Berkshire Hathaway-Aktie: Worauf nur wartet Wall Street-Legende Warren Buffett?
Die US-Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway zeigt plötzlich Schwächen. Ist die ultrakonservative Anlagestrategie Warren Buffetts gescheitert - oder hat die Börsenlegende doch wieder den richtigen Riecher?
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von Florian Westermann, Euro am Sonntag
Für Warren Buffett läuft es nicht mehr so gut wie gewohnt. Die Aktie seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway blieb nicht nur 2019, sondern auch in den vergangenen sechs Monaten - und damit über das Ab und Auf der Corona- Krise - weit hinter der Entwicklung des Aktienindex S & P 500 zurück: Minus 21 Prozent zu minus vier Prozent lautet die Bilanz. Hat die Wall-Street-Legende kurz vor ihrem 90. Geburtstag im August das Investieren verlernt?
Dabei bot der Börseneinbruch bisher enorme Chancen für Anleger. In den vergangenen Jahren wurde jede Kritik an Buffett angesichts seiner überragenden Performance von jährlich mehr als 20 Prozent seit 1965 (doppelt so viel wie der S & P 500) bereits im Keim erstickt.
Inzwischen zweifeln viele an Buffetts ultrakonservativem Investmentansatz. Statt bei Technologiefirmen wie Facebook, der Google-Mutter Alphabet oder dem Onlinehändler Amazon - von einer kleinen Beteiligung einmal abgesehen - einzusteigen, investierte Buffett zuletzt lieber in Öl- und Fluggesellschaften. Diese Fehleinschätzung, bisher jedenfalls ist sie eine, kommt ihn und seine Aktionäre nun teuer zu stehen.
Im Käuferstreik
Auch eines seiner berühmtesten Zitate hat Buffett beim jüngsten Börsenabsturz nicht berücksichtigt: "Sei ängstlich, wenn die anderen gierig sind, und sei gierig, wenn die anderen Angst haben." Auf einen großen Deal wie zur Finanzkrise 2008 warten die Aktionäre seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway vergeblich. Während der Finanzkrise 2009 investierten Buffett und sein Kompagnon Charlie Munger gegen den Mainstream über 20 Milliarden Dollar in notleidende Firmen, etwa aus dem stark angeschlagenen Bankensektor - zum Schnäppchenpreis. Es war ein lukratives Geschäft. Auch die milliardenschwere Übernahme der Eisenbahngesellschaft Burlington Northern Santa Fe (BNSF) - aus heutiger Sicht ein Geniestreich der Börsenlegende - fiel in diese Zeit.
Doch in der Viruspandemie will Buffett keine Aktien kaufen. Vielmehr trennte sich das "Orakel von Omaha" im Crash sogar von großen Positionen. So stieß der Börsenguru seine Anteile an den Fluggesellschaften American Airlines, United Airlines, Delta Air Lines und Southwest Airlines, die er wenige Monate zuvor noch teuer eingesammelt hatte, mit hohen Verlusten ab.
Insgesamt trennte sich Berkshire im April von Aktien im Wert von 6,5 Milliarden Dollar. Neben Airlines warf Buffett insbesondere Papiere von Banken auf den Markt, was Anleger als Warnsignal deuten. Die Zukäufe hielten sich mit weniger als einer halben Milliarde Dollar in Grenzen.
Hat Warren Buffett auf einmal selbst Angst? Die Kursverluste an den Börsen jedenfalls hinterlassen Spuren in den Büchern von Berkshire. Netto wies die Investmentgesellschaft im ersten Quartal einen Rekordverlust von knapp 50 Milliarden Dollar aus. Buffett verwies dabei allerdings auf geänderte Bilanzregeln. Anleger sollten dem negativen Nettoergebnis daher keine allzu große Bedeutung beimessen. Operativ verdiente die Beteiligungsgesellschaft fast sechs Milliarden Dollar - das war sogar ein Plus gegenüber dem Vorjahreszeitraum von sechs Prozent.
Auch wegen der jüngsten Aktienverkäufe sitzt Buffett auf einem noch größeren Berg Cash. Zum Ende des ersten Quartals hatte Berkshire inklusive kurzfristiger Staatsanleihen 137 Milliarden Dollar auf der hohen Kante. Geld, das Buffett für Übernahmen oder Zukäufe hätte nutzen können, mäkeln Anleger. Die Kritik an seiner Investmentformel, nur in unterbewertete Firmen zu investieren, prallt jedoch an dem 89-Jährigen ab. "Wir sehen nichts besonders Attraktives im Markt", so der Selfmademilliardär auf der ersten virtuellen Hauptversammlung von Berkshire Hathaway im Mai. Die Zeit für große Investments sei noch nicht gekommen.
Warten auf den finalen Crash
Womöglich bereitet sich Buffett, der stets unter langfristigen Aspekten investiert, tatsächlich auf einen zweiten Crash an den Börsen vor. Buffets 96-jähriger Sein Geschäftspartner Munger jedenfalls befürchtet die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet 2020 immerhin mit einem Rückgang der Weltwirtschaft um fast fünf Prozent - das stärkste Minus seit der Rezession in den 1930er-Jahren. Da erscheint Buffetts Entscheidung, das Geschehen an den volatilen Börsen von der Seitenlinie zu beobachten und auf Liquidität zu setzen, nachvollziehbar.
Langfristig zeigt er sich dennoch optimistisch. Er rechne nach wie vor mit einer positiven Entwicklung der US-Wirtschaft. Für eine größere Übernahme stünden Berkshire 30 bis 50 Milliarden Dollar zur Verfügung. Die übrige Liquidität benötigte man für außergewöhnliche Schadensereignisse wie Erdbeben oder Wirbelstürme in der wichtigen Versicherungssparte. Das Versicherungsgeschäft - unter anderem gehört der größte US-amerikanische Autodirektversicherer Geico zu Berkshires Kernportfolio - ist seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Ertragsbringer im Portfolio.
Seine liebsten Aktien
Herausragende Rollen im Aktiendepot der Investmentfirma haben zudem Kreditkartenanbieter American Express, Getränkehersteller Coca-Cola, das Finanzhaus Bank of America und iPhone-Hersteller Apple.
Alle diese Firmen haben eines gemeinsam: Sie wachsen langfristig, sind solide finanziert und zahlen eine attraktive Dividende. Allein die zehn größten Beteiligungen spülten Berkshire im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden Dollar an Ausschüttungen in die Kasse.
Ein besonders inniges Verhältnis hat der Milliardär zum langjährigen Kerninvestment Coca-Cola. Buffett ist bekennender Fan der süßen Brause und zeigt sich auf der Hauptversammlung von Berkshire - scherzhaft "Woodstock für Kapitalisten" genannt - regelmäßig mit einer Dose Cherry Coke. Der weltgrößte Getränkehersteller gilt weitgehend als krisenresistent. Die Produkte der Amerikaner sind nicht aus den Supermärkten wegzudenken. Zudem erhöht der Konzern seine Dividende seit nunmehr fast 60 Jahren in Folge - das dürfte sich auch in Corona-Zeiten nicht ändern.
INVESTOR-INFO
Berkshire Hathaway B
Marathonaktie
Die Holding Berkshire ist breit aufgestellt. Zum Portfolio gehören rund 90 Firmen, etwa aus den Bereichen Versicherungen und Industrie, die der Konzern kontrolliert. Hinzu kommen große Aktienpakete. In übertriebenen Haussephasen blieb Buffett mit seiner konservativen Strategie oft hinter dem Markt zurück. Über Krisenzeiten hinweg schnitt er bislang immer besser ab. Für Langfristanleger ist der jüngste Kursrutsch der B-Aktie (A ist extrem teuer) eine Gelegenheit.
Coca-Cola
Comeback des Dursts
Der weltgrößte Getränkehersteller Coca-Cola bekommt die Krise deutlich zu spüren. Bars und Clubs blieben zuletzt geschlossen, der Absatz brach ein. Für 2020 rechnen Analysten daher mit einem Umsatz- und Gewinnrückgang. Bereits fürs nächste Jahr stellen die Experten indes eine spürbare Erholung in Aussicht. Der Umsatz soll mit über 36 Milliarden Dollar fast wieder das Niveau von 2019 erreichen. Das operative Ergebnis könnte sogar mit über zwölf Milliarden Dollar das 2019er-Ergebnis übertreffen. Kaufchance.
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