Nach Heimdebakel

Vorweihnachtliches Beben beim BVB: Aus für Trainer Favre - BVB-Aktie tiefer

14.12.20 15:27 Uhr

Vorweihnachtliches Beben beim BVB: Aus für Trainer Favre - BVB-Aktie tiefer | finanzen.net

Zu Beginn seiner Amtszeit als Bessermacher gefeiert, am Ende als Zauderer vertrieben - die Trennung von Lucien Favre hat bei Borussia Dortmund für ein vorweihnachtliches Beben gesorgt.

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Keine 24 Stunden nach dem 1:5-Debakel gegen den VfB Stuttgart zog der Revierclub die Konsequenzen und beendete die eigentlich vertraglich bis Sommer 2021 vereinbarte Zusammenarbeit mit dem 63 Jahre alten Schweizer vorzeitig.

Der Fußball-Lehrer machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. "Ich finde es schade, dass sich unsere Wege hier trennen. Wir hatten zwei erfolgreiche Jahre und haben eine Mannschaft, die auch in diesem Jahr am Ende eine erfolgreiche Saison gespielt hätte. Davon bin ich nach wie vor überzeugt", sagte er am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Sein bisheriger Assistent Edin Terzic soll zunächst bis Saisonende übernehmen und schon am Dienstag im Spiel bei Werder Bremen Regie führen. Der bisherige U17-Trainer Sebastian Geppert und Top-Talente-Coach Otto Addo werden ihm assistieren.

Angesichts der anhaltenden Talfahrt mit zuletzt drei Heimniederlagen in Serie sah sich die Vereinsspitze zu diesem Schritt gezwungen. Der desolate Auftritt gegen den VfB kostete Favre den letzten Rest Vertrauen. Die Sorge um das Verpassen der gerade in Corona-Zeiten eminent wichtigen Champions-League-Qualifikation wurde zu groß. "Es fällt uns schwer, diesen Schritt zu gehen. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass das Erreichen unserer Saisonziele aufgrund der zuletzt negativen Entwicklung in der gegenwärtigen Konstellation stark gefährdet ist und wir deshalb handeln müssen", sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc.

Das krachende 1:5 gegen Aufsteiger Stuttgart, mit dem das noch vor wenigen Wochen hochgehandelte Team vorerst Abschied aus dem Titelrennen nahm, hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wenige Stunden nach der Partie als "schwarzen Tag" bezeichnet und eine umgehende Analyse angekündigt. Nicht der Favorit aus Dortmund, sondern der freche Underdog aus Stuttgart bot ein Spektakel und führte den BVB mit hohem Tempo, großer Laufbereitschaft und leidenschaftlicher Zweikampfführung phasenweise vor.

Dass die Borussia auch schon in den beiden vorherigen Bundesliga-Partien gegen Köln (1:2) und Frankfurt (1:1) geschwächelt hatte, wurde intern als weiteres Indiz für ein gestörtes Verhältnis zwischen Trainer und Team gewertet. Gleichwohl würdigte Vereinschef Hans-Joachim Watzke die Verdienste des Schweizers: "Wir alle sind Lucien Favre dankbar für seine hervorragende Arbeit in den vergangenen zweieinhalb Jahren, in denen er mit seinem Team zwei Vizemeisterschaften errungen hat. Als Fachmann und als Mensch ist Lucien Favre über jeden Zweifel erhaben."

Vor allem der erfolgreiche Umgang von Favre mit jungen Spielern wird beim BVB in guter Erinnerung bleiben. So verhalf er Jungstars wie Jadon Sancho und Giovanni Reyna zum Durchbruch. Zudem führte er den Club dreimal in Serie in das Achtelfinale der Champions League.

'Produkt dieses Vereins': BVB-Fan Terzic will Trainer-Chance nutzen

Platzhalter für Marco Rose oder Dauerlösung als Trainer: BVB-Fan Edin Terzic will seinen Herzensclub Borussia Dortmund zurück zu alter Stärke führen und seine Chance als Chefcoach in der Fußball-Bundesliga nutzen. Der erst 38 Jahre alte bisherige Co-Trainer gab sich nach seiner Amtsübernahme vom bisherigen Chef Lucien Favre am Montag entschlossen, ganz schnell eine Reaktion auf das verheerende 1:5 am Samstag gegen Aufsteiger VfB Stuttgart zu zeigen. "Für Nervosität fehlt einfach die Zeit", sagte Terzic, der bereits am Dienstag bei Werder Bremen (20.30 Uhr/Sky) gefordert ist.

"Wir haben so viele gute Dinge gezeigt in der Vergangenheit, an viele Dinge müssen wir uns zurückerinnern, die müssen wir konservieren", sagte der im Verein geschätzte und beliebte Terzic. Weitere Pluspunkte beim Anhang dürfte der frühere Regionalligaspieler mit seinem selbstbewussten, aber nicht zu forschen Auftritt gesammelt haben, bei dem er authentische Liebe zum Verein demonstrierte.

"Das ist ja eine unglaubliche Situation", sagte Terzic, dem der Stolz auf seine neue Rolle anzusehen war. "Ich bin ja auch ein Produkt dieses Vereins. Ich war als Neunjähriger das erste Mal hier im Stadion. Danach war klar, für wen das Herz schlägt. Ich habe niemals gewagt zu träumen, hier mal Cheftrainer zu sein."

Vom neuen Chefcoach erhoffen sich die Bosse mehr Emotionen als vom nüchtern-analytischen Schweizer Favre, der nach drei sieglosen Ligaspielen und einer deutlich absinkenden Formkurve des Teams nach zweieinhalb Jahren gehen musste. Sportchef Michael Zorc lobte Terzic, der 2018 nach Stationen als Co-Trainer von Slaven Bilic bei Besiktas Istanbul und West Ham United zum BVB zurückgekehrt war, als "ausgewiesenen Fachmann und guten Typen".

Durchaus auch selbstkritisch gab Terzic zu bedenken, schon Teil des bisherigen Trainerteams von Favre gewesen zu sein: "Ich bin auch dafür verantwortlich, was am Samstag passiert ist. Es bietet sich jetzt aber die Chance, das wieder geradezurücken." Möglicherweise bietet sich trotz aller Gerüchte über das Dortmunder Interesse an Borussia Mönchengladbachs Coach Marco Rose auch die große Chance für Terzic, sich als Cheftrainer durchzusetzen. Beim BVB. Eine Rolle, die der 38-Jährige dem Vernehmen nach auf jeden Fall anstrebt.

"Der Vertrag geht zunächst bis zum Sommer", sagte Zorc und ließ damit die Option offen, bei entsprechendem Erfolg von Terzic durchaus mit dem Fan auf der BVB-Trainerbank weiterzumachen. "Der Sommer ist weit weg, das werden wir noch besprechen", kündigte Zorc an. Clubchef Hans-Joachim Watzke bezeichnete es als "dynamischen" Prozess, was im Sommer geschehe. "Von daher ist gar nichts klar. Wir werden irgendwann schauen, was wir machen", sagte Watzke bei "Bild Live".

Möglicherweise kann auch Terzic die Rolle eines emotionalen, authentischen BVB-Trainers erfüllen, den sich die Bosse seit dem Abgang von Jürgen Klopp 2015 so sehr wünschen. Seit Wochen halten sich Gerüchte, wonach Watzke Klopps Ebenbild in dessen Kumpel Rose entdeckt haben soll. Nach Informationen der "Ruhr-Nachrichten" besteht schon seit einiger Zeit Kontakt zu Rose, der die kleinere Borussia gerade erst ins Achtelfinale der Champions League geführt hat. Die Gespräche mit dem 44-Jährigen seien bereits weit, aber noch sei nichts entschieden. "Wir sind froh, dass Marco bei uns ist", sagte Gladbachs Sportchef Max Eberl am Montag bei Sky. "Wir wollen mit Marco Rose in die Zukunft gehen. Das ist unser Ziel."

Aussagen von Eberl im "Aktuellen Sportstudio" im ZDF am Samstag waren teils so gedeutet worden, dass Rose über eine Ausstiegsklausel im Sommer verfügt. "Das ist nicht meine Entscheidung, das ist die Entscheidung eines Menschen, der dann vielleicht ein Angebot hat - oder nicht", hatte Eberl trotz Roses Vertrags in Gladbach bis 2022 gesagt. Am Montag präzisierte Eberl: "Wenn ein Trainer weg wollen würde, nützt es auch nichts, wenn man keine Klausel hätte."

In der Vergangenheit waren neben Rose auch Julian Nagelsmann von RB Leipzig, Salzburgs Jesse Marsch und Frankfurts Adi Hütter genannt worden. Nagelsmann hatte in der Vergangenheit aber des Öfteren seine Zuneigung zum FC Bayern München durchblicken lassen und soll sich als Karrieresprung nach Leipzig angeblich sonst eher einen internationalen Club über dem BVB-Level vorstellen.

Indes scheint Terzic schon voll fokussiert auf seine neue Rolle und seine vielleicht einmalige Chance zu sein. "Mit der Emotionalität ist das natürlich so eine Sache. Man muss als Trainer verschiedene Rollen bedienen", sagte Terzic so entschlossen wie reflektiert. "Es muss jetzt auch mal eine harte Entscheidung geben - aus meinem Mund", sagte der bisherige Spieler-Kumpel. Terzic scheint bereit dafür.

Borussia Dortmund verliert nach Niederlage auch am Aktienmarkt

Auf die 1:5-Niederlage gegen Stuttgart und der anschließenden Trainer-Entlassung von Lucien Favre haben am Montag auch die Aktien-Anleger von Borussia Dortmund enttäuscht reagiert. Die im SDAX notierten Titel rutschen im XETRA-Handel zeitweise um 0,53 Prozent auf 5,59 Euro ab.

Das schockierende Ergebnis im Heimspiel gegen Stuttgart belaste erst einmal deutlich, sagte ein Händler. Die Borussia rutschte damit in der Tabelle weiter ab und droht den Anschluss an die Spitze in der Bundesliga zu verlieren. Dem Händler zufolge könnte die Nachricht von der Trainerentlassung aber möglicherweise mit etwas Verzögerung auch positiv wirken, denn offenbar habe es Favre nicht vermocht, das Beste aus der Mannschaft herauszuholen.

DORTMUND (dpa-AFX)

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