Massive Beeinträchtigungen

Lokführer-Warnstreik läuft - Notfahrplan angelaufen - Bahnhöfe sind weitgehend leer - Weselsky sieht keine Alternative

08.12.23 13:18 Uhr

Lokführer-Warnstreik läuft - Notfahrplan angelaufen - Bahnhöfe sind weitgehend leer - Weselsky sieht keine Alternative | finanzen.net

Seit dem späten Donnerstagabend läuft der bundesweite Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bei der Deutschen Bahn und anderen Eisenbahnunternehmen - mit Betriebsbeginn am frühen Freitagmorgen sind seine Auswirkungen besonders spürbar.

Der Notfahrplan sei angelaufen, teilte die Bahn am Freitagmorgen mit. Die meisten Fahrgäste habe die Ankündigung offenbar rechtzeitig erreicht. An vielen Bahnhöfen in Deutschland sei die Lage am frühen Freitagmorgen sehr ruhig, sagte ein Bahnsprecher in Berlin. "Die GDL vermiest mit dieser kurzfristigen Streikankündigung Millionen Fahrgästen das Adventswochenende."

Wer­bung

Der bundeseigene Konzern hat erneut rund 80 Prozent des Fernverkehrs eingestellt. Im Regionalverkehr gebe es hingegen je nach Region große Unterschiede, sagte der Sprecher. Tausende Züge dürften betroffen sein. Genaue Zahlen nannte die Bahn zunächst nicht. "In Deutschland fahren pro Tag 50 000 Züge", hieß es lediglich am Morgen. Darunter seien aber auch Züge von Eisenbahnunternehmen, die nicht direkt vom Streik betroffen sind.

Ziel der Bahn sei es, bis zum Samstagmorgen den regulären Fahrplan wieder vollständig anbieten zu können. "Wir setzen alles daran, dass bis zum Betriebsbeginn am Samstag wieder alles fährt", betonte der Sprecher. Im Güterverkehr seien die Auswirkungen indes länger zu spüren. Hier hatten sich schon vor Beginn des Warnstreiks aufgrund des Winterchaos in Bayern zuletzt rund 170 Züge gestaut, wie die Bahn am Donnerstag mitteilte. "Es ist zu befürchten, dass sich diese Zahl verdoppelt", sagte ein Sprecher.

Wer­bung

Es ist in der laufenden Tarifrunde bei der Deutschen Bahn der zweite Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL. Im Personenverkehr hatte er am Donnerstagabend um 22.00 Uhr begonnen, im Güterverkehr einige Stunden früher. Bis Freitagabend um 22.00 Uhr soll der Arbeitskampf andauern. Betroffen ist nicht nur die Deutsche Bahn. Auch der Wettbewerber Transdev wird bestreikt. Betroffen ist dort etwa die Nordwestbahn sowie die Rhein-Ruhr-Bahn des Konzerns in Nordrhein-Westfalen. Auch in Hannover und Mitteldeutschland waren Transdev-Beschäftigte zum Warnstreik aufgerufen.

Bei beiden Unternehmen hat die GDL die Tarifverhandlungen inzwischen für gescheitert erklärt. Knackpunkt ist in beiden Fällen vor allem die Forderung der GDL nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Die Arbeitgeber lehnen das bisher ab.

Wer­bung

Nach dem Warnstreik können Fahrgäste zunächst durchatmen. Bis einschließlich 7. Januar hat GDL-Chef Weselsky weitere Arbeitskämpfe ausgeschlossen. Danach ist dann wieder alles möglich.

Weselsky: Keine andere Wahl

GDL-Chef Claus Weselsky hat den erneuten Streik der Lokomotivführer bei der Deutschen Bahn verteidigt. Weselsky sagte der Rheinischen Post: "So leid mir das für die Kunden tut, aber wir haben derzeit keine andere Wahl." Das Management und der Personalvorstand Martin Seiler seien nicht bereit, über die Absenkung der Wochenarbeitszeit und über die Tarifverträge für Fahrdienstleiter zu verhandeln. "Wer nicht zuhören will, muss die Konsequenzen tragen", sagte Weselsky. Die Bahn wolle keinen Kompromiss. "Die Kunden müssen sich bei der Bahn beschweren", ergänzte der GDL-Vorsitzende. Zugleich betonte Weselsky: "Die Streikbereitschaft unserer Mitglieder liegt bei 100 Prozent." Das zeigten die Auswirkungen des laufenden Ausstands. Erneut versicherte Weselsky, dass es vor Weihnachten keinen weiteren Ausstand geben werde. "Das ist unser letzter Warnstreik vor Weihnachten. Wenn der zu Ende geht, setzt die friedvolle Weihnachtszeit ein. Die geht bis zum 7. Januar."

Städtebund wirft GDL wegen Bahnstreik Egoismus vor

Angesichts des neuen Warnstreiks wirft der Deutsche Städte- und Gemeindebund der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) Egoismus zu Lasten des gesamten Landes vor. "Die Interessen dieser kleinen Gewerkschaft sind offenbar wichtiger als Funktionsfähigkeit des ganzen Landes", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Bild-Zetung. Der Warnstreik sei "viel zu kurzfristig angesetzt worden", kritisierte Landsberg. Bürger und Kommunen hätten praktisch keine Zeit, "sich umzustellen". Angesichts der schon geplanten Urabstimmung sei der ausstand zu dem "vollkommen unerklärlich", sagte Landsberg. "Alle sollen auf die Bahn umsteigen, doch wenn die mal funktioniert, wird sie von dieser Minigewerkschaft lahmgelegt. Das schadet Millionen Menschen und auch noch dem Klima."

"Werden die Bahn knacken

Claus Weselsky zeigte sich im Arbeitskampf kämpferisch. Während der Warnstreik der GDL am Freitag weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland stark behinderte, gab sich Weselsky zuversichtlich, die Gewerkschaftsforderungen gegenüber dem Bahnvorstand durchzusetzen. "Wir werden sie knacken", sagte der GDL-Chef vor Demonstrierenden in Potsdam.

Weselsky trat bei einer Kundgebung am Rande der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder auf. Mit der Aktion wollte der Beamtenbund dbb, dessen Mitglied die GDL ist, Solidarität mit den Bahnbeschäftigten demonstrieren.

Weselsky warf der Politik vor, "einen riesengroßen Fehler" bei der Privatisierung von Post, Telekom, aber auch der Bahn gemacht zu haben. "Heute sind wir systemrelevant und sollen nicht streiken", sagte der Gewerkschafter. "Und genau den Gefallen können wir nicht tun." Von dem bis Freitagabend terminierten Bahnstreik dürften Tausende Züge betroffen sein.

Weselsky sagte, die Gewerkschafter hätten gewollt, dass alle Lokomotivführer, Zugbegleiter und Fahrdienstleiter, die früher einmal Beamte gewesen seien, wieder in diesen Status hinein kämen. "Dann würde die Eisenbahn unbeeinflusst von Streiks fahren. Aber das hatten ja die Privatisierungsbefürworter nicht im Sinn", so der Gewerkschafter. "Sie wollten ja Gewinne erzeugen. Sie wollten den Steuerzahler entlasten. Sie wollten mit der Deutschen Bahn AG an die Börse gehen." Diese "bemerkenswert intelligenten Gedanken" seien aber nicht aufgegangen. Der Bahn-Konzern sei verschuldet, das Eisenbahnsystem marode. Und es gebe Manager "in dieser Aktiengesellschaft, die sich mit Millionen-Gehältern bedienen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anbieten, den Gürtel enger zu schnallen", sagte Weselsky. "Ich sage an der Stelle: Pfui Teufel!"

Die GDL sei entschlossen, erstmals tatsächlich die Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter in den Vordergrund zu stellen. Ein Knackpunkt der Verhandlungen ist die Forderung nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Die Arbeitgeber lehnen das bisher ab. Weselsky räumte ein: "Das wird nie von heute auf morgen drei Stunden abgesenkt." Aber die GDL werde dem Bahnkonzern zu verstehen geben, "wie die Reise hier zu gehen hat". Der GDL-Chef hatte bereits neue Arbeitskämpfe bei der Bahn für Januar in Aussicht gestellt.

BERLIN dpa-AFX/Dow Jones Newswires

Bildquellen: Slava2009 / Shutterstock.com, Lucian Milasan / Shutterstock.com