MARKT-AUSBLICK/Börsen zwischen Hoffen und Bangen

22.11.24 13:40 Uhr

Von Manuel Priego Thimmel

DOW JONES--Die Volatilität an den Märkten hat merklich zugenommen. Die Akteure an den Börsen schwanken zwischen der Hoffnung auf einen durch den künftigen US-Präsidenten Donald Trump ausgelösten Wachstumsschub mittels niedriger Steuern einerseits und der Sorge vor neuen Zöllen andererseits. Hinzu kommt die Entwicklung im Ukraine-Krieg, nachdem Moskau auf den Einsatz von westlichen Mittelraketen durch Kiew mit dem Einsatz einer neuartigen Überschallrakete reagierte, die wohl auch mit Atomsprengköpfen ausgestattet werden könnte. In der gerade erst geänderten Nuklearwaffendoktrin behält sich Russland vor, auf einen konventionellen Raketenangriff selbst mit Atomwaffen zu reagieren.

Das sorgt für Verunsicherung an den Märkten. Der DAX kämpft seitdem mit der 19.000er-Marke, Anleger leiten Mittel in sichere Häfen um. Der Goldpreis steigt, ebenso die Anleihekurse. Der Euro fiel auf Jahrestiefs und ist auf Kurs Parität zum Dollar genommen und der Bitcoin eilt von Hoch zu Hoch und hat an der 100.000er Marke gekratzt. Der Gaspreis ist derweil auf das höchste Niveau seit einem Jahr gestiegen. Es sind typische Marktreaktionen bei zunehmender Risikoscheu.

Bleiben die Unsicherheiten einer Trump-Präsidentschaft. Trump hat angedroht, die Importzölle auf chinesische Produkte auf 60 Prozent zu erhöhen und auf Waren aus allen anderen Ländern auf 10 Prozent anzuheben. "Dies wäre noch einmal eine deutliche Verschärfung seiner Handelspolitik gegenüber seiner ersten Amtszeit. Schon damals war der durchschnittliche Zollsatz der USA von unter 2 auf etwa 3 Prozent gestiegen. Nun würde er sich auf etwa 15 Prozent vervielfachen und das Niveau aus den 1930er-Jahren erreichen. Die höheren US-Zölle würden den Zugang für europäische Warenexporte zum US-Markt erschweren, deren Volumen immerhin 2,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU ausmacht", so die Commerzbank.

Die Deutsche Bank schätzt, dass eine Trump-Präsidentschaft an den Märkten bislang nur zu 30 Prozent eingepreist ist. Es sei unmöglich vorherzusehen, was genau passieren werde. Die Commerzbank kann höheren Zöllen zumindest mittelfristig sogar etwas Positives abgewinnen. Erstens, werde es China härter treffen als die EU, wodurch sich die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produkte auf dem US-Markt verbessern dürfte. Zweitens würde ein festerer Dollar europäische Importe attraktiver machen. Und drittens würden als Folge eines festeren Dollars US-Produkte international teurer.

Inflation im Euroraum wohl wieder über 2 Prozent

Das wären schlechte Nachrichten für Europa, wo ohnehin schon keine Belebung der Konjunktur in Sicht ist. Der deutliche Rückgang des Einkaufsmanager-Sammelindex im November im Euroraum von 50,0 Punkten im Oktober auf 48,1 hat Hoffnungen auf eine baldige Konjunkturwende zum Besseren einen spürbaren Dämpfer versetzt, wie die Commerzbank feststellt. Die Wirtschaft dürfte im Winterhalbjahr weitgehend stagnieren. Der in der kommenden Woche zur Veröffentlichung anstehende Ifo-Geschäftsklimaindex dürfte an dieser Einschätzung kaum etwas ändern.

Zugleich bleibt der Inflationsdruck unangenehm hoch. Die Inflationsrate im Euroraum dürfte im November mit 2,4 Prozent wieder deutlich über das EZB-Ziel von 2 Prozent gestiegen sein, wie die Daten in der kommenden Woche zeigen sollten. Dies ist laut der Commerzbank zwar größtenteils durch Basiseffekte bedingt, aber auch die Kernrate dürfte vorübergehend wieder gestiegen sein.

Dies dürfte die EZB zwar nicht daran hindern im Dezember erneut die Leitzinsen zu senken, die Zentralbanker müssten mit weiteren Zinsschritten im kommenden Jahr aber vorsichtig sein.

Volatilität dürfte bleiben

Die Börsen werden sich an ein grundsätzlich unsichereres Umfeld gewöhnen müssen. Die aktuell erhöhte Volatilität könnte sich daher als nachhaltig erweisen. Das wird auch daran deutlich, dass sich die Anleger an den Optionsmärkten verstärkt gegen Kursrutsche absichern.

Bei einer positiven Nachrichtenlage kann so aber schnell Eindeckungsbedarf entstehen, der die Börsen kräftig nach oben treibt. Und positive Nachrichten sind zumindest vorstellbar, so etwa ein Ende des Ukraine-Konflikts - in welcher Form auch immer -, neue Stimuli in China, Steuersenkungen in den USA oder eine Reform der Schuldenbremse unter einer neuen Bundesregierung.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

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