Commerzbank: Inflation steigt in vier bis fünf Jahren deutlich
Die Kooperation von Geld- und Fiskalpolitik, ein daraus resultierender starker Anstieg der Geldmenge, eine abnehmende Unabhängigkeit der Notenbanken und der demografische Wandel werden nach Einschätzung des Commerzbank-Research in vier bis fünf Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Inflation führen.
Die Ökonomen um Chefvolkswirt Jörg Krämer sehen Parallelen zu den Entwicklungen in den USA in den 1960er Jahren.
Sie weisen darauf hin, dass Europäische Zentralbank (EZB) und Federal Reserve derzeit bereitwillig die Haushaltsdefizite der Regierungen finanzierten, wodurch sich das Wachstum der relevanten Zentralbankgeldmenge in Europa von 5 auf 10 Prozent verdoppelt haben und das in den USA bei über 20 Prozent liege.
"Die US-Inflation begann Mitte der 60er Jahre zu steigen, obwohl die von der Notenbank mitfinanzierten Haushaltsdefizite keinesfalls so hoch waren wie heute", heißt es in der Veröffentlichung. Zwischen 1950 und 1965 hatte die Inflation durchschnittlich bei knapp 2 Prozent gelegen, ab da zog sie auf 5 Prozent an - noch vor dem Ölpreisschock von 1973, wie die Analysten anmerken.
Derzeit liegt die Inflation im Euroraum unter anderem wegen der coronabedingt ergriffenen, vorübergehenden Maßnahmen bei minus 0,3 Prozent und in den USA bei plus 1,2 Prozent. Die Commerzbank-Volkswirte sind aber überzeugt: "Die seit einiger Zeit zu stark steigenden Geldmengen werden dann zu einer höheren Inflation führen, wenn die große demographische Wende zu einer nennenswerten Verknappung von Arbeit führt."
Wann genau das geschehen wird, sei schwer zu sagen. Schließlich beginne das Verhältnis von Erwerbsbevölkerung zu gesamter Bevölkerung erst zu sinken. Außerdem könnte die stärkere Integration ärmerer asiatischer, lateinamerikanischer oder afrikanischer Volkswirtschaften in die Weltwirtschaft diesen Punkt weiter in die Zukunft verschieben. Darüber hinaus dürfte die Digitalisierung die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften schwächen und den inflationstreibenden Effekt der demographischen Wende abschwächen.
Fazit der Commerzbank-Volkswirte: "Für die kommenden vier, fünf Jahre rechnen wir für den Euroraum und die USA noch mit einer Inflation von allenfalls 2 Prozent. Aber danach sollte die Inflation zu steigen beginnen." Weil die Zentralbanken ähnlich wie die Fed in den 1960er und 1970er Jahren nicht ausreichend unabhängig seien, dürften sie ihre Zinsen zu zögerlich anheben, was für eine längere Inflationsperiode spreche.
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)
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Bildquellen: Commerzbank AG