Neue Zulassung eröffnet Milliardenmarkt: Das sind die Aussichten für die Biogen-Aktie

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Es ist eine weitere Überraschung in einer an unerwarteten Wendungen nicht gerade armen Geschichte: Zum ersten Mal seit 18 Jahren hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA einem Medikament gegen Alzheimer-Demenz das Okay erteilt. Biogens Aducanumab soll das Fortschreiten der Erkrankung leicht bremsen können.

Die Biogen-Aktie stieg nach der Entscheidung zeitweise um 64 Prozent, zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe lag sie noch rund 50 Prozent im Plus. Analysten erwarten, dass Biogen mit dem Mittel in den kommenden Jahren zwischen sieben und 18 Milliarden Dollar pro Jahr einnehmen kann. Es gibt bislang kein Medikament, das wirklich die Wurzeln der Krankheit anpackt - aber allein in den USA rund sechs Millionen Patienten.

Inwieweit sich die hohen Umsatzprognosen tatsächlich verwirklichen lassen, ist noch nicht absehbar. Kostenträger und Ärzte könnten die Verschreibung von Aducanumab, das unter dem Namen Aduhelm verkauft werden soll, deutlich bremsen. Denn das Mittel ist medizinisch äußerst umstritten. Biogen hatte 2019 zwei gleich aufgebaute Phase-3-Studien gestoppt, weil das Medikament keine Wirkung zeigte. Einige Monate später erklärte das Unternehmen dann, in einer der Studien bei besonders hohen Dosen doch einen Effekt beobachtet zu haben. Solche Analysen von Subgruppen im Nachhinein gelten in der Medizin als wenig aussagekräftig, weil sie mit großen statistischen Unsicherheiten behaftet sind. Ein von der FDA einberufenes externes Beratergremium stimmte aus diesem Grund gegen eine Zulassung.

Normalerweise folgt die Behörde den Vorschlägen der Experten-Panel. Diesmal jedoch nicht. Die FDA fordert zwar eine weitere Studie, um die Verlangsamung des kognitiven Verfalls zu belegen. Andernfalls könne die Zulassung wieder entzogen werden. Doch sie gibt Biogen offenbar bis zu neun Jahre Zeit dafür, in der Zwischenzeit darf der Konzern Kasse machen. Biogen hat sich dafür mit dem überraschend hohen Preis von 56.000 Dollar pro Jahr und der Möglichkeit, Patienten aller Alzheimer-Stadien behandeln zu dürfen, in eine exzellente Ausgangsposition manövriert. Der US-Biotechkonzern verfügt nun über einen starken Wachstumstreiber für die kommenden Jahre - zumindest bis die Konkurrenz nachzieht.

Spitze: Auch nach der Kursexplosion ist die Biogen-Aktie noch vergleichsweise moderat bewertet. Risikobereite Anleger greifen zu.

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