Noch in diesem Sommer

Marktstratege warnt vor Rezession - so sollten sich Anleger positionieren

23.03.22 22:17 Uhr

Marktstratege warnt vor Rezession - so sollten sich Anleger positionieren | finanzen.net

Die Inflation, die zunächst als vorübergehend abgetan wurde, hält sich seit geraumer Zeit hartnäckig. Nun versucht die US-Notenbank, dem Preisauftrieb entgegenzuwirken und erhöhte zum ersten Mal seit 2018 den Leitzins - weitere Zinsschritte wurden signalisiert. Ein Stratege stellt das Timing der Fed in Frage und prognostiziert, dass die US-Wirtschaft durch das Eingreifen der US-Notenbank in eine Rezession rutschen wird.

• Rosenberg: Immobilienmarkt und Aktienmarkt befinden sich in einer Blase
• Stratege stellt Timing für Zinserhöhung in Frage
• Bekämpfung der Inflation zu einem hohen Preis - Experte erwartet Rezession



David Rosenberg, Präsident, Chefökonom und Stratege von Rosenberg Research & Associates Inc. mit Sitz in Toronto, erwartet, wie MarketWatch berichtet, dass die Fed die Inflation mit einer Reihe von erwarteten Zinserhöhungen, die vergangenen Mittwoch mit einer ersten Anhebung um 0,25 Prozentpunkte begannen, bekämpfen kann - allerdings zu einem hohen Preis. Rosenberg glaubt, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession rutschen wird und stellt das Timing der Fed für eine straffere Geldpolitik in Frage, da er bereits Anzeichen einer Verlangsamung der Wirtschaft sieht. Somit sei seiner Meinung nach die einzige Möglichkeit der Fed, die Inflation einzudämmen, eine Rezession. Es werde eine Zerstörung der Nachfrage brauchen, um die Inflation zu senken, so der Stratege.

In einem Telefoninterview mit MarketWatch, das laut der Nachrichtenseite aus Gründen der Länge und Verständlichkeit bearbeitet wurde, hat Rosenberg über die von ihm erwartete bevorstehende Rezession gesprochen und Tipps gegeben, wie sich Anleger unter diesen Umständen positionieren sollten.

Immobilienmarkt befindet sich in einer Blase

Laut Rosenberg befindet sich der Immobilienmarkt derzeit in einer mindestens so großen Blase wie der Aktienmarkt - die dem Experten zufolge wohl platzen dürfte. Immobilien, die von jahrelanger akkommodierender Geldpolitik profitierten, seien in einem Durcheinander einer Preisblase verstrickt. Das Preis-Einkommens-Verhältnis liege laut Rosenberg ungefähr auf dem Stand von 2006 und 2007 - und genau wie damals wolle auch heute niemand glauben, dass Immobilien aktuell in einer Blase stecken.

Während die Eigenheimpreise historisch gesehen ein bis zwei Prozentpunkte über der Inflationsrate gelegen haben, gehe es derzeit um 12 Prozentpunkte nach oben. Wohnimmobilien seien ein guter Inflationsschutz, doch der Exzess sei praktisch beispiellos, so der Experte. "Wir werden einen Bärenmarkt von 20 % bis 30 % bei Wohnimmobilien haben, und das ist mildtätig.", zitiert MarketWatch Rosenberg. Wieder einmal scheine laut dem Strategen niemand daran zu glauben, geschweige denn sich darauf vorzubereiten.

Es sei die Fed, die dem Wohnungsmarkt letztendlich den Boden unter den Füßen wegziehe, da der Wohnungsbau das zinsempfindlichste Segment der Wirtschaft sei. Dabei habe jedes von der Fed verursachte Platzen der Immobilienblasen auch eine große Rolle bei der letztendlichen Rezession gespielt, wenn man die Bedeutung des Sektors und seinen Effekt als Multiplikator auf die Gesamtwirtschaft bedenke, so Rosenberg. Man könne nicht davon ausgehen, dass Immobilien auf einen steigenden Zinszyklus genauso reagieren wie auf einen fallenden.

Zinserhöhungen schlecht für die Wirtschaft

Auf die Frage, wie viel Vertrauen Rosenberg in das Vorhaben der Fed habe, die Zinsen anzuheben, um die Inflation abzukühlen und die Wirtschaft zu einer sanften Landung zu führen, erklärte Rosenberg gegenüber MarketWatch, dass Fed-Zinserhöhung in der Regel zu schlechten Zeiten für die Wirtschaft führten. Die Fähigkeit der Fed, die Wirtschaft in eine Verlangsamung zu führen, ohne eine Kontraktion auszulösen, sei historisch gesehen eine Eins-zu-Vier-Wette. Und aktuell hebe die Fed die Zinsen in einer flachen Renditekurve, während eines überhöhten geopolitischen Risikos und eines sehr wackeligen Kapitalmarkts an.

Laut dem Strategen befinden sich einige der wichtigsten konjunktursensiblen Komponenten des Aktienmarktes derzeit entweder in einer starken Korrektur oder in einem Bärenmarkt - darunter zyklische Dienstleistungsaktien für Verbraucher; Auto-Aktien; Wohnungsbauaktien; Medien- und Werbeaktien sowie Small-Caps, die immer die Hiobsboten seien und die Binnenwirtschaft wirklich widerspiegelten. Diese weisen Rosenberg zufolge darauf hin, dass die Rezession unmittelbar bevorstehe. Wie der Experte erklärt, zeige der ADP-Beschäftigungsbericht, dass die Beschäftigung im Kleingewerbe im Februar zurückgegangen sei - alle Einstellungen seien im Großunternehmenssektor erfolgt.

Rosenberg ist der Meinung, dass die Fed die Zinsen nun anhebt, weil sie um ihre Glaubwürdigkeit besorgt ist und unter enormem politischen Druck steht - die US-Notenbank werde von der Wall Street, der Wissenschaft, den Medien und der politischen Klasse unter Druck gesetzt, die Zinsen zu erhöhen. "Ich beneide Jay Powell kein bisschen.", so Rosenberg. Gegenüber MarketWatch verlautet er, wenn er bei der Fed wäre, würde er besser erklären, warum jetzt nicht der beste Zeitpunkt für eine Zinserhöhung sei.

Hat die Fed zu spät reagiert?

Bezüglich der quantitativen Lockerung erklärt Rosenberg, dass er diese längst beendet hätte, da sie der Main Street nichts gebracht habe, sie habe nur die Leute an der Wall Street noch reicher gemacht. Man könne sagen, dass der große Fehler der Fed womöglich darin bestand, nicht früher zu reagieren, so Rosenberg. Seiner Meinung nach sei der Zeitpunkt, an dem der Prozess der Normalisierung der Politik hätte begonnen werden sollen, vor einem Jahr gewesen - doch der Zug sei abgefahren. "Ich würde nicht noch mehr Unsicherheit schaffen, indem ich jetzt die Geldpolitik straffe. Aber die Fed hat sich selbst in die Enge getrieben.", gibt MarketWatch Rosenberg wieder. Die Frage sei wirklich, wie sehr die US-Notenbank die sieben Zinserhöhungen, die bis Ende des Jahres in den Markt eingepreist seien, bestätigen wolle.

Wie sich Anleger positionieren sollten

Sollte die Wirtschaft tatsächlich in den Rückwärtsgang schalten, so empfiehlt Rosenberg Anlegern, eine Liquiditätsreserve zu haben. Bargeld stelle den Menschen Ressourcen zur Verfügung, um Vermögenswerte zu kaufen, die die Inflation dämpfen. "Sie wollen sehr strategisch vorgehen. Begrenzen Sie die wirtschaftliche Sensitivität in Ihrem Portfolio und seien Sie sehr defensiv.", empfiehlt der Experte und rät Anlegern zu Investitionen in den Bereichen Versorgungsunternehmen, Basiskonsumgüter und Gesundheitswesen. Auch Rüstungsaktien hält Rosenberg, jetzt, da die Militärbudgets weltweit steigen, für eine gute Absicherung gegen erhöhte geopolitische Risiken. Eine positive Nachricht käme auch für die Exporte von flüssigem Erdgas aus Nordamerika und anderen potenziellen sauberen Energiequellen, da Europa vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges nun gezwungen sei, seine Energiequellen zu diversifizieren.

Bei den Rohstoffen gebe es derweil eine ungewöhnliche Situation. Der CRB-Index habe laut Rosenberg neue Höchststände erreicht, während sich die S&P-Materialaktien dennoch fast im Korrekturbereich befänden. So gebe es eine Divergenz zwischen Materialbeständen und den tatsächlichen Rohstoffen. Anlegern empfiehlt er daher, bei Rohstoffen sehr wählerisch zu sein.

Einen attraktiven Einstiegszeitpunkt erwartet Rosenberg außerdem nach einem von ihm prognostizierten Abschwung der Renditen bei US-Staatsanleihen. So würden Staatsanleihen bei Rezessionen, unabhängig von einem stagflationären Umfeld oder nicht, gewöhnlich positive Renditen erzielen.

Wann kommt die Rezession?

Rosenberg weist darauf hin, dass sich die US-Wirtschaft hinsichtlich der Reallöhne bereits in einer Rezession befinde. Zum Zeitpunkt des Interviews sei der reale durchschnittliche Wochenverdienst bereits seit fünf Monaten in Folge negativ gewesen. Es bestehe eine Korrelation von mehr als 90 Prozent zwischen den realen Ausgaben und den realen Einkommen, und nur eine Verzögerung von wenigen Monaten trenne die beiden, so der Stratege.

"Wir haben mehr als 80 % des Weges durch diesen Zyklus hinter uns. Das würde irgendwann in diesem Sommer zu einer Rezession führen.", so Rosenberg gegenüber MarketWatch. Die Rezession dürfte laut seiner Prognose zwischen Juni und August - also entweder noch im zweiten oder im frühen dritten Quartal 2022 - bevorstehen.

Redaktion finanzen.net

Bildquellen: Reha Mark / Shutterstock.com, conrado / Shutterstock.com