EVOTEC-Aktie mit schwerem Stand: EVOTEC trotz des Bayer-Rückschlags kein Flop
Der Pharmaforscher EVOTEC hat in den vergangenen Monaten an der Börse viel von seinem früheren Glanz verloren.
Seitdem der Pharmakonzern Bayer Anfang Februar völlig unerwartet die Tests mit einem vermeintlich aussichtsreichen Hustenmittel einstellte, wird sein lange am Aktienmarkt hofierter Hamburger Forschungspartner von den Investoren mit Vorsicht beäugt. Nach dem Rekordlauf in 2021 hat die EVOTEC-Aktie aktuell einen schweren Stand. Doch im Tagesgeschäft hat der Bayer-Rückschlag für EVOTEC letztlich kaum etwas geändert. Zur Lage des Unternehmens, was die Analysten sagen, und was die Aktie macht.
LAGE DES UNTERNEHMENS:
In der Pharmaforschung gehören Enttäuschungen zum täglichen Geschäft. Selbst die vermeintlich aussichtsreichsten Projekte bergen das Risiko, am Ende doch noch zu den Akten gelegt zu werden, weil die Wirklichkeit die Hoffnungen eingeholt hat. Der Pharmakonzern Bayer beendete die Tests mit dem Mittel Eliapixant trotz zuvor recht erfreulicher Daten. Damit gerechnet hatte deshalb keiner. Auch EVOTEC wurde vom Aus für das Mittel offenbar kalt erwischt, das noch aus einer älteren Kooperation mit Bayer stammte.
Bayer begründete die Einstellung der Tests mit einem nicht hinreichenden Verhältnis aus Risiko und Nutzen. Nun liegt der Ball bei den Hamburgern. Einer EVOTEC-Sprecherin zufolge befindet sich das Unternehmen noch immer in der "Evaluierungsphase" - sprich: Man überlegt, was aus Eliapixant werden soll. Einen neuen Partner suchen, auf eigene Faust weiter machen, oder komplett die Forschung einstellen - diese drei Optionen gibt es.
Es ist durchaus nicht das erste Mal, dass ein Kooperationspartner EVOTEC ein Projekt zurückgibt, weil er damit nichts mehr anfangen kann. Sanofi hatte dies beispielsweise 2020 getan, weil die Franzosen Diabetes nicht mehr als ihren Forschungsschwerpunkt weiterbetreiben. Dennoch schlug Sanofis Ausstieg aus dem Projekt weitaus weniger Wellen am Aktienmarkt als der Rückschlag mit Bayer.
Der Grund: Eliapixant wurde von den Börsianern lange als eines der aussichtsreichsten Medikamente in der Pipeline von EVOTEC angesehen. Dieser Umstand wird umso gewichtiger, da aus der umfangreichen Forschung von EVOTEC bis dato noch kein einziges Mittel mit einer Marktzulassung hervorgegangen ist. Was dem geschäftlichen Erfolg des MDAX-Unternehmens allerdings keinen Abbruch tut. Denn EVOTEC ist so breit aufgestellt, dass es einen Rückschlag wie Eliapixant eigentlich locker verschmerzen kann. Schließlich forscht der Konzern inzwischen an mehr als 3300 Krankheiten in mehr als 100 Projekten.
Neben der umfangreichen Auftragsforschung für andere Pharmaunternehmen und akademische Einrichtungen betreiben die Hamburger auch auf eigene Faust eine breit angelegte Suche nach neuen Medikamenten. EVOTEC-Chef Werner Lanthaler hat das Geschäft in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut. Auf Basis diverser Forschungsplattformen und neuartiger wissenschaftlicher Ansätze hat der langjährige Firmenlenker das Unternehmen als Partner attraktiv gemacht.
Der Konzern arbeitet inzwischen als Forscher, Entwickler und Produzent - in Toulouse und den USA wurden zuletzt zwei Anlagen für die Herstellung biotechnologisch hergestellter Arzneistoffe (J.POD) errichtet. Um seine Trefferquote zu erhöhen und mögliche Erfolge bei der Wirkstoffsuche besser voraussagen zu können, setzt der Konzern auch auf künstliche Intelligenz. Eine frisch an den Markt gebrachte Datenbank gilt in diesem Zusammengang als wichtiger Pfeiler der Wachstumsstrategie der nächsten Jahre.
Während EVOTEC derzeit viel in die Erweiterung von Forschung und Entwicklung investiert, fließt im Gegenzug das Geld üblicherweise auch in Form von Meilensteinen beim Erreichen bestimmter Ziele in die Kassen der Hanseaten. Unlängst gab es beispielsweise drei Millionen Euro von Bayer, denn die Leverkusener haben EVOTEC keineswegs komplett den Rücken gekehrt und forschen in anderen gemeinsamen Projekten weiter.
Bis 2025 will EVOTEC seinen Umsatz auf mehr als eine Milliarde Euro steigern und das bereinigte Betriebsergebnis (Ebitda) auf mehr als 300 Millionen Euro. Wie die Geschäfte zuletzt bei den Hamburgern gelaufen sind, weiß die Börse allerdings noch nicht. Erst Mitte April veröffentlicht die Firma als absoluter Nachzügler der vergangenen Berichtssaison ihre Zahlen für 2021. Analysten erwarten, es könnte diesmal etwas gedämpfter zugehen - denn EVOTEC muss die Kosten für den Start der Anlage in den USA verdauen. Der Konzern selbst stellt für 2021 ein bereinigtes Betriebsergebnis (Ebitda) von 100 bis 120 Millionen Euro in Aussicht nach knapp 107 Millionen in 2020.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Auch viele Analysten zeigten sich von dem Aus für Eliapixant überrascht - einige Kurszielsenkungen folgten auf dem Fuß. Anleger sollten aus der Nachricht keine Rückschlüsse auf den Wert der Wirkstoffplattformen von EVOTEC insgesamt ziehen, warnte zwar RBC-Analystin Zoe Karamanoli. Allerdings sei am Markt Eliapixant schon als Prüfstein für die Eignung des Geschäftsmodells der Hamburger gesehen worden, räumte sie ein.
Nach Einschätzung der Expertin macht EVOTECs Strategie die Aktien aber unverändert zu einem Kauf. Die Firma nutze ihre Forschungsplattform und die jeweilige Therapie-Expertise, um zu wachsen und Wert zu schaffen. So wolle EVOTEC beispielsweise mittelfristig von seinem Geschäft mit Präzisionstechnologien in der Medikamentenforschung stark profitieren.
Mit Blick auf den operativen Gewinn (Ebitda) im aktuellen Jahr ist laut der Analystin jedoch Vorsicht angezeigt, denn das Geschäft mit der Vertragsherstellung von Produkten für andere Pharmaunternehmen (CDMO) dürfte 2022 investitionsbedingt Verluste schreiben.
Diese Gründe führt auch Falko Friedrichs von der Deutschen Bank an. Im neuen Geschäftsjahr dürfte sich deshalb das Tagesgeschäft von EVOTEC weniger schwungvoll gestalten als zunächst von ihm gedacht. Der Experte geht derweil davon aus, dass EVOTEC für 2021 beim bereinigten operativen Gewinn nur das untere Ende der eigenen Zielspanne erreicht haben dürfte, wenngleich die Hamburger vermutlich mehr Umsatz gemacht haben sollten als eingeplant. Die Nachricht von Bayer wertete Friedrichs unterdessen als Erinnerung daran, dass Erfolge in der Biotechnologie schwer vorhersehbar sind.
Bei Eliapixant habe es sich um einen der am weitesten fortgeschrittenen Wirkstoffe gehandelt, was klar negativ sei für die Anlegerstimmung, urteilte Christian Ehmann vom Analysehaus Warburg Research. Die übrigen Säulen des positiven Investmentstory aber blieben intakt. Weil EVOTEC stark auf Kooperationen setze, sei der Effekt begrenzter, wenn ein Wirkstoff scheitere. Generell hält er das EVOTEC-Papier für unterbewertet und vor allem als Wert für langfristig orientierte Anleger geeignet.
Die Mehrheit der von dpa-AFX seit der letzten Bilanzvorlage im November erfassten Analysten votiert mit sechs Stimmen für den Kauf der Aktien. Zwei sind neutral, eine Verkaufsempfehlung gibt es nicht. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 43,25 Euro - und damit weit über dem aktuellen Kurs.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die lange erfolgsverwöhnten EVOTEC -Anleger mussten in den vergangenen Monaten einiges verkraften: Seit dem im vergangenen September erreichten 20-Jahreshoch bei 45,83 Euro geht es mit dem Kurs kontinuierlich bergab. Der Kurs hat seit dem Zwischenhoch bis dato fast 40 Prozent verloren, am Dienstag bewegt sich das Papier bei 28,42 Euro. Eine wahrhaft ungewohnte Situation, bewegte sich das Papier in den vergangenen Jahren doch fast ausnahmslos Richtung Norden.
Es ist zum einen die allgemeine Branchenschwäche, die die EVOTEC-Aktie nach unten zieht, denn auch die in der Corona-Pandemie stark angezogenen Bewertungen im Biotechnologiesektor haben inzwischen wieder kräftig eingebüßt. Der Nasdaq Biotechnology Index verlor seit seinem Hoch im vergangenen Sommer mehr als ein Fünftel. Das EVOTEC-Papier erwischte es allerdings in dieser Zeit noch viel herber: Für einen kräftigen Kursdämpfer sorgte zudem Anfang Februar das Hustenmittel-Aus von Bayer. Die Aktie verlor binnen eines Tages stellenweise knapp ein Fünftel an Wert und rutschte in den Wochen danach bis auf 23,26 Euro - dies war der niedrigste Kurs seit Dezember 2020.
Von diesem Rückschlag hat sich das Papier bis heute nicht erholt. Aktuell ist EVOTEC nur noch gut 5 Milliarden Euro an der Börse wert und damit im Mittelfeld des MDAX weiter abgerutscht. Zuletzt konnte sich die Aktie mit der allgemeinen Markterholung zwar etwas berappeln, mit aktuell gut 28,50 Euro steht seit Jahresbeginn jedoch ein Verlust von rund einem Drittel zu Buche. Die Zwölfmonatsbilanz beträgt mehr als zehn Prozent Minus. Längerfristige Anleger können das eventuell verschmerzen, denn auf Fünfjahressicht beispielsweise hat sich ihr Einsatz gleichwohl nahezu verdreifacht.
/tav/jcf/stk
HAMBURG (dpa-AFX)
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