Nach Trump-Interview

Merkel zu Trump-Kritik: Europa hat Schicksal selbst in der Hand

16.01.17 15:48 Uhr

Merkel zu Trump-Kritik: Europa hat Schicksal selbst in der Hand | finanzen.net

Mit Besorgnis und Unverständnis, aber auch Aufrufen zu mehr Selbstbewusstsein hat die Politik in Deutschland auf harsche Kritik des designierten US-Präsidenten Donald Trump reagiert.

So forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die EU am Montag auf, sich nicht beirren zu lassen: "Also, ich denke, wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand." Mit wirtschaftlicher Stärke und effizienten Entscheidungsstrukturen könne die EU den Kampf gegen den Terrorismus, die Digitalisierung und andere Probleme bewältigen.

Zu Trumps Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik sagte Merkel, der Anti-Terror-Kampf sei eine große Herausforderung für alle. "Ich würde das von der Frage der Flüchtlinge noch einmal deutlich trennen." Viele Syrer seien nicht nur vor dem Bürgerkrieg geflohen, sondern auch vor Terrorismus in ihrem Land. Sie warte "jetzt erst einmal auf die Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten".

Trump hatte "Bild" und Londoner "Times" gesagt: "Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland." Merkels Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen, bezeichnete er als "katastrophalen Fehler" - auch mit Blick auf das Terrorrisiko. Der EU sagte Trump ohne Bedauern weitere Austritte voraus, die Nato nannte er im jetzigen Zustand obsolet. Diese Sichtweise sei in Brüssel mit "Verwunderung und Aufregung" aufgenommen worden, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte davor, auf die Strafzoll-Ankündigungen Trumps mit gleicher Münze zu reagieren. "Würden wir uns derart abschotten wie es der neue US-Präsident vorhat, würden wir Hunderttausende von Arbeitsplätzen verlieren", sagte der SPD-Chef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er rate, jetzt nicht hektisch zu werden. "Wir haben keine Angst vor Wettbewerb."

Über deutsche Autobauern hatte Trump zuvor gesagt: "Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen." Dem Hersteller BMW, der 2019 eine Fabrik in Mexiko eröffnen will, legte Trump nahe, diese Fabrik in den USA zu bauen.

Auch der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rief zur Gelassenheit auf. Viele der Trump-Aussagen seien "in sich nicht schlüssig, widersprechen den Aussagen aus seinem Team, und sie werden sich so auch nicht umsetzen lassen", sagte der SPD-Spitzenpolitiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Er könne gleichwohl verstehen, dass Trump Irritationen hervorrufe, weil das Interview in Form, Wortwahl und Inhalt stellenweise befremdlich wirke.

CDU-Vorstandsmitglied Jens Spahn sieht bei Trump ein falsches Bild von der EU, "auch von dem, was sie leistet". Er sagte im "Bild"-Talk, die EU sei auch "eine Wertegemeinschaft". Ähnlich bewertete der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen Trumps Äußerungen. Er sagte der "Heilbronner Stimme": "Trump ist Trump geblieben. (...) Was sich verfestigt, ist die Sichtweise Trumps, in der der Westen keine Rolle spielt, weder als normative noch als politische Einheit. Diese Einheit war und ist aber entscheidend für die Sicherheit Europas."

Deutschland muss sich nach Ansicht der Grünen angesichts der jüngsten Trump-Aussagen stärker für Europa engagieren. Als "geradezu zwingende Konsequenz" müsse das höchste Ziel der deutschen Außenpolitik "die Stärkung und der Erhalt der Europäischen Union" sein, sagte Parteichef Cem Özdemir. Man müsse sich auf "harte Zeiten" im transatlantischen Verhältnis einstellen und neue Partner suchen, etwa Kanada oder die einzelnen US-Bundesstaaten.

FDP-Chef Christian Lindner forderte die Bundesregierung auf, nun nicht "in Hysterie" über eine Schwächung der Nato zu reden, sondern ihr aktiv entgegenzutreten. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Deutschland könne kein Interesse daran haben, dass die Distanz zu den USA größer werde. Deshalb solle die Regierung "schnellstmöglich die Gespräche mit unseren amerikanischen Partnern intensivieren".

Die AfD freute sich indes über Trumps Äußerungen. "Was der zukünftige amerikanische Präsident in seinem umfassenden Interview thematisiert, klingt durchaus vernünftig", sagte Vorstandsmitglied Paul Hampel. Wären in Syrien Schutzzonen für Zivilisten eingerichtet worden, wie von Trump nun vorgeschlagen, hätte Deutschland viel Geld sparen können, das nun für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aufgewendet werden müsse. Der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski zeigte Verständnis für Trumps Enttäuschung über die Nato. Die Europäer müssten künftig militärisch mehr liefern./ll/abc/DP/stw

BERLIN (dpa-AFX)

Bildquellen: Adam Berry/Getty Images, TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images