. Zu der Veranstaltung will auch die bekannte Klimaaktivistin Greta Thunberg aus Schweden kommen. Sie wolle die Aktivisten dabei unterstützen, Lützerath zu verteidigen, hatte die 20-Jährige auf Twitter geschrieben. "Kommt ab 12.00 Uhr dazu, um mit uns Leben zu schützen und Menschen vor Profiten Vorrang zu geben", appellierte sie.
Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) sagte der "Bild"-Zeitung, in Nordrhein-Westfalen dürfe jeder demonstrieren, "auch die aus der Ferne anreisende Frau Thunberg. Ich hoffe, sie sorgt dafür, dass ihre Mitstreiter friedlich bleiben und sich an die Regeln halten."
Nach einer Umfrage des ZDF-"Politbarometer" ist eine Mehrheit der Deutschen gegen eine Ausweitung der Braunkohleabbaugebiete, wie sie derzeit nach der Räumung von Lützerath geplant ist. 59 Prozent der Befragten sprachen sich gegen eine solche Ausdehnung aus - 33 Prozent sind dafür. Vor allem eine deutliche Mehrheit (87 Prozent) der Grünen-Wähler ist gegen das Vorhaben. Hingegen wird von 60 Prozent aller Befragten eine stärkere Nutzung der Kohlekraftwerke zur Sicherung der Stromversorgung als richtig erachtet. 36 Prozent sprechen sich dagegen aus.
NRW-Justizminister Limbach: Frage zu Lützerath längst geklärt
Für Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach ist die Frage, ob Lützerath erhalten bleibt oder nicht, "schon längst geklärt". "Spätestens mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom März 2022 stand rechtskräftig endgültig fest, dass RWE das Recht hat, diese Ortschaft in Anspruch zu nehmen", sagte der Grünen-Politiker am Freitag im Deutschlandfunk. Er könne die jungen Leute, die im Dorf Lützerath Widerstand leisten, jedoch alle gut verstehen, da der Weg in die Kohle ein "falscher Weg" gewesen sei. Dennoch sei die Rechtslage zu respektieren.
Limbach verurteilte, dass Polizistinnen und Polizisten bei der Räumung mit Steinen oder mit Feuerwerkskörpern beworfen werden. Es sei seines Erachtens "eine komplett falsche Haltung". Es gebe viele legitime Formen, seine politische Meinung kundzutun. Gewalt gegen Vertreter des Staates gehöre jedoch nicht dazu.
Mit Blick auf die Aktionen der Gruppe Letzte Generation, deren Mitglieder sich auf Straßen oder an Flughäfen kleben, warnte der Justizminister vor einer weiteren Radikalisierung. "Ich hoffe, dass sie diesen Punkt erreichen, dieses Stoppschild sehen, nicht weiter in die Gewalt zu gehen. Sie delegitimieren damit auch den Kampf vieler friedlicher Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für den Klimawandel einsetzen", so Limbach weiter.
Polizeigewerkschaft: Bekenntnis der Grünen zu Einsatz in Lützerath
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat von den Grünen ein eindeutiges Bekenntnis zum Polizeieinsatz im nordrhein-westfälischen Lützerath gefordert. "Es kann nicht sein, dass hohe Funktionäre der Partei und Abgeordnete zu Widerstand und Protesten in Lützerath aufrufen", sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt am Freitag. "Die Grünen müssen sich entscheiden, ob sie Regierung oder Opposition sein wollen." Zudem sei es skandalös, kriminelle Machenschaften in Lützerath mit der legitimen Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei gleichzusetzen.
Der Ort Lützerath soll abgerissen werden, damit der Energiekonzern RWE die darunter liegende Kohle abbaggern kann. Dies sei zur Aufrechterhaltung der Energiesicherheit dringend nötig, sagen RWE und die nordrhein-westfälische Landesregierung. Die Aktivsten bestreiten das unter Hinweis auf Studien und besetzen die Gebäude der Ortschaft. Seit Mittwoch räumt die Polizei das Dorf.
Die RWE-Aktie zeigt sich am Freitag via XETRA zeitweise 1,38 Prozent höher bei 42,49 Euro.
ERKELENZ (dpa-AFX)
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