Wenn der Euro für 60 Cent zu haben ist

von Jens Castner, €uro am Sonntag

Die Krise ist nicht vorbei, wie die durchweg roten Vorzeichen an den Aktienmärkten, der erstmals seit Monaten wieder nachgebende Ifo-Geschäftsklimaindex und – last but not least – die grottenschlechten Zahlen der Commerzbank diese Woche einmal mehr unter Beweis gestellt haben. Dass sich der Volkszorn gegen diejenigen Banker richtet, die uns die Misere eingebrockt haben, ist verständlich. Die Vorstellung, die Geldmanager hätten, guten Kaufmannstugenden folgend, in den fetten Jahren etwas zur Seite gelegt, um für die nächste Krise gewappnet zu sein, entpuppt sich im Nachhinein als blauäugig. Statt die Tresore mit Goldbarren aufzufüllen, haben sie die Gewinne nahezu komplett ausgeschüttet – vorzugsweise an sich selbst. Und als die Flut zurückging, wie es Warren Buffett einst ausdrückte, war für jedermann sichtbar, dass sie nackt im Wasser standen.

Die Geier kreisen bereits. Genüsslich bereiten sich die Vorstände einiger Immobiliengesellschaften darauf vor, Objekte aus geplatzten Finanzierun­gen (oder direkt aus Eigenbeständen angeschlagener Banken) mit deutlichen Rabatten einzukaufen. Allerdings ist das nicht ganz einfach, wie am Rand einer Fachtagung der Analystenvereinigung DVFA diese Woche in Frankfurt klar wurde. Denn längst hat sich die Kreditklemme auch auf den Immobiliensektor ausgewirkt.

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Am deutlichsten werden die Folgen – wie üblich – an der Börse. Kaum ein Immobilienunternehmen im Lande ­notiert in der Nähe des sogenannten Net Asset Value, der sich aus Barmitteln und dem Wert des Portfolios zusammensetzt. Abschläge von 20, 30 oder gar 40 Prozent sind eher die Regel als die Ausnahme. Das wiederum bringt die gängigen Finanzierungsmodelle ins Wanken. Per Kapitalerhöhung neue Aktien auszugeben, um ­dafür Immobilien zu erweben, macht wenig Sinn, wenn der Kurs derart unter Wasser ist. Aktien mit 40 Prozent Abschlag auf den inneren Wert abzugeben, um mit dem Erlös Häuser und Wohnungen 20 Prozent unter Marktpreis einzukaufen, wäre ein schlechter Tausch. Die logische Folge ist ein Konsolidierungsprozess, der bereits begonnen hat.

Als Übernahmeziele gelten Immobilienfirmen mit besonders hohem Abschlag auf den inneren Wert. Nur einen Tag, nachdem Estavis sich auf der DVFA-Konferenz (wohl recht überzeugend) präsentiert hatte, beteiligte sich TAG Immobilien mit 15 Prozent an dem Berliner Spezialisten für denkmalgeschützte Eigentumswohnungen. Dass TAG vom Exbanker Rolf Elegeti gelenkt wird, der seinen gut bezahlten Job als „bester Analyst Europas“ vor Jahren aufgab, um in die Immobilienbranche zu wechseln, zeigt vor allem eines: Nicht alle Damen und Herren der Hochfinanz stehen ohne Badehose im Wasser, um auf den nächsten Bonus zu warten. Es gibt durchaus Banker mit Weitblick, die den Euro heute für 60 Cent einkaufen und für die Belohnung einige Jahre Wartezeit in Kauf nehmen.