Nur noch Mini-Wachstum

Volkswirte prophezeien deutscher Wirtschaft einen harten Winter

29.11.21 08:28 Uhr

Volkswirte prophezeien deutscher Wirtschaft einen harten Winter | finanzen.net

Der deutschen Wirtschaft steht nach Einschätzung von Volkswirten führender Finanz- und Wirtschaftsinstitute ein harter Winter bevor.

"Nach dem sommerlichen Konjunkturboom dürfte es zum Jahreswechsel allenfalls noch für ein Mini-Wachstum reichen", sagte Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Marc Schattenberg von der Deutschen Bank erwartet sogar ein Null-Wachstum über die kommenden Monate. "Ich rechne mit einer Stagnation des Wirtschaftswachstums im Winterhalbjahr", sagte er.

In der Eurozone steht Deutschland mittlerweile als Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum da. Utermöhl prognostiziert für das laufende Jahr für die Bundesrepublik nur noch 2,7 Prozent. In der Eurozone wird das Wachstum auf rund fünf Prozent geschätzt.

Hintergrund ist die vor allem wegen der ausufernden Corona-Infektionslage eingebrochene Konsumlaune der Verbraucher. Die strukturellen Probleme der Industrie seien lange Zeit durch einen Boom beim privaten Konsum - unter anderem wegen Aufholeffekten nach den Lockdowns - kompensiert worden. "Wir erleben, dass auch im Dienstleistungsbereich sich der Konsum wieder eintrübt", sagte Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der "Wirtschaftweisen" der Bundesregierung.

Sie schränkte jedoch ein: "Die Auswirkung auf die Konjunktur wird beschränkt bleiben." Bei den hauptsächlich betroffenen Wirtschaftsbereichen wie Kultur, Touristik und Gastronomie handele es sich um Branchen, die nur wenig Anteil an der Bruttowertschöpfung hätten. Dennoch bekennt auch die Chefvolkswirtin der staatlichen Bankengruppe KfW, Fritzi Köhler-Geib, dass die Zeichen nicht nach oben deuten. "Angesichts dieser Rückschläge haben alle Konjunkturanalysten ihre Prognosen für das laufende Jahr deutlich nach unten revidiert", sagte sie.

Mit einer Konsumflaute, den anhaltenden Lieferengpässen in der Industrie und den weiterhin hohen Energiekosten stehe die deutsche Wirtschaft "an allen Fronten unter Druck", sagte Katharina Utermöhl. Allerdings habe die Wirtschaft auch gelernt, mit den Umständen umzugehen, einschränkende Maßnahmen dürften diesmal zielgerichteter ausfallen, als noch vor einem Jahr. "Im Großen und Ganzen rechnen wir aber damit, dass die Wachstumseinbußen geringer ausfallen als in vorherigen Wellen. Mit einem Konjunkturabsturz rechnen wir daher nicht." Auch Veronika Grimm betonte, solange die Geimpften am öffentlichen Leben teilnehmen könnten, werde die Konsumbremse nicht allzu stark ausfallen.

Allerdings: Auf dem Arbeitsmarkt könnte es zu einer deutlichen Verlangsamung der Erholungsprozesse kommen. Zwar hätten die Unternehmen inzwischen gelernt, mit dem Instrument der Kurzarbeit umzugehen, wie Marc Schattenberg erklärte. "Wir rechnen aber auch wieder mit deutlich mehr Kurzarbeit", sagte Katharina Utermöhl. Vor allem dann, sollte es zu einem weiteren Lockdown etwa in Teilbereichen des Handels oder der Gastronomie kommen. Die staatlichen Corona-Hilfen sollten nach ihrer Auffassung bis ins Frühjahr verlängert werden.

Auch der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erwartet in der vierten Corona-Welle wieder einen Anstieg der Kurzarbeit und Mehrbelastungen für den Staatshaushalt. "Aufgrund von Lieferkettenstörungen in der Industrie und Umsatzeinbrüchen aufgrund regionaler Lockdowns rechnen wir mit einer leichten Zunahme der Kurzarbeit in diesem Winter und Zusatzkosten von 400 Millionen Euro", sagte Heil der "Bild am Sonntag".

Die KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib wies daraufhin, dass die Unsicherheiten der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt auf einen eklatanten Mangel an Fachkräften treffen. "In der Industrie sahen sich seit der Wiedervereinigung noch nie so viele Unternehmen durch Fachkräftemangel beeinträchtigt wie derzeit. Daran wird deutlich, dass der Fachkräftemangel sich zu einem Problem auswächst, um das sich Wirtschaft und Politik dringend stärker kümmern müssen", betonte sie.

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NÜRNBERG (dpa-AFX)

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