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thyssenkrupp: Chefin Merz pumpt frische Fantasie in die Industrie-Aktie

19.01.22 12:15 Uhr

thyssenkrupp: Chefin Merz pumpt frische Fantasie in die Industrie-Aktie | finanzen.net

Kraftzwerg für die Wasserstoff-Ära: Bis zum Sommer soll die Wasserstoffsparte des thyssenkrupp-Konzerns aufs Parkett. Details werden mit Spannung auf einem Kapitalmarkttag erwartet.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Gemessen am Umsatz von 300 Millionen Euro ist die auf Elektrolyse zur Abspaltung von Wasserstoff spezialisierte thyssenkrupp-Tochter Uhde Chlorine Engineers (UCE) der Zwerg im Verbund. Der Konzern in Essen erlöste im vergangenen Jahr 34 Milliarden Euro. Mit dem für das zweite Quartal avisierten Börsendebüt (IPO) von UCE könnte sich der Chemieanlagenbauer aus Dortmund jedoch zum Kraftzwerg entwickeln und den Börsenwert des Mutterkonzerns anschieben.

Argumente dafür dürfte der virtuelle Kapitalmarkttag zum IPO am kommenden Donnerstag liefern. Eine freundliche Stimmung an den Aktienmärkten vorausgesetzt, sind die Aussichten für ein gelungenes Börsendebüt sehr gut.

Für die Strategie des Traditionskonzerns, der sich seit geraumer Zeit in einem großen Umbau befindet und auf diesem Weg einige größere Rückschläge wegstecken musste, wäre ein Börsenerfolg der Tochter ein großer Schub.

Größer als die Konkurrenten

Die thyssenkrupp-Beteiligung UCE, ein Joint Venture mit dem italienischen Elektrodenhersteller Industrie De Nora, ist nach Umsatz größer als der britische Konkurrent ITM Power sowie die bekannte NEL ASA aus Norwegen, die zuletzt knapp 27 sowie 82 Millionen Euro erlösten. Elektrolyse, die Technologie zur Abspaltung von Wasserstoff, ist der Schlüssel für den geplanten Ersatz von fossilen Brennstoffen wie Koks, Erdöl und Erdgas. Der kohlendioxidfreie Energieträger soll künftig in vielen Industrien zum Einsatz kommen, auch in der Stahlherstellung mit ihren besonders hohen Emissionen des klimaverändernden CO2.

UCE-Chef Denis Krude erwartet, dass sich der globale Wasserstoffverbrauch von 2020 bis 2050 auf 21 Terawattstunden pro Jahr verachtfachen wird. Weltweit wurden im Wasserstoffmarkt 2020 rund 110 Milliarden Dollar umgesetzt.

Der Markt für Elektrolyse, der für UCE besonders interessant ist, soll in zehn Jahren auf 40 Milliarden Euro zulegen. Wasserstoff ist auch an der Börse ein Megatrend. Akteure wie ITM und Nel sind deshalb hoch bewertet. So entspricht der Börsenwert der Norweger aktuell dem 29-Fachen des Umsatzes des abgelaufenen Geschäftsjahres.

Bis zu sechs Milliarden Euro wert

Der Börsenwert der thyssenkrupp-Tochter UCE wird auf vier bis sechs Milliarden Euro taxiert, ein Wert zwischen dem 13- und 20-Fachen des Umsatzes. Während ITM und Nel kleinere Elektrolyseanlagen liefern, baut UCE große Anlagen mit Leistungen im Gigawatt-Bereich. Zu den Kunden zählen Chemiekonzerne, neben BASF und Covestro auch der Hersteller von Industriegasen Air Products.

In einer exklusiven Kooperation mit dem US-Konzern liefert UCE die Elektrolyse-Technologie und den Service für die Wasserstoffanlagen, die von Air Products betrieben werden. Der sogenannte Zellensaal einer Anlage liefert eine Elektrolysekapazität von rund 100 Megawatt - etwa den Jahresverbrauch von 600 Haushalten.

Ursprünglich wollte thyssenkrupp UCE, die der Sparte Multi Tracks zugeordnet ist, verkaufen. Dann zogen die Geschäfte deutlich an, der von Martina Merz geführte Vorstand stoppte den Verkauf. Nun will thyssenkrupp nach dem Börsengang mehrheitlich und langfristig an UCE beteiligt bleiben. Die meisten anderen Geschäfte bei Multi Tracks mit 5,6 Milliarden Euro Gesamterlös sollen veräußert oder in Partnerschaften eingebracht werden. Chefin Merz hat auf diesem Weg bereits viel erreicht.

Die Ingenieurin hat viel Erfahrung mit Finanzinvestoren. Während ihrer Zeit bei Bosch hat sie Bereiche, die an Finanzinvestoren verkauft wurden, mit den neuen Eigentümern in führender Position begleitet, um die Firmen weiterzuentwickeln. "Finanzinvestoren lösen einen heilsamen Zwang zur Veränderung aus, weil sie sich konsequent auf das Wesentliche konzentrieren. Ich habe davon viel gelernt, und das versuche ich auch anzuwenden", sagt Merz.

Stahlsparte soll an die Börse

Zum neuen Selbstverständnis des Traditionskonzerns, der als Deutschlands größter Stahlkonzern über Jahrzehnte Industriegeschichte geschrieben hat, gehört nun auch, dass die Sparte Steel Europe mit zuletzt knapp neun Milliarden Euro Umsatz 2023 als Spin-off an die Börse soll. Dabei werden die Aktien des Unternehmens in die Depots der Aktionäre von thyssenkrupp gebucht.

Für den Umbau der Stahlerzeugung auf ein wasserstoffbasiertes Verfahren ist viel Kapital notwendig. Bis 2025 soll eine Anlage mit einer Kapazität von 1,2 Millionen Tonnen Roheisen gebaut werden. 2030 sollen dann drei Millionen Tonnen Stahl umweltfreundlich produziert werden. Die Investitionen werden auf zwei Milliarden Euro geschätzt. Arbeitnehmervertreter fordern deshalb eine gute Kapitalausstattung.

Für das laufende Geschäftsjahr sind die Aussichten bei Thyssenkrupp gut. Erstmals seit langer Zeit soll es eine Dividende geben. Mit 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro wird eine Verdoppelung des bereinigten operativen Gewinns (Ebit) in Aussicht gestellt. Steel Europe erwartet dank seiner effizienteren Strukturen sowie höherer Mengen und Margen einen Anstieg des operativen Gewinns um mindestens eine Milliarde Euro. Damit liefert die zyklische Sparte in diesem Jahr den Löwenanteil des Ertrags.

Der Handel mit Stahl und anderen Werk- und Rohstoffen im größten Segment Material Services mit 12,3 Milliarden Euro Umsatz ist beim operativen Konzernertrag mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag dabei. Ähnlich sieht es bei Industrial Components mit Wälzlagern und der Autozuliefersparte aus. Die drei Bereiche bleiben im Verbund. Für Marine Systems, wo auch U-Boote gebaut werden, prüft Thyssenkrupp auch andere Optionen.

Perspektive: Der IPO der Wasserstoffsparte, die guten Aussichten für das Geschäftsjahr und die günstige Bewertung bringen Aufwind.









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Bildquellen: thyssenkrupp AG

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