Mutmaßliche Luftbuchungen

Wirecard-Aktie verliert erneut massiv: Marsalek will sich angeblich Justiz stellen - BofA senkt Kursziel auf 1 Euro

24.06.20 18:14 Uhr

Wirecard-Aktie verliert erneut massiv: Marsalek will sich angeblich Justiz stellen - BofA senkt Kursziel auf 1 Euro | finanzen.net

Der Handel in den von einem Bilanzskandal niedergeschmetterten Aktien von Wirecard bleibt zur Wochenmitte weiter nervös.

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So erholten sich die Papiere des Zahlungsabwicklers im XETRA-Handel zunächst um gut 15 Prozent auf 19,80 Euro. Die Anleger zogen sich jedoch schnell wieder zurück und reichten die Anteile bis auf ein bisheriges von 11,41 Euro durch. Eine Insidermeldung über einen Aufschub der Banken für eine auslaufende Kreditlinie der im Bilanzskandal versunkenen Wirecard hat die Anleger am Mittwoch nur kurz gefreut. Nach einem solidem Start war die Erholung schnell passé, im freien Fall weiteten die Papiere ihr Minus aus. Im Tief kosteten sie via XETRA nur noch 11,41 Euro - und damit so wenig wie zuletzt 2011. Zum Handelsende wies die Wirecard-Aktie einen Abschlag von 28,30 Prozent auf 12,30 Euro aus. Das kurze Aufbäumen am Vortag war damit wieder abgehakt. Es geht die Furcht um, dass Kunden dem Unternehmen nun massenweise den Rücken kehren könnten.

Im Zuge der abermaligen Verschiebung der Bilanz für 2019 und dem Eingeständnis mutmaßlicher Luftbuchungen in Milliardenhöhe waren die Papiere in drei Handelstagen bis zum Montag um fast 88 Prozent auf 12,994 Euro eingebrochen, bevor eine gewisse Stabilisierung einsetzte.

Wirecard fast wertlos - Kursziel 1 Euro

Die US-Investmentbank Bank of America (BofA) räumt der Wirecard-Aktie kaum noch einen Wert ein. Auf die fundamentale Bewertung der Aktie habe er einen Abschlag von 90 Prozent vorgenommen, schrieb der zuständige Analyst in einer am Mittwoch vorliegenden Studie. Entsprechend stutzte die BofA das Kursziel für die Papiere des Zahlungsabwicklers von 14 auf 1 Euro zusammen und beließ die Einstufung auf "Underperform".

Der massive Kursabschlag spiegele folgende Risiken wider: Den Verlust von Kunden und Lizenzen, die Streichung bestehender Kreditlinien sowie die generelle Unsicherheit rund um den Bezahldienstleister, die noch eine Weile fortdauern dürfte, heißt es in der Studie. Für das laufende Jahr rechnet die BofA zwar noch mit einem Gewinnwachstum (EPS) von knapp 50 Prozent, für 2021 jedoch mit einem leichten Rückgang.

Jüngste Nachrichten zu Wirecard ließen darauf schließen, dass Kunden bereits begonnen hätten, sich von dem Unternehmen abzuwenden und Kreditgeber Kreditlinien stoppen könnten. Die Geschäfte könnten dann nicht mehr fortgeführt werden.

Gemäß der Einstufung "Underperform" schätzt die Bank of America die Aktie als einen der am wenigsten attraktiven Werte in dem Beobachtungsuniversum ein.

Ex-Wirecard-Chef Braun hat Millionen-Kaution gezahlt

Der im Milliardenskandal beim DAX-Konzern Wirecard unter Verdacht stehende frühere Vorstandschef Markus Braun hat die fünf Millionen Euro Kaution für seine Freilassung aus der Untersuchungshaft bezahlt. Das sagte ein Sprecher des Münchner Amtsgerichts am Mittwoch auf Anfrage. Das Geld sei noch am Dienstagnachmittag hinterlegt worden, Braun wurde anschließend auf freien Fuß gesetzt.

Abgesehen von der hohen Kaution muss sich Braun für die Dauer der Ermittlungen wöchentlich bei der Polizei melden. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun in der Affäre um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro unrichtige Darstellung der Wirecard-Bilanzen und Marktmanipulation vor.

Banken gewähren Wirecard wohl bei Kredit kurzen Aufschub

Wirecard hat für seine auslaufende Kreditlinie laut Insidern vorerst Aufschub von den Banken erhalten. Die Institute hätten sich entschieden, zunächst die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu prüfen, bevor sie die ausstehende Summe von 1,75 Milliarden Euro zurückfordern, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Der Aufschub dürfte aber nur für kurze Zeit gelten, hieß es.

Dem Bericht zufolge prüft die Beratungsfirma FTI derzeit, ob Wirecard die Kreditbedingungen eingehalten hat. Die Banken selbst sprächen mit Wirecards Geschäftspartnern wie den Kreditkartenanbietern Visa und MasterCard um herauszufinden, wie sie sich die Rückzahlung einer möglichst hohen Summe sichern könnten. FTI und Wirecard wollten sich dazu nicht äußern.

Suche auf den Philippinen nach Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek

Die Philippinen haben Geldwäsche-Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bilanzskandal bei Wirecard eingeleitet - und eine Suche nach Ex-Vorstand Jan Marsalek. Justizminister Menardo Guevarra sagte am Mittwoch, er habe die Einwanderungsbehörde angewiesen, die Möglichkeit zu prüfen, ob Marsalek im Land sein könnte.

Die Aufzeichnungen des Büros zeigten, dass Marsalek am 3. März in Manila war, aber zwei Tage später abreiste, sagte Guevarra Reportern.

"Es gibt jedoch einige Hinweise darauf, dass er kürzlich zurückgekehrt ist und möglicherweise noch dort ist", fügte er hinzu.

Marsalek galt bei Wirecard als rechte Hand des gestürzten Vorstandschefs Markus Braun. Er war für das Tagesgeschäft verantwortlich, wurde aber vergangene Woche zuerst suspendiert, am Montag dann entlassen. Der Manager war jahrelang als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft zuständig gewesen.

Wirecard hatte am Montag eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten in den Philippinen verbucht sein sollten, sehr wahrscheinlich nicht existieren. Die philippinische Zentralbank teilte am Sonntag mit, die fehlenden Gelder seien nicht in das Finanzsystem des Landes geflossen.

Guevarra sagte ferner, er habe keine Informationen darüber, ob Wirecard auf den Philippinen tätig sei. Er habe jedoch die Ermittlungsbehörde National Bureau of Investigation (NBI) angewiesen, mit dem Anti-Geldwäsche-Rat AMLC zusammenzuarbeiten, um den Fall zu untersuchen. "NBI und AMLC werden zusammenarbeiten, sofern es Hinweise auf Geldwäsche gibt", sagte er.

Marsalek will sich einem Zeitungsbericht zufolge der deutschen Justiz stellen.

Marsalek wolle sich der Staatsanwaltschaft München Anfang der kommenden Woche stellen, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch unter Berufung auf Informationen aus Kreisen von Kennern des Ermittlungsverfahrens. Sein Kalkül sei es, wie bereits der frühere Wirecard-Chef Markus Braun ebenfalls gegen Kaution und weitere Auflagen von einer Untersuchungshaft verschont zu werden.

Singapurer Polizei ermittelt in Wirecard-Skandal weiter

In der Bilanzaffäre hat die Singapurer Polizei ihre seit über einem Jahr laufenden Ermittlungen gegen eine Schlüsselfigur bislang nicht abgeschlossen. Ein Sprecher der Singapore Police Force (SPF) lehnte eine inhaltliche Stellungnahme am Mittwoch unter Verweis auf die laufende Untersuchung ab.

Bei den Ermittlungen geht es um den Manager Edo Kurniawan, den früheren Leiter der Buchhaltung von Wirecard in dem südostasiatischen Inselstaat. Kurniawan hatte das Unternehmen im April 2019 verlassen, nachdem ein erster von Wirecard in Auftrag gegebener Untersuchungsbericht finanzielle Unregelmäßigkeiten festgestellt hatte.

Auslöser waren Berichte der britischen "Financial Times" unter anderem über mutmaßliche Geldverschiebungen über mehrere Stationen, die Umsätze höher aussehen lassen sollen, als sie sind.

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Analysierendes Institut Bank of America

Veröffentlichung der Original-Studie: 24.06.2020 / Uhrzeit in Studie nicht angegeben / EST Erstmalige Weitergabe der Original-Studie: Datum in Studie nicht angegeben / Uhrzeit in Studie nicht angegeben / Zeitzone in Studie nicht angegeben

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Bildquellen: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

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