Neuer Chef tritt an

Deutsche Börse AG: Ein Banker trimmt die Börse

15.05.15 03:00 Uhr

Deutsche Börse AG: Ein Banker trimmt die Börse | finanzen.net
Börse Frankfurt

Carsten Kengeter übernimmt die Führung beim Börsen­betreiber Deutsche Börse AG. Beinahe wäre der Investmentbanker sogar Chef der UBS geworden - ein Betrugsskandal bremste ihn dort jedoch aus

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von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag

Zeitenwende bei der Deutschen Börse: Am Donnerstag wird Carsten Kengeter auf der Hauptversammlung offiziell zum Nachfolger des langjährigen Börsenchefs Reto Francioni gekürt. Dem 48-Jährigen traut man zu, frischen Wind in den Eschborner Börsenbetreiber zu bringen. Bereits seit Monaten arbeitet der gebürtige Heilbronner Tür an Tür mit Fran­cioni zusammen, um sich für seinen Job warmzulaufen.

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Zwar kann sich der 59-Jährige Schweizer Francioni nach fast zehn Jahren an der Spitze und 17 Jahren im Vorstand durchaus mit einer Erfolgsbilanz verabschieden. Nach guten Zahlen im Geschäftsjahr 2014 übertraf auch das erste Quartal 2015 die Erwartungen, und die Jahresprognose wurde zuletzt angehoben. Doch der größte deutsche Börsenbetreiber muss sich weiterentwickeln. Kengeter, hochgewachsen, sportlich, wird vor allem die Internationalisierung in einem immer härteren Wettbewerbsumfeld vorantreiben müssen. Anders als der eher öffentlichkeitsscheue, bisweilen etwas träge wirkende Francioni gilt er als guter Kommunikator und ausgezeichneter Netzwerker.

Neue Geschäftsfelder gesucht

Der herkömmliche Aktienhandel bietet längst nicht mehr das nötige Wachstumspotenzial für die Deutsche Börse. Alternative Handelsplattformen wie Bats Chi-X oder Turquoise machen den regulären Börsen seit einigen Jahren zu schaffen - und sie ziehen das Tempo an: An der Spitze von Bats Chi-X beispielsweise steht inzwischen der Investmentbanker Mark Hemsley, der das Unternehmen mit Geschäftsfeldern wie Wertpapier­abwicklung und Devisenhandel gerade zu einer kompletten Börse ausbaut. Mit fast 22 Prozent Marktanteil ist diese Gruppe bereits Marktführer im europäischen Aktienhandel -weit vor der LSE Group, NYSE Euronext und der Deutschen Börse mit ihrem Handelssystem Xetra.
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Francioni hatte zunächst das Ziel, durch Übernahmen zu wachsen, war aber 2012 mit dem Versuch ­ gescheitert, die Mehrländerbörse NYSE Euronext zu übernehmen - die größte Niederlage des Schweizers. Daraufhin streckte er die Fühler in Richtung Asien aus, um über eine verstärkte Zusammenarbeit mit den dortigen Börsen neues Geschäft zu erschließen. So hat die Deutsche Börse in Singapur ein Wertpapier­abwicklungshaus eingerichtet und versucht über eine Kooperation mit der Börse Shanghai chinesische ­Investoren zu gewinnen. Taipeh, ­Seoul, Tokio, Bangkok, Manila und Mumbai - die Liste der Kooperationspartner-Börsen wächst kontinuierlich. Allerdings ist das Engagement insgesamt noch überschaubar: Rund 100 Millionen Euro setzte die Börse 2014 in der Region um - fünf Prozent des Gesamtumsatzes. Bis 2017 sollen 200 Millionen Euro erreicht sein.

Lebensmittelpunkt in London

Hier kommt nun Kengeter ins Spiel. 1997 war er zu Goldman Sachs gekommen und hatte dort die Verantwortung für die Handelsgeschäfte der Bank in Asien. Mehrere Jahre verbrachte er in Hongkong, er spricht fließend Mandarin. 2008 übernahm er bei der Schweizer Großbank UBS das Geschäft mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen und stieg rasch zum Chef für das weltweite Investmentbanking auf. Der damalige UBS-Chef Oswald Grübel hatte ihn schon für den Spitzenjob bei UBS auserkoren - da wurde 2011 in London ein Junior-Händler namens Kweku Adoboli verhaftet, der der Bank mit nicht autorisierten Handelsspekulationen einen Schaden von mehr als zwei Milliarden Euro beschert hatte. Grübel musste zurücktreten, die UBS-Strategie wurde geändert, Kengeter war der Weg nach oben verbaut. Mehrfach bot er seinen Rücktritt an, wurde jedoch beauftragt, seine Investmentbanking-Sparte zu verkleinern. 2013 verließ er die Bank.
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Zwischenzeitlich hatte Kengeter eine Gastprofessur am Finanzlehrstuhl der London School of Economics übernommen. Seinen Lebensmittelpunkt hat der verheiratete Vater von drei Kindern ohnehin in London. Zudem hat Kengeter in den vergangenen beiden Jahren in kleine Finanz-Start-ups und Biotechunternehmen investiert.

Für die Börse bringt er damit viel Erfahrung von der Bankenseite mit - den wichtigsten Kunden der Börse. Wachstumspotenzial verspricht neben dem Asien-Geschäft vor allem der Unternehmensbereich Wertpapierabwicklung. Dieses Geschäft dürfte von der strengeren Regulierung insbesondere des Derivatehandels profitieren, die dazu führt, dass Transaktionen wieder verstärkt auf regulären Börsen laufen. Auch die Aufbereitung von Marktdaten gilt als Wachstumsbereich - ein Gebiet, auf das sich beispielsweise die London Stock Exchange fokussiert hat. Auch die Weiterentwicklung von Technik und Infrastruktur wird Kengeter am Herzen liegen.

Francioni: "Er kann mich anrufen"

Wohin die Reise tatsächlich geht, steht derzeit aber noch nicht fest. Er habe viele Ideen, sagt Kengeter: "Meine Aufgabe wird es sein, diverse Brücken zwischen Frankfurt und dem Rest der Finanzwelt zu bauen." In London, Hongkong und New York ist der Deutsche jedenfalls bekannter als Francioni.

"Wir sind sicher, dass Herr Kengeter die Börse zu neuen, internationalen Perspektiven führen kann", gab Börsen-Aufsichtsratschef Joachim Faber dem neuen Vorstandschef mit auf den Weg. Dass ihn im Fall Adoboli keine persönliche Verantwortung trifft, habe man vorab überprüft. Was Reto Francioni ab Juni macht, ist nicht bekannt. Seinem Nachfolger steht er aber offenbar weiter zur Verfügung, wie er vor Kurzem sagte. "Es gibt Handys. Wenn Herr Kengeter mich braucht, kann er mich anrufen."

Investor-Info

Deutsche Börse
Aktienrückkauf angekündigt

Der Führungswechsel könnte die Aktie beleben. Seit Herbst 2014 liegt das Papier im Aufwärtstrend, der die verbesserten Geschäftszahlen widerspiegelt. Impulse könnte auch ein Aktienrückkaufprogramm geben, das Finanzvorstand Gregor Pottmeyer in Aussicht gestellt hat. Eine Dividendenrendite von rund drei Prozent macht das Papier zusätzlich attraktiv.

Geschäftsfelder
Abwicklung wird wichtiger

Nur noch acht Prozent trug der Handel mit Aktien (Xetra) 2014 zu den Gesamtnettoerlösen der Deutschen Börse bei. Größtes Geschäftsfeld ist mittlerweile die Eurex, eine der weltweit größten Terminbörsen für Finanzderivate. Die Luxemburger Tochter Clearstream verwaltet Wertpapiere und wickelt sie ab. Mit Papieren im Gesamtwert von insgesamt zwölf Billionen Euro ist sie einer der größten Wertpapierdienstleister weltweit. Die Sparte Marktdaten schließlich erstellt und verbreitet unter anderem rund 10.000 Indizes, beispielsweise aus der Stoxx- und der DAX-Familie.

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Bildquellen: Julian Mezger für Finanzen Verlag, Deutsche Börse

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