Wirecard-Aktie: Anleger, die gegen Wirecard wetteten, wurden angeblich überwacht
Die britische Wirtschaftszeitung "Financial Times" hat in den vergangenen Tagen erneut kritische Artikel über den DAX-Konzern Wirecard veröffentlicht - und die darin beschriebenen Vorgänge lesen sich teilweise wie ein Wirtschaftsthriller.
Werte in diesem Artikel
• Investoren mit Shortpositionen sollen von Detektiven überwacht worden sein
• Observierungen sowohl 2019 als auch bereits 2016
• Wirecard dementiert, Privatermittler beauftragt zu haben
Auch kurz vor Weihnachten kommt der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München nicht zur Ruhe. Nicht nur haben laut "Bundesanzeiger" einige Hedgefonds ihre Netto-Shortpositionen für Wirecard in den letzten Tagen aufgestockt, auch die "Financial Times" lässt bei ihrer kritischen Berichterstattung nicht locker - und schreibt, dass Personen und Hedgefonds mit großen Leerverkaufspositionen mindestens in der Vergangenheit Privatdetektive auf den Plan gerufen haben.
Thriller rund um Wirecard: Geheimagenten, Detektive und Shortseller
Laut einem Bericht der "Financial Times" vom Mittwoch sollen unter anderem Hedgefonds, die auf sinkende Kurse der Wirecard-Aktie wetteten, in jüngster Vergangenheit überwacht worden sein. Unter dem Titel "Palladium Phase 2" soll der ehemalige Chef des Auslandsgeheimdienstes der lybischen Übergangsregierung, Rami El Obeidei, zwei britische Detekteien mit der Beschattung von mindestens acht Personen beauftragt haben. Im Fokus der Privatermittler sollen unter anderem der Hedgefondsmanager Crispin Odey und der Spekulant Nick X gestanden haben, aber auch weitere Shortseller hätten gegenüber der "Financial Times" angegeben, beschattet, fotografiert und zum Teil mit GPS-Trackern überwacht worden zu sein. El Obeidei, der angeblich selbst Wirecard-Aktien hält, soll auf diese Weise versucht haben, eine Marktmanipulation bei dem Titel nachzuweisen.
Wirecard selbst streitet ab, die Überwachung beauftragt oder von ihr gewusst zu haben. Auf Anfrage der "Süddeutschen" erklärte der Zahlungsdienstleister auch, er stehe in keiner Beziehung zu El Obeidei und wüsste auch nichts über dessen möglichen Besitz von Wirecard-Aktien. Profitiert haben dürfte Wirecard von der Überwachung aber dennoch. Denn im Sommer gab der DAX-Konzern an, im Besitz einer Audioaufnahme zu sein, die "unwiderlegbare Beweise für eine Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der Financial Times und Shortsellern" liefere. Es handelte sich dabei um die Tonaufzeichnung eines Gesprächs zwischen dem britischen Geschäftsmann Nick X und einer weiteren Person. Diese wurde von Nick X darüber informiert, dass in Kürze ein weiterer kritischer Wirecard-Artikel der FT veröffentlicht würde. Neben dem DAX-Konzern erhielt auch das "Handelsblatt" die Audiodatei und sie wurde auf einer anonymen Webseite veröffentlicht.
Laut Informationen der "Süddeutschen" war die Datei Wirecard anonym zur Verfügung gestellt worden. Der Zahlungsdienstleister habe erst später herausgefunden, dass El Obeidi der Strippenzieher der Aktion gewesen sei, die als Falle für die Shortseller gedacht war. Der ehemalige Top-Agent habe aber aus eigenem Antrieb heraus und auf eigene Kosten gehandelt. Wirecard hatte die Aufzeichnung damals an die Strafermittlungsbehörden weitergeleitet. Daraufhin hätten sich außerdem "im Nachgang einzelne involvierte Personen zu erkennen gegeben", sagte eine Sprecherin des DAX-Konzerns gegenüber der "Süddeutschen". Weitere Informationen könne das Unternehmen derzeit jedoch nicht geben.
Auch nach Zatarra-Bericht 2016 sollen Detektive beauftragt worden sein
Laut "Financial Times" handelt es sich beim aktuellen Vorkommnis jedoch nicht um das erste Mal, dass Kritiker von Wirecard von Detektiven überwacht worden seien - mit oder ohne Wissen des Konzerns. Auch schon 2016, als das bis dahin unbekannte Analysehaus Zatarra Wirecard in einem Bericht Bilanzfälschung vorwarf und die Aktie zum Absturz brachte, sollen Privatermittler aktiv geworden sein und die Zatarra-Analysten sowie Investoren und Journalisten beschattet haben. Dem "Handelsblatt" liegt offenbar ein Schreiben einer Kanzlei vor, in dem bestätigt wird, dass "private Ermittler nach der Veröffentlichung des Zatarra-Berichts am Mittwoch, dem 8. Dezember 2016, eine eingeschränkte und rechtmäßige Überwachung durchgeführt haben". Dabei sei es jedoch nur darum gegangen sicherzustellen, dass einem bestimmten Investor ein Schreiben der Kanzlei zugestellt werden könne.
"Wir haben niemanden beauftragt, Individuen untersuchen oder beschatten zu lassen", dementierte eine Wirecard-Sprecherin die Vorwürfe. Ein Insider erklärte jedoch gegenüber dem "Handelsblatt", dass eine externe Kanzlei 2016 auf eigene Faust und ohne Wissen des DAX-Unternehmens Privatdetektive beauftragt hätte. Nachdem Wirecard von den Überwachungen erfahren hätte, seien diese allerdings sofort eingestellt worden. Es seien auch sonst nie Überwachungen beauftragt worden, da dies der Firmenpolitik von Wirecard widersprechen würde.
An der Börse warfen die Anschuldigungen dennoch erneut ein schlechtes Licht auf Wirecard: Die Aktie des Zahlungsdienstleisters verlor am Mittwoch nach Veröffentlichung des FT-Artikels rund 4,5 Prozent und notierte zwischenzeitlich bei 102,20 Euro auf dem tiefsten Stand seit Ende März.
Redaktion finanzen.net
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