Ausblick: Siemens vor schwächerem Jahresauftakt und turbulenter Hauptversammlung
Der Technologiekonzern Siemens legt am Mittwoch (5. Februar) vor der Hauptversammlung seine Zahlen für das erste Quartal vor.
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Erwartet wird ein schwächerer Start in das neue Geschäftsjahr (per 30. September). Und auch die Hauptversammlung dürfte ungemütlich werden. So haben sich Proteste von Umwelt- und Klimaschützern angekündigt.
LAGE BEI SIEMENS:
Siemens steht vor einem wichtigen Jahr. Der seit längerem im Umbau befindliche Konzern will 2020 seine Sparte Gas and Power, die unter anderem das Kraftwerksgeschäft enthält, ausgliedern und im September unter dem Namen Siemens Energy an die Börse bringen. In die neue Gesellschaft soll auch der Anteil von 59 Prozent an dem Windanlagenbauer Siemens Gamesa Renewable Energy SA eingebracht werden. Mittelfristig will Siemens lediglich noch eine Sperrminorität halten. Der designierte Energy-Chef Michael Sen erhofft sich unter anderem "mehr Flexibilität in Strategieentscheidungen". Das Marktumfeld ist schwierig, der Preisdruck hoch, auch in der Windkraft. Es ist die größte Umwälzung seit Jahren, Siemens kappt einen Teil seiner Wurzeln.
Siemens verabschiedet sich damit von seiner Konglomeratsstruktur. Das Kerngeschäft wird künftig aus dem Digitalisierungsgeschäft, der smarten Infrastruktur sowie dem Zuggeschäft bestehen, flankiert von der Medizintechniktochter Healthineers sowie Energy. Die Zugsparte soll zunächst im Konzern verbleiben, nachdem deren Fusion mit dem französischen Konkurrenten Alstom am Veto der europäischen Wettbewerbsbehörde gescheitert war.
Im vergangenen Jahr musste Siemens einen Gewinnrückgang hinnehmen. Vor allem in der zweiten Geschäftsjahreshälfte belasteten die kurzzyklischen Geschäfte, insbesondere in der Automobil- und Maschinenbaubranche. Der Druck dürfte vor allem in den ersten sechs Monaten weiter anhalten. Der Konzern geht von moderat sinkenden Märkten in Bereichen wie Software oder Automatisierung aus.
Zudem hemmt weiter die Nachfolgediskussion um Chef Joe Kaeser. Der Vertrag des 1957 geborenen Niederbayern läuft Anfang 2021 aus, der Siemens-Aufsichtsrat hatte Technik-Vorstand Roland Busch zum 1. Oktober vergangenen Jahres zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt und damit quasi zum Kronprinz gemacht. Über die Nachfolge und deren Zeitpunkt soll in diesem Sommer entschieden werden. Das führt zu anhaltenden Spekulationen, Kaeser könne womöglich früher gehen. Aber auch das Gegenteil könnte theoretisch der Fall sein - dass der Manager womöglich doch noch einmal verlängert, um die Früchte seines Strategieprogramms zu ernten. Siemens betont immer wieder die "klare Nachfolgeregelung". Doch diese bekommt immer mehr den Charakter einer Hängepartie.
Es gibt für die Aktionäre daher reichlich zu diskutieren auf der Hauptversammlung. Und gäbe es bei Siemens nicht ohnehin schon reichlich Gesprächsstoff, könnte es noch von anderer Seite ungemütlich werden. Die Aktivisten von "Fridays for Future" haben Proteste angekündigt, unterstützt von anderen Organisationen wie Greenpeace. Siemens war wegen eines Auftrags für Zugsignaltechnik für ein Kohlebergwerk in Australien ins Visier der Umweltschützer geraten. Der indische Energiekonzern Adani will dort eines der größten Kohlebergwerke der Welt errichten.
Siemens begründete das Festhalten an dem Auftrag, der lediglich ein Volumen von rund 18 Millionen Euro hat, unter anderem damit, dass der Konzern zu seinen vertraglichen Pflichten stehen müsse. Siemens will als Konsequenz aus der Debatte ein Nachhaltigkeitskomitee einrichten, das problematische Projekte stoppen soll. Siemens-Chef Kaeser hatte sich Mitte Januar mit der Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer getroffen und ihr einen "Aufsichtsposten" in der künftigen Siemens-Energy angeboten, was diese ablehnte. Allein dies hatte schon hohe Wellen geschlagen.
DAS ERWARTET SIEMENS:
Für das neue Geschäftsjahr bleibt das Management um Kaeser wegen der Konjunkturflaute vorsichtig. Das Unternehmen soll auf vergleichbarer Basis moderat wachsen, was ein Plus von 3 bis 5 Prozent impliziert. Das Ergebnis je Aktie soll 6,30 Euro bis 7,00 Euro betragen, nach 6,41 Euro im Vorjahr. In der Mitte der Spanne würde das ein Gewinnwachstum von 4 Prozent bedeuten. Erträge aus der Ausgliederung des Energiegeschäfts dürften sich mit Belastungen aus diesem Prozess sowie Restrukturierungskosten in etwa die Waage halten. Die Investitionen sollen weiter zulegen.
Für seine Digitalisierungssparte, die zusammen mit Healthineers den größten Ergebnisbeitrag zum Konzern leistet, erwartet der Konzern daher keine großen Sprünge. Im Geschäftsjahr 2019/20 geht Siemens in dem Segment von stagnierenden bis sinkenden Margen sowie einem unveränderten Umsatz aus. Auch für das Zuggeschäft erwartet der Konzern im schlechtesten Fall sinkende Renditen. Beim Geschäft für smarte Infrastruktur sieht Siemens dagegen eine leichte Besserung. Die vor der Ausgliederung stehende Energiesparte dürfte weiterhin vergleichsweise schwache Margen erwirtschaften.
DAS ERWARTEN ANALYSTEN:
Marktexperten erwarten ein eher maues erstes Quartal. Siemens Healthineers und Gamesa haben bereits Zahlen vorgelegt, die schwächer als erwartete waren, Gamesa musste sogar einen Verlust verkraften. Das Management habe bereits deutlich gemacht, dass die kurzzyklischen Geschäfte im ersten Halbjahr weiter unter schwierigen Bedingungen arbeiten müssten, hieß es bei der Bank of America. Das hoch profitable Geschäft mit der Industrieautomatisierung sollte weiter schwach bleiben. Das erste Quartal sei zudem saisonal schwächer in den Bereichen smarte Infrastruktur, dem Zug- sowie dem Energiegeschäft.
Andreas Willi von JPMorgan geht ebenfalls davon aus, dass die Geschäfte erst wieder im zweiten Geschäftshalbjahr Fahrt aufnehmen. Dann dürfte Siemens auch von seinem Umbauprogramm profitieren.
Im Schnitt rechnen Analysten in einem von Siemens zusammengestellten Konsens mit einem Umsatz von 20,6 Milliarden Euro im ersten Quartal, einem bereinigten operativen Ergebnis (Ebita) des Industriegeschäfts von knapp 1,9 Milliarden Euro sowie einem Nettogewinn von 912 Millionen Euro.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die Siemens-Aktie hat im vergangenen Jahr ordentlich zugelegt. Über einen Zuwachs von rund 20 Prozent konnten sich Anteilseigner freuen. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte kletterte das Papier - von etwa 85 Euro Mitte August auf rund 119 Euro Mitte Dezember. Im neuen Jahr halten sich Investoren bislang zurück. Der Kurs bröckelte bislang um gut 4 Prozent.
Analysten sind insgesamt positiv gestimmt. Vom geplanten Konzernumbau und die Auflösung der Konglomeratsstruktur erwarten sich die Experten einen deutlichen Wertzuwachs. Die überwiegende Anzahl der im dpa-AFX Analyser vertretenen Analysten empfiehlt die Aktie daher zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel beträgt gut 129 Euro (Stand. 3. Februar). Aktuell notiert das Papier bei rund 111 Euro./nas/knd/mis
MÜNCHEN (dpa-AFX)
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