Prof. Otte-Kolumne Max Otte

Well done, Brits!

27.06.16 10:36 Uhr

Well done, Brits! | finanzen.net

In den letzten Tagen wurde ich mehrfach zu einem möglichen BREXIT befragt.

Bei finanzen.net bezeichnete ich den BREXIT als eine Riesenchance für Europa, sah es allerdings nur als einen "schönen Traum" an, dass er kommen würde. Nun scheint der Traum Realität zu werden.

Ein BREXIT wäre für die Europäische Union eine Riesenchance, ihre falschen und dysfunktionalen Strukturen zu reformieren. Ein Kerneuropa, wie von Wolfgang Schäuble 1994 vorgeschlagen und von Helmut Kohl abgelehnt, hätte viele Vorteile. Der Rest der EU könnte endlich enger zusammenwachsen. Auch Deutschlands Position würde gestärkt.

Großbritannien hat sich aufgrund seiner lange stolzen kolonialen Tradition nie wirklich als Teil Europas gesehen, sondern eher als Richter über das Schicksal Europas ("Balance of Power"). Großbritannien hat eine sehr eigene Identität und viele Entscheidungsprozesse behindert. Immer wieder hat Großbritannien Sonderregelungen verlangt. Bis heute gehört England nicht zur Eurozone, aber Englisch ist die Haupt-Amtssprache der EU. Diese Trittbrettfahrerei könnte nach einem BREXIT aufhören. Zum Nutzen aller.

In den vergangenen 20 Jahren ist Frankfurt zu einem Finanzplatz zweiter Klasse geworden. Ein BREXIT würde gerade für den Finanzmarkt Deutschland sehr positiv sein. Man muss sich vorstellen, dass die europäische Bankenaufsicht, die den überwiegend kontinentaleuropäischen Banken das Leben so schwer macht und unseren Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen aberwitzige Regeln aufzwingt, in London sitzt!

Ich war mir sicher, dass die Briten ihrem Kopf und nicht ihrem Herzen folgen und in der EU bleiben würden. Bereits im Falle des Referendums zur schottischen Unabhängigkeit schrieben 16 von 17 schottischen Tageszeitungen gegen die Unabhängigkeit und gegen das eigene Volk, denn im Zweifel steht man den großen Werbekunden näher. Bezahlte Regierungswerber zogen von Haustür zu Haustür, um alten Menschen einzureden, dass sie ihre Pensionen verlieren, wenn sie für die schottische Unabhängigkeit stimmen. Bei der Frage des BREXIT waren die Kräfteverhältnisse ähnlich. Sogar Barack Obama hat in London für einen Verbleib in der EU geworben. Also ging ich davon aus, das nicht kommt, "was nicht sein darf", genauso wenig wie ein FPÖ-Präsident in Österreich oder die schottische Unabhängigkeit.

Nun scheint der BREXIT doch zu kommen. Oder zumindest haben die Briten dafür gestimmt. Endlich ist Bewegung in der verfahrenen Politik des "Westens" (Ich habe mich immer gefragt, was der "Westen" ist?). Ein bloßes "ja" zum BREXIT heißt noch lange nicht, dass er umgesetzt wird. Oder konsequent umgesetzt wird. Die Macht der Eliten und des Finanzkapitals ist riesig. Warten wir es ab. Mit einer Kriegspolitik (gegenüber Russland und Syrien) und einer Politik des Zwangsstaates (EZB, Bargeldabschaffung) ist uns nicht gedient. Wir müssen Neues wagen - und da kommt der BREXIT gerade recht. Eins haben sie, die Briten: Mut!

Wir haben den Tag nach dem BREXIT. Die Börsen haben einen Tiefflug hingelegt. Das bietet Kaufgelegenheiten. So billig kommen wir vielleicht lange nicht mehr an europäische Aktien heran.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Das Institut analysiert nach der von ihm entwickelten Strategie der Königsanalyse © börsennotierte Unternehmen und setzt sich dafür ein, mit transparenten Informationen Privatanleger bei der Entwicklung nachhaltiger und langfristig ausgerichteter Aktienstrategien zu unterstützen. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

Bildquellen: Oliver Schmauch