Deutsche Post sieht keine Verlagerung zur Regionalisierung
Der Wandel zur Regionalisierung ist nach Einschätzung der Deutschen Post und der Stern School of Business der New York University trotz der Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs bislang nicht eingetreten.
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Stattdessen hätten sich die internationalen Ströme von Kapital, Informationen und Waren 2022 über dem Niveau von vor der Pandemie befunden, teilte der weltweit tätige Logistikkonzern am Mittwoch in Dubai mit. Lediglich die Personenströme seien wegen des veränderten Reiseverhaltens der Menschen deutlich zurückgegangen.
In den kommenden Monaten dürften die internationalen Handelsströme den jüngsten Deutsche Post-Daten zufolge weiter wachsen - allerdings langsamer als zuletzt. Grund ist das schwächere globale Wirtschaftswachstum, auch bedingt durch die Zinserhöhungen zur Eindämmung der Inflation. Zudem erwägen zuletzt auch wieder mehr Unternehmen, ihre Produktion zu regionalisieren. So könnten sich die Lieferketten in den kommenden Jahren dann tatsächlich verkürzen. Die Post glaubt das bislang aber nicht.
Die neuesten Daten widerlegten eindeutig den Eindruck, dass die Globalisierung rückläufig sei, sagte Post-Vorstandsmitglied John Pearson. Er verantwortet beim
Bonner DAX 40-Konzern den Bereich DHL Express, den Bereich für zeitkritische Waren- und Brief-Sendungen, der im vergangenen Jahr mit mehr als vier Milliarden Euro fast die Hälfte des operativen Konzerngewinns ausgemacht hat.
Pearson bezieht sich in seiner Aussage auf den erneut von der Deutschen Post in Auftrag gegebenen DHL Global Connectedness Index. Er wurde von der Stern School of Business der New York University erstellt und befasst sich mit dem aktuellen Stand und den Perspektiven der Globalisierung. Die Daten stammen dem Index-Design zufolge aus 171 Ländern und Territorien, die 99,7 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts repräsentierten.
Im Jahr 2021 ist der Index über das Niveau vor der Pandemie gestiegen. Derzeit verfügbaren Daten deuteten zudem auf einen weiteren Anstieg im Jahr 2022 hin, heißt es in dem Bericht. Unterm Strich zeigten die globalen Ströme deshalb keine Anzeichen einer Verschiebung von Globalisierung zur Deglobalisierung. Die zukünftige Entwicklung bleibe offen.
Auch der Blick zurück, stützt die Auffassung der Post: In den vergangenen 20 Jahren hat die Entfernung der internationalen Ströme von Kapital, Informationen und Waren dem Index-Bericht zufolge durchschnittlich zugenommen. Der Trend verlangsamte sich demnach lediglich seit gut einem Jahrzehnt.
Gleichzeitig rückt für viele Unternehmen aber momentan offenbar die Idee der Regionalisierung wieder stärker in den Fokus. Über die Hälfte befragter Firmen erwog im April 2022, also nach Kriegsbeginn, ihre unternehmerischen Aktivitäten ins Inland zu verlagern ("Reshoring") oder in näher gelegene Länder ("Nearshoring"). Das geht aus einer Umfrage der Unternehmensberatung EY hervor, die die Deutsche Post in ihrem Bericht erwähnt.
2021 hatte gerade einmal knapp ein Viertel der Unternehmen solche Pläne, da sich damals der Handel von den coronabedingten Lieferkettenstörungen erholte. Im ersten Pandemiejahr 2020 waren es über 80 Prozent. Momentan unterstützen Regierungen Bemühungen zur Regionalisierung durch Subventionen, wie den Inflation Reduction Act in den Vereinigten Staaten. Ist Regionalisierung also das neue Mittel der Wahl in einer Krise?
Regionalisierung habe erhebliche Vorteile, sagte Steven Altman, Forscher an der New York University Stern School of Business. So können beispielsweise die Transportkosten gesenkt, sowie Transitzeiten und überregionale Abhängigkeiten reduziert werden. Andererseits finden Altman zufolge schon jetzt mehr als die Hälfte des gesamten Handels innerhalb von Regionen statt. Seiner Einschätzung nach sind zudem die Vorteile des Fernhandels nach wie vor bedeutend. Dazu zählen Spezialisierung und Größenvorteile, sowie der andernfalls verwehrte Zugang zu Vorleistungen.
Als sicher gilt: Bis Lieferketten tatsächlich umgestaltet sind, können Jahre vergehen. Einer Schätzung der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge, würde beispielsweise Apple acht Jahre brauchen, um 10 Prozent der Iphone-Produktion von China zu entkoppeln.
Allerdings dürfte sich das Handelswachstum weiter verlangsamen, was den Trend zu verkürzten Lieferketten begünstigen könnte. So prognostiziert der internationale Währungsfonds für 2023 ein Wachstum des internationalen Warenverkehrs von lediglich 2,4 Prozent. Andere Prognosen gehen sogar von einer noch stärkeren Verlangsamung aus.
Für die Post wären kürzere Lieferketten mindestens mal eine Herausforderung. Schließlich verdient der Konzern operativ rund 90 Prozent in den internationalen DHL-Divisionen im Vergleich zum Brief- und Paketgeschäft im Heimatmarkt.
DUBAI (dpa-AFX)
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