Etsy-Aktie findet bei IPO reißenden Absatz - Erstkurs bei 31 Dollar

Der erste Kurs der Etsy-Aktie an der Nasdaq lag bei 31 Dollar und damit fast doppelt so hoch wie der Emissionspreis, den der Onlineshop in der Nacht zum Donnerstag bei 16 Dollar festgesetzt hatte. Bereits dies war das obere Ende der angepeilten Preisspanne von 14 bis 16 Dollar gewesen. Im weiteren Handelsverlauf stieg die Aktie zeitweise bis auf einen Stand über 35 Dollar.

Mit der Ausgabe von 13.333.333 Aktien erlöste Etsy bei seinem IPO 213,3 Millionen Dollar. Auch Alteigentümer gingen beim Börsengang nicht leer aus. Sie warfen 3.333.333 Aktien aus den eigenen Beständen auf den Markt und können den entsprechenden Erlös in ihre Taschen einstreichen. Ob beim Etsy-Börsengang auch die Mehrzuteilungsoption von 2,5 Millionen Aktien ausgeübt wurde, ist bislang noch nicht bekannt.

Etsy-Börsengang: Hohe Bewertung für ein unprofitables Unternehmen

Die Bewertung von Etsy liegt zum Börsengang bei rund 1,8 Milliarden Dollar. Damit ist es zwar noch ein weiter Weg bis zu den Giganten im E-Commerce, allerdings hat Etsy nun mit dem größten IPO eines New Yorker Tech-Unternehmens seit Platzen der Dot.com-Blase den ersten Schritt in diese Richtung gewagt. Einige Anleger hoffen sogar bereits auf eine ähnlich Erfolgsgeschichte wie beim Online-Auktionshaus eBay. Dass diese einsetzt, halten Experten aber für mehr als unwahrscheinlich. Denn während sich die Auktionsplattform bereits in den Kindertagen des Internets gegründet hatte und dementsprechend stark vom folgenden Boom der gesamten Branche profitieren konnte, fehlt Etsy dieser zusätzliche Schub.

Dabei ist Etsy durchaus bereits global aufgestellt: Rund 700 Mitarbeiter arbeiten an 9 Standorten weltweit für das Unternehmen und auch Käufer und Verkäufer kommen laut Unternehmenswebseite aus "nahezu jedem Land der Welt". Doch trotz 1,4 Millionen aktiven Verkäufern und rund 19,8 Millionen aktiven Käufern hat es Etsy noch nicht geschafft, die Gewinnschwelle zu erreichen. 2014 musste der Börsenneuling einen Verlust von rund 15 Millionen Dollar verkraften. Damit hatte sich das Minus nach einem Verlust von 800.000 Dollar im Jahr 2013 vervielfacht. Auch für die Zukunft ist Etsy-CEO Chad Dickerson wenig optimistisch: Er spricht davon, dass Etsy möglicherweise auch in Zukunft die Gewinnschwelle nicht erreichen oder dauerhaft halten können wird. Den Anlegern war dies wohl zunächst egal, sie griffen beim Etsy-Börsengang trotzdem kräftig zu.

Etsy-IPO setzt Status als B Corporation aufs Spiel

Laut Börsenprospekt verfolgt das Unternehmen mit dem IPO insbesondere ein Ziel: Seine Bekanntheit zu steigern. Dies dürfte dem Online-Shop aus Brooklyn gelungen sein. Gleichzeitig setzt das Unternehmen mit dem IPO aber auch seinen Status als zertifizierte B Corporation aufs Spiel. Diesen Status, auf den Etsy in der Vergangenheit besonders viel Wert legte, besitzt das Unternehmen seit 2012.

Eine B Corporation hat sich verpflichtet, strenge Standards beim Umweltschutz, der sozialen Verantwortung und der Transparenz einzuhalten und erhält dadurch von der gemeinnützigen Organisation B Lab den Status als B Corporation verliehen. Dafür muss das Unternehmen auf einer Punkteskala mindestens 80 von 200 möglichen Punkten erreichen. Etsy erreichte zuletzt 105 Punkte und damit sogar etwas mehr als der ebenfalls zertifizierte Eis-Hersteller Ben & Jerry’s, der auf 101 Punkte kam. Der Vintage-Shop hat sich seine Punkte verdient, indem Mitarbeiter beispielsweise ihren Müll trennen und kompostierbare Abfälle regelmäßig mit dem Fahrrad zu einer Farm in der Umgebung bringen. Daneben setzt sich das Unternehmen durch sein Geschäftsmodell vor allem für sehr kleine Unternehmen ein und will auch sonst im sozialen Bereich Gutes tun. Ein Teil des Emissionserlöses aus dem Börsengang fließt daher auch in das gemeinnützige Unternehmen Etsy.org, das Anfang 2015 gegründet wurde und Frauen sowie andere wirtschaftlich unterrepräsentierte Gruppen in betriebswirtschaftlichen Fragen weiterbilden soll. Den restlichen Emissionserlös will Etsy übrigens wie eine ganz normale Firma als Arbeitskapital und zur Finanzierung des weiteren Unternehmenswachstums nutzen.

Doch obwohl Etsy durch die teilweise Verwendung der Emissionserlöse für Etsy.org seinem Status als B Corp auch beim Börsengang Rechnung trägt, ist es alles andere als sicher, ob das Unternehmen diesen Status noch lange behalten kann. Denn als börsennotiertes Unternehmen müsste Etsy nun sowohl seine Investoren glücklich machen und sich stärker auf die Gewinnerzielung konzentrieren, andererseits aber auch weiterhin den etwas unkonventionellen Unternehmensrichtlinien mit dem Schwerpunkt auf gutem Verhalten folgen. Dieser Balanceakt könnte darin enden, dass sich die öffentlich einsehbare Punktzahl von Etsy als B Corp verringert oder das Unternehmen seinen Status gar ganz verliert. Dies dürfte der Reputation von Etsy schaden und außerdem zu sinkenden Kursen führen. Doch bevor es so weit kommen könnte, muss das Unternehmen nun erst einmal zeigen, wie es sich als zertifizierte B Corp an der Börse schlägt.

Redaktion finanzen.net